Kolumne
5.5.2022
Von L.G.

Frames, Narrative, planetary health

Ist deutsch zu simpel? Lust am Ausländischen in Tutzings Akademie für politische Bildung

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Frames, Narrative und Propaganda im Ukraine-Krieg. Brothers in Arms? Nekropolitik und die Ethik des Passanten. Playing with Nature. Colonial Wrongs. Planetary Health und internationale (Sicherheits-)Politik.

Das alles ist kein ausländisches Kauderwelsch, sondern eine Auswahl von Veranstaltungstiteln der Tutzinger Akademie für politische Bildung in nächster Zeit. Um unseren Tutzinger Durchblick zu verbessern, haben wir mal ein paar Nachschlagwerke und Wörterbücher zu Rate gezogen.

„Frame“ kann Rahmen bedeuten, Gerippe oder auch Mistbeet. Es kann sogar ein Träger in der Eisenbahn sein. Der Wortsinn allein hilft nicht so recht weiter. Von „Narrativen“ ist heutzutage ständig die Rede, deshalb wissen inzwischen selbst Nicht-Lateiner, dass das die Übersetzung von „Erzählung“ ist. Aber tatsächlich trifft das deutsche Wort nicht so ganz, was wirklich gemeint ist. Bei „Narrativen“ steckt oft die Vermutung eines recht einseitigen, voreingenommenen Blickwinkels dahinter, also passend zur Propaganda, ähnlich beim "Framing" - der "Einrahmung" in eine bestimmte Bedeutung.

Dass „Brothers in Arms“ nicht Brüder sind, die sich in den Armen liegen, sondern Waffenbrüder, ist spätestens seit dem gleichnamigen Album der Dire Straits bekannt. Der Begriff der „Nekropolitik“ steht nicht in unserem Fremdwörter-Duden von 1974, aber dort gibt es immerhin den Hinweis, dass dieses Wort als Vorsilbe „Toter, Leiche“ bedeutet. Auch online findet man die Nekropolitik bei Duden nicht. Wikipedia ist aktueller. Dort wird erläutert: „Nekropolitik ist die Nutzung sozialer und politischer Macht, um zu bestimmen, wie manche Menschen leben und wie manche sterben müssen.“

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Der Weg zum Wissen ist manchmal anstrengend - erst recht, wenn allzu viele ausländische Begriffe verwendet werden: Treppe in Tutzings Akademie für politische Bildung © L.G.
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Playing with nature: Wenn man googelt, tauchen meistens Hinweise auf Kinderspiele im Freien auf. Tatsächlich geht die Künstlerinnenvereinigung „Gedok“ bei der Ausstellung in der Tutzinger Akademie mit diesem Namen vom Spieltrieb aus – aber der Gedanke führt sie viel weiter: „In naher Zukunft passiert vielleicht wieder das Unvorstellbare: die Natur spielt mit uns.“

Was „Colonial Wrongs“ bedeuten, wird durch die Unterzeile des Tagungstitels klarer: „Rechtliche Dekolonisierung am Beispiel der Aufarbeitung von Kolonialverbrechen in Deutschland“. Zu Planetary Health gibt es bei Wikipedia eine ganz verständliche Erläuterung: „Deutsch etwa ‚planetare Gesundheit‘“.

Unser Eindruck nach diesen Versuchen, den Bedeutungen der ausländischen Akademie-Titel auf die Spur zu kommen: Einfache Übersetzungen spiegeln tatsächlich nicht immer wider, was mit dem jeweiligen Fremdwort gemeint ist. Doch die Lust am Ausländischen scheint manchmal etwas weit zu gehen. Da könnte eine deutsche Formulierung wohl gelegentlich zu besserem Verständnis beitragen. Aber auf deutsch klingt halt Vieles eher simpel.

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Die Weißbier-Meditationswiese

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Kommentare

Danke, dass Sie hier dieses Thema aufgegriffen haben; offenbar ganz ohne Angst unverhofft in die stramm-national-deutsche Ecke verschoben zu werden. Denn auch wenn man nicht fremdenfeindlich ist, kann man doch Freude an einer allgemeinverständlichen deutschen Sprache haben.
Oft werden v.a. Anglizismen mit Weltoffenheit und Internationalität begründet; man wolle ein internationales Publikum (Vorsicht Lehnwort!) ansprechen; ich frage mich dann allerdings gelegentlich: Versteht das internationale Publikum auch den ganzen Rest nach der Überschrift? Wäre nicht parallele Komplettübersetzung sinnvoller? Egal, jeder so wie er meint.
Andere wiederum denken sich: Jeder protzt eben so gut er kann ... auch mit der Sprache! Da ist was dran, alles kann man damit aber auch nicht erklären.
Tatsächlich sind fremde Begriffe oder Worte auch Teil des internationalen bzw. interkulturellen Austausches und zwar seit Jahrtausenden:
-> Als die Germanen bei den Römern erstmals Fenster sahen, brauchten sie dafür natürlich auch ein Wort. So übernahmen sie von den Römern die Fenster und den Begriff dafür.
Aus besonders erfolgreichen Fremdwörtern werden also Lehnwörter und mit der Zeit kommt man gar nicht mehr ohne aus. Fällt jemand ein original-ur-deutsches Wort für "Fenster" ein?
-> Jeans wäre ein anderes, neueres Beispiel; oder sollten wir uns vielleicht doch lieber auf Baumwollhose umgewöhnen?
Fazit:
Sprachen verändern sich und passen sich den Notwendigkeiten an. Fremd- und Lehnwörter sind dabei ein natürlicher Vorgang.
Wer es allerdings übertreibt, wird nicht verstanden und/oder fällt negativ auf.
;-)
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