Wirtschaft
16.6.2020
Von vorOrt.news

Von Roche zur Fußgängerzone

Details zum neuen Gewerbestandort an der Bahnhofstraße - Gestaltung entfacht Diskussionen

Der neue Gewerbestandort in der Nähe des Tutzinger Bahnhofs wächst nun nach jahrelangem Stillstand heran. Auf dem früheren Tutzinger Industrieelände der Unternehmen Boehringer-Mannheim und Roche sollen bei den drei Gewerbeobjekten „GE3“, „GE4“ und „GE5“ noch in diesem Jahr die Bauarbeiten beginnen, teilen die Projektentwickler ehret + klein mit.

Zwischen den Gebäuden soll es künftig verschiedene Plätze, Restaurants, einen Biergarten und weitere Aufenthaltsmöglichkeiten geben, wie Stadtplaner Prof. Florian Burgstaller mehrmals angekündigt hat. Auf neuen Bildern, die ehret+klein jetzt veröffentlicht haben, wirkt die Passage zwischen den Gebäuden wie eine Fußgängerzone.

Die Fertigstellung des Areals kündigen die Projektentwickler für das Jahr 2023 an. Die Art der Gestaltung hat mittlerweile auf vorOrt.news eine kritische Diskussion entfacht (siehe Kommentare unten).

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Wie eine städtische Fußgängerzone: Links "Lobster", rechts das künftige Bari-Hotel, hinten ein Bürogebäude © FixVisuals/ehret+klein
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Bauanträge sollen bald eingereicht werden

Das Areal, das lange eine Brache war, wird damit komplett neu gestaltet. In das erste von insgesamt fünf mehrgeschossigen Gebäuden, einen Dreiecksbau an der Bräuhausstraße, sind bereits die Privatklinik "P3" und das Tanz Studio Tutzing eingezogen. Auch beim zweiten Neubau, einer neuen Firmenzentrale für das IT-Unternehmen Lobster an der Ecke Bahnhofstraße/Bräuhausstraße, laufen die Arbeiten.

Für die drei weiteren Gewerbeobjekte „GE3-GE5“ im östlichen Bereich des Grundstücks, an der Grenze zum Krankenhaus, hat der Tutzinger Gemeinderat kürzlich weitere Bebauungsplanänderungen befürwortet. Im nächsten Schritt wollen die Starnberger Projektentwickler nun die Bauanträge für alle drei Gewerbeobjekte einreichen, wie sie mitteilen. Dazu machen sie folgende Angaben:

GE3

Auf der Gewerbeeinheit „GE3“, direkt am der Bahnhofstraße, soll ein Bürogebäude mit etwa 4100 Quadratmetern Bruttogeschossfläche entstehen.

GE4

Auf der Fläche „GE4“ daneben soll ein Neubau mit etwa 6500 Quadratmetern Bruttogeschossfläche errichtet werden, in den die Hotelgruppe Bari Group B. V. mit der Hotelmarke „Mesura“ einziehen will.

GE5

Angrenzend auf der „GE5“ ist eine weitere Gewerbeimmobilie mit etwa 6100 Quadratmetern Bruttogeschlossfläche vorgesehen.

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Das künftige Gebäude-Quintett mit dem fertigen Dreiecksbau, der "Lobster"-Zentrale daneben und den drei weiteren Bauwerken. Links "Lakeside Living" und "Four Site", rechts das Krankenhaus © FixVisuals / ehret+klein

Projektentwickler: "Gestaltung fügt sich gut in das traditionelle Ortsbild ein"

Die Entwürfe stammen vom Münchner Architektenbüro Kupferschmidt. Die Optik der geplanten Gebäude hat in Tutzing zu kontroversen Diskussionen geführt. Das neue Gesicht der Bahnhofstraße ehret + klein erklären zu den Ansichten: „Mit der Fassadengestaltung fügt sich die Business Area Tutzing gut in das traditionelle Ortsbild ein.“ In Abstimmung mit der Gemeinde orientiere sich die dazu gehörige Freiflächenplanung eng an der benachbarten Wohnsiedlung „Lakeside Living“. Auch sie stammt von ehret + klein. Daneben steht oben an der Bahnhofstraße der Gewerbekomplex "Four Site", errichtet von der Drago Immobilien GmbH des Tengelmann-Erben Georg Haub.

