Satire
31.12.2023
Von Lorenz Goslich

„Stüberl“ in der Prüfung

Überlegungen zu einer Vereinsgastronomie, die nie eine war, im Bebauungsplanentwurf „Johannispark“

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Was in Bebauungsplänen und ihren Entwürfen steht, hat gewöhnlich Hand und Fuß. Immerhin handelt es sich um Regelungen mit rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung von Teilen eines Gemeindegebiets, die die Grundlage für weitere erforderliche Maßnahmen bildet.

Wer sich den in Arbeit befindlichen Bebauungsplan Nummer 39 „Verla Pharm / Johannispark“ genau anschaut, wird dort auch Ausführungen zum Thema „Sportlerstüberl“ finden. Dieser in Tutzing seit Jahrzehnten eingeführte Name für die einstige Gaststätte ist den meisten Einheimischen nach wie vor geläufig, obwohl die Räume neben dem Würmseestadion schon seit Jahren nicht mehr für ein Lokal genutzt werden. Dass es sich allerdings ums Sportlerstüberl handelt, darauf muss man schon mit dem Tutzinger Durchblick selbst kommen. Das steht nämlich nicht im Bebauungsplanentwurf. Stattdessen haben dessen Verfasser folgende Formulierung gewählt: „Immisionsrechtliche Beurteilung der Vereinsgastronomie ‚Stüberl‘ auf dem Sportplatzgelände“.

Das könnte fast so klingen wie ein Hinweis auf eine geplante Neubelebung dieser Räume als Gastronomiebetrieb. Denn als solcher werden sie ja schon seit langer Zeit überhaupt nicht mehr genutzt. Warum also sollte man eine Gastronomie immissionsrechtlich beurteilen, die es überhaupt nicht gibt? Die betreffenden Räume dienen schon seit mehreren Jahren dem Freizeitclub JM für seine Aktivitäten. Von einer Ausweitung der Nutzung auch auf andere Vereine war schon die Rede, nicht aber von einer Renaissance der Gastronomie.

Ein "Stüberl" und eine "Vereinsgastronomie"

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Äußerlich wirkt noch alles fast wie zur Zeit des "Sportlerstüberls". Sogar dessen der Name steht immer noch über dem Eingang. Eigentlich unübersehbar. © L.G.

Etwas verwirrend an der Formulierung im Bebauungsplanentwurf ist auch die Bezeichnung „Vereinsgastronomie“. Das Sportlerstüberl war nämlich nie eine Vereinsgastronomie, auch wenn die frühere Gaststätte oft fälschlich so bezeichnet wurde, weil sie sich direkt bei den Sportanlagen befindet. Viele Sportler sind dort zwar gern eingekehrt, aber das Lokal war immer im Eigentum der Gemeinde und wurde als öffentliche – bei vielen Einheimischen und Auswärtigen übrigens sehr beliebte - Gaststätte betrieben. Wie der falsche Begriff „Vereinsgastronomie“ in ein so wichtiges, von allen Seiten überprüftes und wahrscheinlich nicht ganz billiges Regelwerk wie einen Bebauungsplanentwurf Eingang finden kann, das werden nur die Entwurfsverfasser wissen.

Dass dazu auch noch der Name „Stüberl“ statt des korrekten Namens „Sportlerstüberl“ verwendet wurde, dürfte eine Nachlässigkeit sein, die aber in diesem Zusammenhang irgendwie bezeichnend wirkt. Die Entwurfsverfasser hätten sich ja nur einmal zu diesem Gebäude bemühen und den Namen abschreiben müssen, denn dort steht er nach wie vor ziemlich unübersehbar.

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Eine ältere Karte von "Google-Maps" erwischt

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Als wäre es nur eine Gaststätten-Pause: Die Spaten-Brauerei hat sogar den Kasten für die Speisekarte in Tutzing gelassen. Er hängt nach wie vor neben einem Briefkasten der JM

Interessanterweise fällt die Johannispark-Planung damit nicht zum ersten Mal durch die Verwendung eines eigenartigen Namens auf. Ganz am Anfang, als dieses Vorhaben zum ersten Mal in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung auftauchte, stand für eine Fläche jenseits der Bernrieder Straße, im Kustermannpark, der wirklich nicht alltägliche Name „Weißbier-Meditationswiese“ auf einem Plan. Die Weißbier-Meditationswiese Den Mitarbeitern des Architekturbüros, das für die neue Wohnanlage zuständig ist, war das offenbar nicht aufgefallen. Später erklärten sie es so: Sie hatten eine ältere Karte von „Google-Maps“ erwischt, auf der ein paar Leute in Feierlaune offenbar Jahre zuvor an der betreffenden Stelle den Begriff „Weißbier-Meditationswiese“ eingetragen hatten, was die heutigen digitalen Möglichkeiten erlauben. Alkohol war vielleicht bei dieser bestimmt sehr lustigen Aktion, hoffentlich nicht aber bei der Planerstellung im Spiel.

