Die große freie Fläche mitten im Tutzinger Zentrum regt zurzeit die Phantasie an. Wo über lange Zeit der Geschäftskomplex von Kohlen-Müller und Tengelmann, später Edeka, das Ortsbild mit prägte, gibt es jetzt von der Hauptstraße und der Marienstraße aus einen weiten Tutzinger Durchblick. Im Hintergrund tauchen neue Ansichten dort befindlicher Häuser auf, noch weiter hinten sind groß die beiden Türme der Kirche St. Joseph zu sehen. Ermöglicht hat diesen Durchblick der Abbruch des alten Gebäudes, das für die Einheimischen über Jahrzehnte ein viel genutzter Treffpunkt zum Einkaufen und zur Kommunikation war.
Das Beispiel animiert zu neuen Überlegungen auch für andere Stellen von Tutzing. Immer wieder mal tauchen Visionen auf, wie der Ort anders gestaltet werden könnte. Erst kürzlich hat der Bürgerverein „Tutzinger Liste“ einige Vorschläge gemacht, die die einen für interessant, die anderen für absurd halten mögen, die aber auf alle Fälle für Diskussionen sorgen können. Vorschlag für Fußgängerzone in Tutzing
Dazu gehört die Idee, langfristig in der Nähe des Würmseestadions ein neues Schulzentrum zu errichten. Damit könnten andere bisher „besetzte“ Flächen für andere Nutzungen frei werden, so wie die an der Hauptstraße. Einem solchen Konzept scheinen allerdings aktuelle Absichten entgegenzustehen. Fürs Gymnasium gibt es vom neuen Träger, dem Landkreis, Sanierungspläne, wenn sie auch wegen aktuellen Finanzmangels auf Jahre hinaus verschoben worden sind, und für die Mittelschule ist die millionenschwere Sanierung bereits fest beschlossen.
„Zukunftsfähige Umgestaltung des Ortszentrums Tutzing zu einem vitalen, funktionsfähigen Ortskern"
Auf der anderen Seite kann kein Zweifel daran bestehen, dass es interessante Flächen ganz nah am See und mitten im Ortszentrum wären, die da für komplett neue Ortsgestaltungen frei würden und ihrerseits für ganz andere Tutzinger Durchblicke sorgen könnten. Aber Schulen erst mal sanieren und sie dann verlegen? Allein solche Konflikte verdeutlichen schon die Problematik, denen alle, auch Tutzinger Kommunalpolitiker, zwischen notwendigen kurzfristigen Entscheidungen und möglicherweise gewünschten langfristigen Strategien ausgesetzt sind.
Schon die Art der Strategieentwicklung ist umstritten, wie das zu Ende gehende Jahr deutlich vor Augen geführt hat. Die „Tutzinger Liste“ fordert ein Entwicklungskonzept für die Gesamtgemeinde Tutzing, kurz „GEK“, und dazu ein gebietsgebundenes städtebauliches Konzept, kurz „ISEK“. Der Gemeinderat hat sich aber nur für ein – räumlich abgegrenztes - „ISEK“ entschieden, in der Hoffnung, daraus auch ein Konzept für die ganze Gemeinde machen zu können. „ISEK“ soll den Weg weisen
Für klare Ziele in Tutzing gibt es außer dem Schulzentrum noch etliche weitere Vorschläge. So plädiert die „Tutzinger Liste“ beispielsweise für eine „zukunftsfähige Umgestaltung des Ortszentrums Tutzing zu einem vitalen, funktionsfähigen Ortskern“. Erster Schritt sollte dabei nach Auffassung des Vereins die Einrichtung einer Fußgängerzone an der Hauptstraße sein, und zwar im Abschnitt Ecke Oskar-Schüler-Straße bis zur Ecke Traubinger Straße, über die dann der Verkehr umgeleitet werden soll.
Verkehrsumleitung westlich der Bahngleise direkt zur B2
Die Gedanken reichen aber noch viel weiter: Im zweiten Schritt soll das alles zu einer Begegnungszone bis zur Ecke Bahnhofstraße erweitert werden. Und für die Anwohner westlich der Bahngleise, also auf den Tutzinger Hängen, sollte nach Meinung der „Tutzinger Liste“ der Verkehr direkt auf die B2 geleitet werden. Auch von diesen langfristigen Zielen scheinen manche in Konflikt mit kurzfristigen Aktionen zu stehen. Eine Fußgängerzone beispielsweise genau dort, wo demnächst die Hauptstraße saniert werden soll? Wäre dann nicht ein ganz anderes Konzept für die Straßenarbeiten sinnvoll, die doch bereits fest geplant sind?
Angesichts so vieler interessanter, vielleicht zukunftsträchtiger, aber auch in Widerspruch stehender Aspekte tut man sich tatsächlich schwer, den Tutzinger Durchblick zu behalten. Vielleicht bringt das Jahr 2023 in dieser Hinsicht neue Erkenntnisse. Aber mancher Durchblick wird auch nur kurzfristig ermöglicht. Den an der Hauptstraße, beim ehemaligen Kohlen-Müller, wird es nur vorübergehend geben. Vom geplanten Neubau kann man unterdessen schon Bilder sehen - auf dieser Seite und auf der Webseite der Projektentwicklungsgesellschaft Imeno. https://www.imeno.de/aktuelle-projekte/entwicklung-ortszentrum-tutzing/ Deren Geschäftsführer Felix Wittmann steht jedenfalls schon in den Startlöchern: "Ab Frühjahr beginnen wir mit der Vermarktung und würden uns über lokale Interessenten freuen."
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