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Das geplante Gebäude "GE3" an der Bahnhofstraße. Links das künftige Hotel, oben "Lobster" und "Four Site" © FixVisuals/ehret+klein
ID: 3043
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Kommentare

Ein großes Kompliment an alle Ärzte, Therapeuten und Mitarbeitern wenn es Ihnen gelingt kranke, leidende Menschen, die hilfesuchend die neue Klinik aufsuchen, zu heilen. Über viele viele Jahre steht diese Klinik nun auf einer Baustelle und wird sehr viel leisten müssen "um der Seele eine gute Atmosphäre zu geben"- ausgerechnet das Gebäude mit einer solchen Nutzung wurde mit als Erstes fertiggestellt. Wieder ein Schildbürgerstreich?
Möge wenigstens das geplante Hotel als letztes Bauwerk fertiggestellt werden!
Liebe Frau Jepsen-Hloch, Sie beklagen, dass sich Ihnen in dieser Debatte die Forderungen der Kritker nicht erschließen. Meinen eigenen Beiträgen können Sie explizit oder implizit die folgenden Vorschläge entnehmen:
1. Ich plädiere für die Einbettung weitreichender architektonischer Entscheidungen in einen Prozess der Ortsentwicklung, in dem es viel Transparenz und Bürgerbeteiligung geben sollte. 2. Mir geht es darum, die Architektur stärker an die hiesige Umgebung angepasst zu sehen und sie naturnäher zu gestalten. Mehr Holz und mehr Grün, dazwischen mehr Räume, die junge und alte Menschen zum Verweilen einladen (anstelle von Beton-Glas-Wüsten mit eingelagerten Latte-Macchiato-Oasen). 3. An die Gemeinde adressiert könnte ich noch die Forderung ergänzen, dass in Tutzing endlich mal so etwas wie ein Ortszentrum, dass ein Begegnungsraum geschaffen werden sollte. Ein Anlaufpunkt für alle Bürger, an dem man sich generationenübergreifend trifft, ohne dass Konsum im Mittelpunkt steht. Wo man hin kommt, um zu sein, zu sprechen, sich auszutauschen, vielleicht sich zu helfen; kurz und gut, um Gemeinschaft sogar anlasslos zu erfahren und zu stiften. Und implizit schwingt 4. in meinen Anmerkungen der Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung auf Gemeindeebene mit, z. B. im Sinne eines Bürgerparlaments.
Und lieber Herr Keller, natürlich braucht es schon aus gemeindefinanziellen Gründen Räume für Gewerbe. Die Ansiedlung großer Industriebetriebe in einer dörflichen Umgebung bringt aber derart grundlegende Veränderungen mit sich, dass ein solcher Schritt auf einer möglichst breiten zivilgesellschaftlichen, demokratisch legitimierten Basis stehen sollte (siehe 4.). Wahlen alle sechs Jahre und Hinterzimmerabsprachen sind eine legale aber aus meiner Sicht nicht hinreichend legitime Grundlage für derart weitreichende Entscheidungen. Insofern stellt sich die Frage, ob man um des Dorfes Willen Boehringer wirklich eine Träne hinterher weinen muss.
(Bearbeitet)
Ich finde es gut, wenn man sich um den Ort Gedanken macht, aber Veränderungen bringen größtenteils Fortschritt, und keine Veränderung Stillstand, das man in Tutzing nicht gebrauchen kann.
Anfang der1970 Jahren wollte sich Boehringer-Mannheim in Kamperg ansiedeln, und de Kosmetikfirma Avon wollt sich am Südlabor eine Produktion aufbauen.
Beide Konzernen wurden die Maßnahmen verweigert vom damaligen Bürgermeister und Gemeideräten, mit der Aussage, Tutzing ist ein Luftkurort und brauche solch große Firmen nicht.
In den Handwerksbetrieben herrschte damals Unverständnis. Man versuchte, den Bürgermeister und die Gemeinderäte umzustimmen, aber das gelang nicht.
Dies hatte nachhaltige Folgen. Hätte man Boehringer bauen lassen, so hätten die gemeindlichen Haushalte großzügiger stattgefunden.
(Bearbeitet)
Lieber Herr Walther,
ich danke Ihnen herzlich für diesen Kommentar!
Als "Zu(a)gerei(oa)ste" (seit ca. 30 Jahren am See, seit 10 Jahren "erst" in Tutzing, finde ich die momentane
Entwicklung in T. einfach Spitze und zukunftsorientiert!
Es ist schön, hier zu leben, und ich freue mich (fast) jeden Tag , dass es mich hierher verschlagen hat.

Habe mich auch gerade schlau gemacht, was es mit "Whataboutism" auf sich hat: Dies soll eine Technik der Manipulation sein, durch die von unliebsamer Kritik abgelenkt wird oder werden soll... Wie auch immer. Wenn falsch, bitte ich um Richtigstellung.

Mir fehlt ehrlich gesagt in dieser Diskussion ein kreativer, positiver Ansatz, wie es denn eigentlich laufen soll bei all denen, die
den Veränderungen so kritisch gegenüberstehen.
"Herrlich", wenn hier eine ansatzweise realistische Auseinandersetzung stattfinden würde und nicht nur auf der Metaebene.
Einen schönen Abend
Marion Jepsen-Hloch


