Ortsplanung
21.11.2019
Von vorOrt.news

Tutzinger Treffpunkt Twiehaus

80 Gäste bei Veranstaltung des Gewerbevereins ATG - Visionen eines Gesamtkonzepts für den Ort

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Die Neugierde war groß: Treffen bei Twiehaus

Ein Architekturbüro im Mittelpunkt: So etwas gibt es nicht alle Tage. Am Montag dieser Woche war das in Tutzing im Bahnhofsviertel der Fall. Bei Jochen Twiehaus und seinem Ingenieurteam pulsierte das Leben. Der Planer, der unter anderem mit dem vorgesehenen Neubau der IT-Firma Lobster nebenan befasst ist, hat seine Räume für ein Treffen zur Verfügung gestellt, das sich als wahrer Magnet entpuppte.

Auf Einladung der Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibender (ATG) und der Starnberger Wirtschaftsfördergesellschaft gwt drängten sich rund 80 Besucher im Erdgeschoss des Gewerbekomplexes „Four Site“. Unter ihnen waren Bürgermeisterin Marlene Greinwald, Stadtplaner Prof. Florian Burgstaller und mehrere Tutzinger Gemeinderäte, so Dr. Ernst Lindl, Wolfgang Marchner, Bernd Pfitzner und Georg Schuster, die drei Starnberger Landratskandidaten Martina Neubauer (Grüne), Stefan Frey (CSU) und Martin Vilsmayer (Freie Wähler), zahlreiche Geschäftsleute, Nachbarn und weitere interessierte Bürger. Von der anderen Seite des Hubert-Hupfauf-Platzes herübergekommen waren Carla und Franco Martini, die dort die Eisdiele „Gelatok“ betreiben. Sie verwöhnten die Gäste mit kulinarischen Genüssen. „Wir haben jetzt zwei Spitzengelaterias am Ort“, schwärmte Twiehaus.

Isoliert wirkende Entwürfe als Teile eines Gesamtkonzepts für Tutzing

Die Neugierde war an diesem Abend groß, denn angekündigt waren Informationen aus erster Hand über die weitere Entwicklung „Im neu entstandenen Bahnhofsviertel“, von dem der ATG-Vorsitzende Roberto Mestanza sprach. Was bei dieser Gelegenheit geboten wurde, war aber tatsächlich mehr als eine Darstellung der Planungen für dieses Viertel. Bei den Angaben von Bürgermeisterin Greinwald und Stadtplaner Burgstaller schimmerten Visionen für Neugestaltungen im ganzen Tutzinger Zentrum durch. Auch wenn die Rathauschefin die vorab gebrauchte Formulierung „Gesamtentwicklungskonzept“ als „großes Wort“ bezeichnete, ließen die Ausführungen eine Strategie erkennen: Die derzeit noch isoliert wirkenden Arbeiten, Ideen und Entwürfe an allen möglichen Plätzen des Ortes sollen letztlich in ein Gesamtkonzept für Tutzing münden.

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Die ATG-Veranstaltung wurde zu einer illustren Zusammenkunft

"Damit man den Ort als angenehm empfindet"

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Vom Bahnhof (links) zum See (rechts) und viel mittendrin: Einzelne Planungen im Zusammenspiel

„Es ist ein Konzept, an dem an verschiedenen Stellen gleichzeitig gearbeitet werden muss“, sagte Burgstaller: „Damit man den Ort als angenehm empfindet und angenehm durchqueren kann“.

Mit diesen Worten spielte der Stadtplaner unter anderem auf die schon seit Jahren verfolgte Verbindung „vom Bahnhof zum See“ an, mit attraktiven Wegen, keineswegs unbedingt an den Straßen entlang, sondern zum Beispiel quer über das ehemalige Roche-Areal oder das Krankenhaus-Gelände und weiter über die Hallberger Allee zum Seeufer hin.

Mit kreis- und ellipsenförmigen Skizzen auf einer Luftaufnahme illustrierte Burgstaller, wie die einzelnen Planungen zusammenspielen und sich überlappen (siehe Bild). Bis zum Seehof (rechts in der Mitte) und zum Andechser Hof (2. Ellipse von rechts, ganz unten) führen die Überlegungen in östlicher Richtung und in westlicher Richtung bis zum Bahnhofsgebäude (links unten), das die Gemeinde gern kaufen würde. In dieser Hinsicht gibt es noch nichts Konkretes, die Überlegungen sind vorerst recht vage, und die Kommunikation mit der Bahn ist „nicht ganz einfach“, wie Bürgermeisterin Greinwald bemerkte.

Ansiedlungskriterium Bahnhofsnähe

Für das Gebiet neben den Gleisen hat der Gemeinderat schon vor einiger Zeit die Aufstellung eines Rahmenplans beschlossen. Dort, in Bauten auf Stelzen über den Park-and-Ride-Plätzen, erhofft sich die Bürgermeisterin auch bezahlbaren Wohnraum. Kritik ließ sie bei dieser Gelegenheit am Wohnviertel „Lakeside Living“ durchklingen: Wenn sie damals schon etwas zu sagen gehabt hätte, dann wäre dort mehr auf bezahlbaren Wohnraum geachtet worden.

