Sport
11.6.2018
Von vorOrt.news

Miteinander verbunden

Verein, Gemeinde, Schulen: Diskussionen über den Sport beim TSV-Jubiläum

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Für täglichen Sport in den Schulen: Bürgermeisterin Marlene Greinwald © L.G.

Schule oder Sport: Was hat Vorrang, wenn zwischen beiden zu entscheiden ist? Diese Frage hat Radiomoderator Thorsten Otto beim Festabend des TSV Tutzing am Samstag Tina Beer gestellt. Sie ist Grundschullehrerin in Pöcking und gleichzeitig seit Jahrzehnten sportlich hoch engagiert, sowohl beim TSV Tutzing als auch beim Tutzinger Tennis-Club. Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Dann geht der Sport vor.“

Dass der Sport in den Schulen oft zu kurz kommt, dieser Auffassung war bei einer Podiumsdiskussion am Festabend auch Bürgermeisterin Marlene Greinwald. Sie erhielt viel Beifall für eine Aufforderung: „Ich würde gern, dass wir alle darauf hinwirken, dass die Schulen jeden Tag Sport haben.“

Wer also ist für den Sport zuständig: Die Schulen? Der Sportverein? Die Gemeinde? Der TSV-Vorsitzende Hans-Ulrich Dillmann machte vor diesem Hintergrund eine interessante Bemerkung: „Ein Sportverein arbeitet daran mit, die Pflichtaufgaben der Gemeinde zu erfüllen.“ Damit spielte er auf den Artikel 57 der Bayerischen Gemeindeordnung an, in dem für Kommunen die "Aufgaben des eigenen Wirkungskreises" beschrieben werden. Ausdrücklich erwähnt wird dabei neben vielen anderen Themen auch der Breitensport. Übersteigt eine Pflichtaufgabe die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde, so ist die Aufgabe nach der Gemeindeordnung "in kommunaler Zusammenarbeit zu erfüllen".

Der Sport genießt in Bayern sogar Verfassungsrang: Nach Artikel 140 der bayerischen Verfassung sind das kulturelle Leben und der Sport "von Staat und Gemeinden zu fördern“. Was das konkret bedeutet, darüber gibt es allerdings recht unterschiedliche Aufassungen. Oft genug wird die Unterstützung sportlicher Aktivitäten in der Kommunalpolitik zu den freiwilligen Aufgaben, nicht zu den Pflichtaufgaben von Gemeinden gezählt.

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Engagierte Diskussionen: (von li.) Thorsten Otto, Marlene Greinwald, Jochen Wagner, Tina Beer, Rosemarie Benke-Bursian und Hans-Ulrich Dillmann © L.G.
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Dillmann: TSV und Gemeinde sind auf einem guten Weg

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"Auf Augenhöhe": Der TSV-Vorsitzende Hans-Ulrich Dillmann © L.G.

Für Moderator Thorsten Otto war es ohnehin keine Frage: „Gemeinde und TSV sind miteinander verbunden.“ Auch die Bürgermeisterin bekräftige: „Wir unterstützen den TSV, wo wir können.“

Im Alltag der Vereinsarbeit empfindet das jedoch offenbar nicht jeder so, wie vorsichtige Andeutungen bei der Podiumsdiskussion erkennen ließen. Da geht es dann vor allem um die tägliche Arbeit, so etwa die Hallenvermietung, die über die Gemeinde läuft und bei der es regelmäßig zu Problemen zu kommen scheint.

Rosemarie Benke-Bursian, Schriftstellerin und Leiterin der Tischtennis-Abteilung, wünschte sich Anerkennung, Unterstützung sowie eine bessere „und freundlichere“ Kommunikation mit der Gemeinde.

Bürgermeisterin Greinwald zeigte sich darüber „etwas verwundert“, zumal sie mit Benke-Bursian selbst noch gar nicht gesprochen habe. Aber als diese konkret ein Gespräch anregte, an dem auch die TSV-Abteilungsleiter teilnehmen, stimmte die Rathauschefin sofort zu: „Das machen wir gern - kein Problem.“ Also schon ein konkretes Ergebnis dieses Abends.

Der TSV-Vorsitzende Dillmann bestätigte, dass sich in jüngerer Zeit schon Vieles verbessert habe. Mittlerweile seien TSV und Gemeinde auf einem guten Weg. Er sprach von einem „Austausch auf Augenhöhe“. Auch Greinwald scheint es so zu sehen. Sie würde sich, wie sie sagte, über eine noch intensivere Zusammenarbeit in Zukunft freuen.