Lieber Herr Walther, wenn der architektonische Stil von 2020 auf "Betonquader mit Glas" hinaus läuft, wären wir gut beraten, uns wirklich so bald nicht wieder einzukriegen. Und die erwähnten Bürokästen mit Gründerzeitbauten sowie der Architektur des Klosters zu vergleichen, ist dann doch ein wenig whataboutism-mäßig. Es wäre ja noch schöner, wenn das Kuchenstück und die Blöcke sich nicht in sich und zueinander fügen würden. Sie passen halt nicht im Mindesten in unsere dörflich-ländliche Seeufer-Umgebung und sie wirken durch ihre demonstrative Naturferne einigermaßen aus der Zeit gefallen. Dass die Ausweitung dieser Industriebrache Unmut und Widerworte provoziert, lässt sich zum Glück nicht mit einer weiteren Eisdiele beruhigen.
(Bearbeitet)
Meine Güte! Liebe Leute, kriegt Euch wieder ein!
Jede Zeit hat ihren Stil und ist damit nicht immer auf Gegenliebe gestoßen. - Wie war das, als nach dem Eisenbahnbau im Fischerdorf auf einmal Hotels entstanden, zB der Umbau zum "Seehof", das "König Ludwig", das "Simson", von den vielen Villen (keineswegs in der angestammten ortsüblichen Bauweise) und einem mächtigen Klosterbau ganz zu schweigen? - Die Reihe der neuartigen und heute klaglos, ja sogar sogar lieb gewonnenen "Bausünden" liesse sich beliebig fortsetzen.
Hier entsteht nun ein Bereich, der in sich stimmig erscheint, neue Wege und Aufenthaltsräume schafft und den Ort keineswegs verschandelt, wie dies an einigen Stellen tatsächlich geschehen ist. Jetzt lasst doch mal das Konzept Wirklichkeit werden und nutzt es! Schon jetzt gibts Eis, und auf die Drogerie hatten wir auch schon lange gewartet! Auch als überzeugter Tutzinger kann man sich, wie ich meine, auf die Entwicklung eines neuen Ortsbereiches anstelle eines überlebten Altbestandes freuen!
(Bearbeitet)
@ Uli Wagner, mir geht es genau so! Es werden scheußliche Schachtelhäuser gebaut und es laufen nur noch Fremde herum. Der Ausverkauf unserer Heimat ist im vollen Gange und diejenigen Tutzinger, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, können sehen wo sie bleiben! Sehr traurig!
Eine einzige Katastrophe was aus unserem Ort gemacht wird - ich fühle mich seit vielen Jahren inzwischen mehr wie „fremd“ in der Heimat...:(
Erwähnenswert ist in dem Zusammenhang noch, dass in Bezug auf Neubauten und architektonische Sündenfälle auch in Starnberg diskutiert wird. Der Starnberger Anzeiger titelt in der Ausgabe vom 10. Juni 2020 so: "Wildwuchs oder Kontrolle. Wie bringt man Ordnung in die Stadtarchitektur?". Zur Debatte stand im Stadtrat ein unabhängiges Gremium von Stadtplanern, von dem man sich eine verschönernde Wirkung auf die Architektur des Ortes erhofft; ein Vorschlag der Grünen, der jedoch auch wegen der Kosten keine Mehrheit fand. Interessant und immer wieder erstaunlich ist, dass auf Gemeinde- und Kreisebene so wenig Bereitschaft besteht, bei derart entscheidenden Fragen der Ortsentwicklung die Bürger selber direkt in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Die könnten ein Korrektiv abbilden, das nicht in Interessenskonflikte verstrickt ist. Und sie würden das mit gesteigertem Vertrauen, größerer Akzeptanz und Zufriedenheit danken. Ohne für diesen Einsatz Rechnungen zu stellen.
Der auf dem ersten Bild zu sehende alte Baumbestand ist im Laufe der Zeit herangewachsen und prägt das Ortsbild - was kann auf dem Betonpflaster auf dem dritten Bild wachsen, der Frust ?
Lieber Herr Kerbs, "Bilder des Schreckens" Besser hätte man es nicht formulieren können. Man könnte höchstens noch ergänzen: Die ästhetische Zumutung wird nur noch von der Langsamkeit der Projektentwicklung übertroffen. Vom Lärmterror, den sie uns seit 10 Jahren bereiten ganz zu schweigen.

Die uns neulich genannten Termine für die Fertigstellung des aktuellen Abrisses, der nun schon fast 1,5 Jahre dauert, wurden wie erwartet natürlich wieder nicht eingehalten. Weil sich - wie man hört - zur großen Überraschung herausgestellt zu hat, dass die Gebäude über einen Keller verfügen.
Muss man wirklich Psychologe sein, um die beeinflussend-suggestive Bildgestaltung als solche zu durchschauen? Das sind Prospektbilder, die eine Kaufentscheidung bewirken sollen und mit der Realität ziemlich wenig zu tun haben. Vom Projektentwickler, der von diesem Auftrag lebt, kann man keine andere Stellungnahme erwarten, als dass die Gestaltung sich angeblich gut in das Ortsbild einfüge. Und so muss man sich diese Bilder des Schreckens tatsächlich interessengeleitet anschauen, um eine Abstimmung der keil- bis kastenförmigen Beton-Glas-Klötze auf die umliegende, ländlich geprägte Gebäudearchitektur erkennen zu können. Da passt leider gar nichts zueinander, und diese ästhetische Zumutung wird uns auf Jahrzehnte erhalten bleiben.
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