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GE 3-5 auf historischem Tutzinger Grund

Debatte über die drei noch freien Baufelder des einstigen Boehringer-Geländes

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Ramadama: Für die Baufelder GE 3-5 wird zurzeit Platz geschaffen - das letzte der ganz alten Boehringer-Gebäude muss weichen © L.G.

Es klingt relativ bürokratisch: 5. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 74 „Bahnhofstraße / Bräuhausstraße“ im Bereich GE 3-5; Behandlung der eingegangenen Stellungnahmen - so steht es in der Tagesordnung für die Sitzung des Tutzinger Bau- und Ortsplanungsausschusses am kommenden Dienstag, dem 21. Mai (Beginn um 17 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses).

Dabei geht es aber um ein Areal, auf dem sich über Jahrzehnte ein wesentlicher Teil des Tutzinger Wirtschaftslebens abgespielt hat: das alte Gelände von Boehringer-Mannheim und später Roche. Das große Grundstück, das seit Anfang 2002 eine Industriebrache ist, besteht heute aus fünf Baufeldern. Auf einem von ihnen wird zurzeit das neue Hotel Simson errichtet, auf einem zweiten wird wohl bald mit dem Bau einer Firmenzentrale für das IT-Unternehmen Lobster begonnen werden. Was aus den weiteren drei Baufeldern - eben GE 3-5 - wird, ist bisher öffentlich nicht bekannt. Um sie geht es am Dienstag im Bauausschuss.

Wie Boehringer-Mannheim nach Tutzing kam und wieder verschwand

Die Geschichte von Boehringer-Mannheim in Tutzing hat während des Zweiten Weltkriegs begonnen. Wegen der Kriegsgefahren am Mannheimer Stammsitz verlegte der damalige Firmenchef Fritz Engelhorn seit 1942 wesentliche Teile der Arzneimittelforschung nach Tutzing - erst in Räume der Bayerischen Textilwerke, später ins frühere Hotel Simson, das zu seiner Glanzzeit Tutzings Ruf als Sommerfrische mit begründet und nach dem Krieg den amerikanischen Besatzern als Lazarett gedient hatte.

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Penzberg statt Tutzing: Eines der heutigen Roche-Gebäude im Nonnenwald © L.G.

Vor allem unter Leitung des Enzymforschers Hans Ulrich Bergmeyer wurde dieses Werk zu einer Wiege der Biochemie, aus der später die Gentechnik entwickelt wurde. Seine Testkombinationen für klinische Labors und seine Enzyme waren weltweit gefragt. Bergmeyer hat mit seinem Team auch den Alkoholtest für Autofahrer entwickelt. Die Tutzinger emanzipierten sich sogar von ihrem Mannheimer Mutterkonzern, dem das alles allzu innovativ war. Wenn Mitarbeiter vom Starnberger See wieder einmal in ihrem Stammwerk zu Gast waren, kursierte unter ihnen ein Spruch, der tief blicken ließ: „Das Beste an Mannheim ist der Bahnsteig nach München.“

Die guten Geschäfte führten zu starkem Erweiterungsbedarf. Mehrere neue Firmengebäude entstanden rund um das alte Hotel Simson, dessen früherer Speisesaal zeitweise der Hauptproduktionsraum war. Doch weitere Expansionspläne scheiterten Ende der 1960-er Jahre an begrenzten Flächen, Abwasserkontingenten und kommunalen Widerständen.

Den Ausweg brachte ein großes leer stehendes Gelände in Penzberg. Dort war wenige Jahre zuvor die Förderung der oberbayerischen Pechkohle aufgegeben worden. Im Juni 1972 legte das Unternehmen im Nonnenwald den Grundstein für ein neues Werk, das heute 6200 Mitarbeiter beschäftigt. Ansehnliche staatliche Förderungen versüßten dieses Engagement. Aus Tutzing verlagerten Boehringer-Mannheim und später Roche nach und nach Aktivitäten nach Penzberg. Ende 2001 war mit dem Betrieb in Tutzing Schluss, doch seine letzten Gebäude verschwinden erst jetzt.

Quelle Titelbild: L.G.
ID: 1865
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Kommentare

Als unmittelbare Nachbarn erleben wir seit fast 10 Jahren eine Projektentwicklung wie sie langsamer nicht sein könnte. Bei allem Verständnis für die unternehmerische Entwicklung dieses Gebietes, aber für uns Nachbarn grenzt das langsam an Terror. Statt Abbrucharbeiten mit Rücksichtnahme auf die Umwelt zügig durchzuführen, dauert es Monate bis ein Gebäude beseitigt ist. Ein einsamer Bagger und Shredder arbeiten Stunde um Stunde, Tag für Tag, mehr oder weniger seit Jahren vor sich hin. Mal eine Pause, dann geht’s wieder weiter. In einer Laustärke, die unerträglich ist. Manchmal sogar außerhalb der gesetzlich zulässigen Zeiten.

Spaß macht es derzeit nicht hier zu wohnen. Man könnte meinen nicht in Tutzing sondern in einem Steinbruch zu wohnen.

Warum kann man eigentlich ein Unternehmen nicht verpflichten solche ruhestörenden Arbeiten zügig und unter Rücksichtsnahme auf die Umwelt durchzuführen ? Von schneller und effizienter Abwicklung mit Maßnahmen zum Lärmschutz, wie das eigentlich sein müßte, kann jedenfalls nicht die Rede sein.

Für Mischgebiete wie hier sind 60db die gesetzlich zulässige Lärmgrenze am Tag. Vielleicht findet sich die zuständige Behörde ja doch mal bereit die Einhaltung sicher zu stellen.






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