Die Nähe des Bahnhofs und damit des öffentlichen Personennahverkehrs sei für viele Unternehmen ein wichtiges Ansiedlungskriterium, sagte Christoph Winkelkötter, der Geschäftsführer der Starnberger Wirtschaftsfördergesellschaft gwt. Für ihn ist die Entwicklung auf dem früheren Roche-Gelände ein Beleg dafür, wie auch heute noch Gewerbeflächen in einem Ortszentrum entstehen können. Er lobte die Arbeit der Gemeinde, die es geschafft habe, aus dem Wegzug eines Unternehmens etwas zu machen, und prognostizierte: „Dieser Standort wird sich weiter entwickeln.“ Zufrieden äußerte sich Winkelkötter auch darüber, dass der große Gewerbekomplex Four Site, in dessen Erdgeschoss sich der Drogeriemarkt Rossmann befindet, nach langem Leerstand endlich gefüllt ist.

Platz mit Restaurant und Biergarten

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Tutzings Bahnhofsviertel in Zukunft: Oben Neubauten neben den Gleisen, darunter Lakeside Living und Four Site, die fünf Baufelder des Ex-Roche-Geländes und unten das Krankenhaus

Noch sind nicht alle weiteren Pläne für das Ex-Roche-Gelände bekannt. So gut wie fertig ist der eigenwillige Dreiecksbau an der Bräuhausstraße (auf der Skizze in der Mitte), der zunächst zu einem „Aparthotel“ werden sollte, nun aber für eine Privatklinik mit der Spezialrichtung Burnout-Behandlung vorgesehen ist.

An der Ecke Bräuhausstraße/Bahnhofstraße (auf der Skizze rechts neben dem Dreiecksbau) soll demnächst der Lobster-Neubau entstehen. Mit 5600 Quadratmetern Nutzfläche und 270 Arbeitsplätzen wird er ähnlich groß werden wie der Gewerbekomplex Foursite gegenüber (auf dem Bild darüber), sagte Planer Twiehaus. „Diese Baustelle wird kein Spaß“, fügte er ausdrücklich hinzu. Der Kenner weiß, mit wieviel nicht nur angenehmen Effekten so ein Projekt verbunden ist, und er bat von vornherein um Verständnis. Für das extravagante Bauwerk kündigte er im Gegenzug höchste Transparenz an - mit den höchsten lieferbaren Glasscheiben und Metalllamellen, die sich je nach Sonnenstand bewegen (siehe Bild unten auf dieser Seite).

Für weitere drei Bauten zum Krankenhaus hin ist auf dem ehemaligen Industriegelände noch Platz. Konkret bekannt ist dabei bisher nur der Plan eines neuen Hotels mit 100 Zimmern oder mehr, das die niederländische Bari Groep B.V. betreiben will (in der Skizze der mittlere Bau in der zweiten Reihe von unten). Über die anderen beiden dort möglichen Bauwerke, links und rechts von diesem Hotel, gibt es noch keine Informationen. Mittig auf dem Ex-Roche-Gebiet soll ein Platz mit Kommunikations- und Ruhebereichen entstehen (zwischen Dreiecksbau und Lobster, gelb eingezeichnet). Die Lobster-Kantine soll abends und an Wochenenden als Restaurant für alle Bürger zur Verfügung stehen. Auf östlicher Seite, zum Krankenhaus hin, soll ein Biergarten hinzukommen.

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"Eigentlich ein Stadtteil": So soll der Platz zwischen Lobster (links) und der neuen Klinik (rechts) aussehen

Diskussionen über die Folgen

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Die höchsten lieferbaren Glasscheiben soll der Lobster-Bau erhalten, außerdem Metalllamellen (rechts) und eine gewundene Treppe durchs ganze Gebäude © Fotos und Skizzen: Burgstaller, Twiehaus, Goslich

All diese Ideen sorgen noch für viel Diskussionsstoff - auch das zeigte sich an diesem Abend. Die einen machten sich Gedanken über die Konsequenzen, so durch Verlagerungen der Kunden- und Einkaufsströme, und damit für die örtliche Geschäftswelt in anderen Teilen von Tutzing. Die anderen fragen nach den Wettbewerbsfolgen der divesen Ansiedlungen, so eines großen Hotels, für die schon lange im Ort ansässigen eher kleinen bis mittleren Beherbergungsbetriebe. Nicht zuletzt wundert sich manch einer, wie lange alles dauert. Ortsplanungsreferent Wolfgang Marchner hat sich kürzlich im Gemeinderat erstaunt erkundigt, weshalb beim Lobster-Bau nicht endlich die Bauarbeiten beginnen. Daraufhin erhielt er die Auskunft, dass der Bebauungsplan genehmigt sei und nichts mehr im Wege stehe. Doch am Montag sagte Twiehaus: „Wir haben immer noch keine Baugenehmigung - wir können noch nicht anfangen.“

Einen Aspekt, der viele Tutzinger bewegt, sprach Prof. Burgstaller selbst - in Hinblick auf die aktuelle Neugestaltung des Bahnhofsareals - offen an: „Es ist nicht eine Erweiterung des Dorfs Tutzing, sondern eigentlich ein Stadtteil.“ Der Stadtplaner kennt viele Zweifel gerade wegen der Größe der Neubauten. Umso mehr betonte er, dass das alles dem Ort gut tun werde: „Ich bin überzeugt, dass es eine tolle Entwicklung wird.“ Bürgermeisterin Greinwald bezeichnete das „Zusammenspiel aller“ als wesentlich: Es gebe ganz verschiedene Konzepte, aber „der Zusammenhalt und das Mix“ seien die Gründe, weshalb viele gern nach Tutzing ziehen wollten.

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