Von vorOrt.news

Gebäude über den Park-and-Ride-Plätzen

Das Tutzinger Bahnhofsareal soll langfristig komplett neu gestaltet werden

Bahnhofsgelände sind in vielen Orten Problemzonen. Auch in Tutzing gab es bisher keine überzeugende Gestaltungsidee. Das könnte nun anders werden. In der Umgebung hat sich in den vergangenen Jahren schon viel verändert: Die neuen Wohngebäude der Siedlung „Lakeside Living“, der große Gewerbekomplex „Foursite“ und weitere Bauten haben die Optik am oberen Teil der Bahnhofstraße und westlich der Bräuhausstraße bereits stark gewandelt. Auf der östlichen Seite der Bräuhausstraße sind mittlerweile auch die lange erwarteten Bauarbeiten auf dem früheren Gelände der Unternehmen Boehringer Mannheim und Roche im Gang, nachdem dieses frühere Industrieareal über viele Jahre brach gelegen hatte. Baustart auf ehemaligem Roche-Gelände .

Der Bahnhof selbst und sein direktes Umfeld stehen zwar regelmäßig in der Kritik, doch für dieses Gebiet war die künftige Entwicklung bisher offen. Auch in dieser Hinsicht bahnt sich aber jetzt eine Änderung an: Der Gemeinderat hat für das Bahnhofsareal einen so genannten Rahmenplan beschlossen. Er erstreckt sich von den Bahnhofsgebäuden selbst praktisch bis zum Martelsgraben. Damit erfasst er den gesamten oberen Teil der Bahnhofstraße und die Heinrich-Vogl-Straße bis zur Bahnunterführung.

Eine neue Gebäudezeile entlang der Gleise - vom Bahnhof bis zur Unterführung

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Längs der Gleise sollen eines Tages Gebäude stehen. Im Hintergrund der Gewerbekomplex "Foursite", ganz hinten rechts der Bahnhof. © L.G.

Der Gemeinderat hat den Rahmenplan einstimmig gebilligt. Dennoch ist bisher offiziell erst von einer „möglichen Entwurfsplanung“ die Rede. Aktueller Anlass war das nördliche Areal dieses Gebiets, etwa zwischen der Bahnhofstraße und der Bahnunterführung. Für diesen Teil des Geländes, auf dem noch alte Schuppen und Baracken stehen, hat sich die Gemeinde unter Zugzwang gesehen: Wegen des bevorstehenden Endes einer baurechtlichen Frist glaubten die Verantwortlichen ansonsten überhaupt keine Möglichkeit mehr zu haben, auf die Gestaltung dieses Bereichs Einfluss zu nehmen. Der Bebauungsplan Nr. 84 „Ehemaliges Bahngelände an der Heinrich-Vogl-Straße in Tutzing“ wird nun gewissermaßen in die Rahmenplanung eingebettet. Neue Wohnanlage in Bahnhofsnähe

Für eine denkbare Gestaltung des gesamten Geländes vom Bahnhof bis zum Martelgraben hat die Arbeitsgemeinschaft von Prof. Florian Burgstaller und Martin Büscher eine Entwurfsplanung vorgelegt, die im Gemeinderat viel Aufmerksamkeit gefunden hat. Überraschend wirkte dabei auf einer Skizze vor allem eine Gebäudezeile, die sich vom Bahnhof praktisch fast bis zur Bahnunterführung hinzog. Die Park-and-Ride-Plätze, die sich heute östlich, also seeseitig der Bahngleise befinden, waren auf dieser Ansicht - aus der Vogelperspektive - verschwunden.

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Häuser auf Stelzen - die Autos würden im Erdgeschoss stehen

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Die Parkplätze könnten bleiben - die Häuser würden über ihnen emporragen © L.G.

Manch einer würde die Autostellflächen wohl tatsächlich gern komplett verbannen, zumal viele von ihnen von Pendlern aus dem Weilheimer Bereich zugeparkt werden und den Einheimischen überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Eine Entfernung der Parkplätze dürfte aber an der Endstation einer S-Bahn-Linie selbst in Zeiten einer oft gewünschten Abkehr vom Auto illusorisch sein. Ganz im Gegenteil war im Gemeinderat zu hören, dass über die derzeit 450 Parkplätze hinaus eigentlich noch weitere 120 Stellflächen erforderlich wären.

Für Bauten in diesem Bereich trotz der Parkplätze gibt es aber bereits eine Idee: Die Gebäude könnten quasi auf Stelzen errichtet werden. Für die Autos bliebe dann im Erdgeschoss Platz, die Bauwerke würden über ihnen emporragen. Solche Lösungen kommen zurzeit mehr und mehr in Mode - ein Versuch, den ebenso teuren wie begrenzten Grund so effizient wie möglich auszunutzen. Neun Häuser haben auf der von Architekt Martin Büscher vorgestellten Skizze vom Bahnhof bis fast zu Martelsgraben die Bahngleise gesäumt.