Ganz nett, könnte man zu all dem folgern - wenn es um Belanglosigkeiten ginge, nicht um wichtige Entwicklungsschritte für Tutzing. Der südliche Bereich des Ortes wird komplett neu geordnet. Eine große Anlage mit sage und schreibe 60 oder 70 Wohnungen entsteht direkt neben dem Sportplatz, der Dreifachturnhalle und in der Nähe einer – wer weiß, vielleicht neu zu belebenden? – Gastronomie. Nebendran soll vielleicht auch noch das neue Feuerwehrhaus errichtet werden. Diese unmittelbare Nachbarschaft drängt die Frage nach gegenseitigen Lärm- und anderen Belastungen förmlich auf. Bis hin zu Schiedsrichterpfiffen reichen die Überprüfungen bereits.

Man ahnt es schon: Jeder Schrei auf dem Sportplatz oder auf der Zuschauertribüne könnte für künftige Nachbarn ein Anlass sein, die Polizei zu rufen. Und über kurz oder lang wird sich der Gemeinderat wahrscheinlich mit der Frage befassen müssen, ob sich so eine Wohnanlage und ein Sportplatz direkt nebeneinander überhaupt vertragen - und ob eine dieser Einrichtungen dort verschwinden muss. Man kennt das aus anderen Gegenden. In München musste die frühere Chemiefabrik Bärlocher, die sich einst ziemlich weit außerhalb der Wohnbebauung befand, weichen, als immer mehr Häuser um sie herum errichtet worden waren.

Ein Scherz in der Planung

Da gehört es sich, dass im Vorfeld alles so korrekt wie möglich untersucht und überprüft wird. Tatsächlich scheint das in vieler Hinsicht zu geschehen, soweit man das aus den in öffentlichen Sitzungen gemachten Angaben erkennen konnte. Ganz offensichtlich aber gab es dann doch einige Schludrigkeiten, Manches scheint eher oberflächlich behandelt worden zu sein - so wie beim „Stüberl“, das eigentlich „Sportlerstüberl“ heißt, bei der „Vereinsgastronomie“, die gar keine ist, oder der „Weißbier-Meditationswiese“, die ein Scherz war und trotzdem in die Planung Eingang gefunden hat.

Aber vielleicht ist ja doch alles ganz anders. Die Formulierung im Bebauungsplan-Entwurf verhilft zu ganz neuen Visionen im Tutzinger Durchblick. Die „immisionsrechtliche Beurteilung der Vereinsgastronomie ‚Stüberl‘ auf dem Sportplatzgelände“ könnte tatsächlich ein Hinweis auf die längst eingeleitete Neubelebung dieser Räume als Gaststätte sein. Wie die Formulierung erkennen lässt, könnte auch schon eine Anfrage beim TSV Tutzing in Bearbeitung sein: Hat der Sportverein Interesse an einem eigenen Betrieb des „Stüberls“ als „Vereinsgastronomie“? Das i-Tüpferl wäre die Einbeziehung respektive Neubelebung der Weißbier-Meditationswiese drüben, östlich der Bernrieder Straße, in all diesen Planungen. Dann wäre wahrscheinlich eine direkte Verbindung vom Stadion zu dieser Fläche im Kustermannpark per Straßen-Unterführung sinnvoll. Die könnten dann umgekehrt auch gleich die Schwimmer für ihren Weg ins künftige Vereinslokal nutzen.

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Ein frohes neues Jahr, lieber Herr Dr. Goslich! Und einen riesengroßen Dank für Ihre Plattform im Allgemeinen und für die konstruktiv kritischen Kommentare (in Form des "Tutzinger Durchblicks") im Besonderen. In Bezug auf letztere freut mich immer besonders die äußerst lesenswerte Mischung aus sorgfältiger Analyse und konstruktiven Vorschlägen, die hier und da mit augenzwinkerndem Unerst gewürzt ist.

Und lehrreich sind Ihre Beiträge ohnehin immer. So wie dieser hier, der am Beispiel herausarbeitet, dass Sprache Denken ist und umgekehrt. Wo nicht sorgfältig formuliert wird, wurde vorher nicht in die Tiefe gedacht und folgt zum Schluss ein dickes Ende. Das, in der Politik, leider viel zu selten mit dem schiefen Anfang in Zusammenhang gebracht wird. Dafür braucht es die vierte Gewalt im Staat, den Journalismus. Danke, dass Sie den in dieser Form und Qualität nach Tutzing gebracht haben.
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