"Club, 1860 und Tutzing aufgestiegen - mehr gibt's eigentlich nicht"

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Im Verein alles gelernt, was er braucht: Radiomoderator Thorsten Otto © L.G.

In der Podiumsdiskussion konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Arbeit in so einem Sportverein gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. Thorsten Otto erzählte, er sei in seiner Jugend in der Oberpfalz in einem Verein gewesen, und dort habe er alles gelernt, was er heute brauche. Wenn manch einer sage, das sei mehr, als was man in Schule und Studium lerne, stimme er dem zu.

Nur in so einem Verein mischten sich alle Klassen, sagte Jochen Wagner, Studienleiter der Evangelischen Akademie Tutzing, leidenschaftlicher Fußballer und Philosoph. Und alle Generationen würden verbunden.

„Ich hätte mich gelangweilt“, antwortete die engagierte TSV-Aktive Tina Beer auf Ottos Frage, was sie ohne den Verein gemacht hätte. Viele Familien seien „extrem engagiert“, die Freude an der Bewegung sei überall spürbar, viele Jugendliche kämen mehrmals wöchentlich zum Training. Rosemarie Benke-Bursian schwärmte ähnlich: „Tischtennis gibt mir so viel Energie, dass ich die restliche Zeit am Computer sitzen kann.“

Der TSV Tutzing ist eigentlich ein Dach für Sportaktivitäten in ganz verschiedenen Disziplinen - vom Fußball über die Leichtathletik bis zu Ski und Loipe, vom Tischtennis übers Turnen bis zum Volleyball. Auch innerhalb der Sparten gibt es wiederum teils recht spezielle und auch sehr aktuelle Angebote, wie beispielsweise in der Turnabteilung Bootcamp, HIIT oder Zumba (siehe ganz unten unter "Mehr zum Thema"). Die intensive Betreuungsarbeit in den einzelnen Abteilungen ist für Tina Beer eine der wichtigsten Erinnerungen ihrer Jugend. Für Wagner ist ein Sportverein eines der wenigen Modelle, bei dem alle mitmachen könnten. „Der Club ist aufgestiegen, 1860 ist aufgestiegen und Tutzing ist aufgestiegen“, sagte der bekennende Fan des 1. FC Nürnberg: „Mehr gibt’s eigentlich nicht.“

Würmseestadion ohne Sportlerstüberl: "Eine Wunde"

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"Wir haben kein Zuhause": TSV-Fan Jochen Wagner, Studienleiter der Evangelischen Akademie © L.G.

Umso mehr beklagte Wagner eine „Wunde“: dass das „Sportlerstüberl“ nicht mehr als Gaststätte betrieben wird. Er machte sich zum Sprecher des TSV, als er kommentierte: „Wir haben kein Zuhause.“ Da wurde Thorsten Otto hellhörig: „Woran scheitert’s?“ Die Wirtschaft müsse renoviert werden, erwiderte Bürgermeisterin Greinwald, und Wirte seien nicht so leicht zu finden. „Jetzt ist die JM drin“, fügte sie hinzu. Dem Freizeitclub JM hat die Gemeinde diese Räume zur Verfügung gestellt, weil er seine Clubräume im alten Lehrerwohnhaus wegen dessen Schließung nicht mehr nutzen kann.

Die Bürgermeisterin sagte auch, Vereinsheime seien „der Tod der Gaststätten“. An ein reines Vereinslokal aber dachte Wagner wohl gar nicht, und das Sportlerstüberl war über Jahre bei Einheimischen und Fremden als Gaststätte unabhängig davon beliebt, ob sie TSV-Mitglieder sind. Otto schien es gar nicht glauben zu können, dass man keinen Wirt finden könne - bei einem Potenzial von allein 1800 Vereinsmitgliedern. Wagner regte an, über eine Renovierung durch einen neuen Wirt auf dessen Kosten nachzudenken. Greinwald schlug vor, der TSV könne für den Anfang einen Raum neben dem Eingang des Sportlerstüberls nutzen. Das allerdings wäre für Wagner eher „eine trockene Gemeinschaft“.

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Diese Zeiten sind vorbei: Gutbürgerliche Küche gibt's im Sportlerstüberl nicht mehr © L.G.
Quelle Titelbild: L.G.
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