An den Grenzen im Süden Europas, hauptsächlich auf griechischen Inseln, leben Tausende von Flüchtlingen unter unmenschlichen Bedingungen. Sie werden dort festgehalten, weil kein anderer Staat in Europa zur Aufnahme bereit ist.
Für die Aufnahme von Asylbewerbern gilt das Dublin-III-Abkommen. Danach ist das Einreiseland für den Aufenthalt und das Asylverfahren zuständig. Zusätzlich darf aber jeder Staat, auch wenn er nicht Einreiseland ist, seine Bereitschaft zur Aufnahme erklären, insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen.
Zur Zeit ist aber kein anderer Staat bereit, dem überforderten Griechenland beizustehen. Das Europäische Parlament hat am 17. Dezember 2020 die einzelnen Regierungen ermahnt, die Flüchtlinge nicht weiter in Elendslagern in Griechenland abzuschotten, sondern aufzunehmen. Der griechische Ministerpräsident hatte schon vor einem Jahr um entsprechende Hilfe gebeten. Auch die deutsche Presse wundert sich über diese unsolidarische Einstellung der reichen Länder Europas gegenüber den Griechen: Am 18. Dezember 2020 erschien in der Süddeutschen Zeitung der Artikel „Europa muss Druck machen“. Darin wurden nicht nur die unmenschlichen Zustände in den Lagern beschrieben, sondern es wurde auch zum Handeln aufgefordert: „Lager räumen, Menschen verteilen, notfalls auf einen kleinen Kreis der Willigen in Europa.“
Die „europäische Lösung“ ist kläglich gescheitert
Dieser Appel zu menschlichem Verhalten lässt sich in Deutschland sofort umsetzen - sobald die Bundesregierung das zulässt: 200 deutsche Städte haben das Bündnis Sichere Häfen gebildet und sind bereit, die Geflüchteten aufzunehmen.
Auch Tutzing hat seine Solidarität zu diesem Städtebündnis erklärt. „Die Bundeskanzlerin hat für die Bereitschaft der Städte gedankt, Menschen aufzunehmen“ sagte der deutsche Städtepräsident Burghardt Jung am 21. Oktober 2020.
Aber der Innenminister verweigert den deutschen Städten die Aufnahme, er fordert Verteilung in Europa. Doch die „europäische Lösung“ ist kläglich gescheitert. Zudem will er die abschreckende Wirkung der Notlager auf Lesbos erhalten, so seine Begründung.
Ist das noch demokratisch, wenn die gewählte Regierung dieser Vielzahl von Städten die Aufnahme der Flüchtlinge verweigert? Ist es noch im Sinne der Menschenwürde gemäß dem Grundgesetz, wenn der deutsche Innenminister entscheidet, dass die Flüchtlinge auch im Winter in den Notlagern in Griechenland verbleiben müssen, statt ihre Einreise in aufnahmebereite deutsche Städten zu erlauben? Und verstößt – mit Blick auf den Winter – die Abschottung von Menschen in unterversorgten Zeltlagern nicht sogar gegen unsere Rechtsordnung, ist das nicht „unterlassene Hilfeleistung“?
Gerade in der Corona-Krise geht es um Menschlichkeit und Solidarität
Angesichts der Corona-Krise kam schon ein konstruktiver Vorschlag aus Brüssel, von Katarina Barley, Vizepräsidentin im Europa-Parlament: Die Flüchtlinge könnten Unterkunft und Verpflegung auf den heute stillgelegten Kreuzfahrtschiffen finden. Und diesen Vorschlag könnte man erweitern: Die Schiffe könnten unsere Nordseehäfen anlaufen, an Bord die Flüchtlinge, unterwegs ärztlich betreut von „Ärzte ohne Grenzen“.
Gerade in der Corona-Krise geht es um Menschlichkeit und Solidarität, auch mit den Flüchtlingen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Die Bundeskanzlerin bestimmt die Richtlinien der Politik, sie kann die Einreise in die aufnahmebereiten Städte erlauben. Mit ihrer Entscheidung würde sie Deutschland zum Vorbild für einen demokratischen und humanitären Staat in Europa machen.
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*) Claudia Steinke ist Vorsitzende des Ökumenischen Unterstützerkreises Tutzing. Florian Schotter ist CSU-Gemeinderat und Ansprechpartner der Gemeinde Tutzing für das Bündnis "Städte Sichere Häfen". Claus-Peter Reisch ist als Seenotretter auf dem Schiff "Lifeline" bekannt geworden. Peter Brummer ist Pfarrer der katholischen Tutzinger Pfarrei St. Joseph.
**) Auf dem Bild: Stehend von links Peter Frey, Pfarrer Peter Brummer, Martin Lehmann-Dannert, Georg Strasser, Gabi Dannert, Ernst von der Locht, sitzend von links Cornelia Janson und Claudia Steinke
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