"Aufwertung des gesamten Bahnhofsareals"

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Die Gebäude an den Bahngleisen sollen niedriger werden als der Komplex "Foursite" (rechts) © L.G.

Der für die Gemeinde tätige Architekt Martin Büscher sieht das Konzept als Chance zur Aufwertung des gesamten Bahnhofs-Areals, mit ansprechender Gestaltung und einer Busschleife. Inwieweit sich aus diesem ersten Entwurf nun mehr und mehr realistische Planungen herauskristallisieren können, das wird im Gemeinderat wahrscheinlich noch für viele Diskussionen sorgen.

Schon die Größe der vielleicht neben den Gebäuden zu erwartenden Bauwerke war in der letzten Sitzung umstritten. Die Rahmenplanung sieht niedrigere Gebäude als den relativ neuen, mehrgeschossigen Gewerbekomplex „Foursite“ gegenüber vor. Büscher empfahl eher eine Orientierung an der „Kleinteiligkeit“ anderer Tutzinger Bereiche.

Ein Parkdeck auf der Westseite der Gleise im Hang gilt als denkbar

Auch für das Parkproblem gibt es schon weitere Überlegungen. Auf der anderen, der westlichen Seite der Bahngleise könnte ein Parkdeck gebaut und vielleicht „gegen den Hang“ geschoben werden, meinte Büscher. Zu bedenken sind in diesem Bereich allerdings die verhältnismäßig engen Straßen, vor allem der schmale Beringerweg.

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Der Hang auf westlicher Seite des Bahnhofs könnte Platz für ein Parkdeck bieten © L.'G.

Viel Interesse für die Neugestaltung von Bahnhöfen in anderen Orten

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In der Gemeinde gehört der Kauf des Bahnhofsgebäudes zu den Überlegungen © L.G.

Für eine barrierefreie Rampe am Bahnhofsgelände sieht die Deutsche Bahn nach Angaben von Bürgermeisterin Greinwald aufgrund neuer Vorschriften in Tutzing keinen Platz. Längerfristig hoffen die Tutzinger auf Entspannungen durch andere Lösungen, vom Carsharing über einen bayernweiten Bahntarif, der die Weilheimer von Tutzing fernhalten könnte, bis zu einem deutlich verbesserten Bus-System mit Anbindung aller Ortsteile. Es dürfte allerdings noch geraume Zeit dauern, bis das alles zu spürbaren Reduzierungen des Parkplatzbedarfs führen kann.

Und der Bahnhof selbst? Den sollte die Gemeinde kaufen - das hat Bürgermeisterin Greinwald schon häufiger gesagt, und auch im Gemeinderat hat sie es jetzt wieder bekräftigt. Als denkbare Möglichkeit wurde schon in Betracht gezogen, unter anderem die Gemeindebücherei dort unterzubringen. Viele Tutzinger hat es beeindruckt, wie die jeweiligen Bahnhöfe in anderen Orten wie Bernried, Feldafing oder Possenhofen zu Schmuckstücken verwandelt worden sind. Gespräche mit der Bahn führt Bürgermeisterin Greinwald bereits, wie sie berichtete. Sie scheinen eine Menge Geduld zu erfordern, aber im Gange sind sie.

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Der Feldafinger Bahnhof dient heute als Rathaus und gilt als Schmuckstück © L.G.
Quelle Titelbild: L.G.
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Kommentare

"Manch einer würde die Autostellflächen wohl tatsächlich gern komplett verbannen, zumal viele von ihnen von Pendlern aus dem Weilheimer Bereich zugeparkt werden und den Einheimischen überhaupt nicht zur Verfügung stehen."
Was für ein in meinen Augen dummes Argument. Pendlerbahnhof und zudem Endbahnhof im MVV-Raum sein und ständig über die "Fremden" klagen, insbesondere über die "bösen" Weilheimer. Ausnahmslos alle (!) Tutzinger Bürger, mit denen ich auf dem Bahnsteig beim Warten auf dem Zug ins Gespräch komme (das sind nicht wenige), kommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Bahnhof.

"Eine Entfernung der Parkplätze dürfte aber an der Endstation einer S-Bahn-Linie selbst in Zeiten einer oft gewünschten Abkehr vom Auto illusorisch sein."
Ich reduziere doch die Autoverwendung schon erheblich, wenn ich die Strecke Tutzing - München mit dem Zug zurücklege! Aber für die Autofahrt von Wilzhofen zum Tutzinger Bahnhof wird man verteufelt. Umso mehr, wenn auch noch ein "WM" am Auto prangt. Verkehrte Welt. Manchmal habe ich das Gefühl, in Tutzing nicht willkommen zu sein. Dann kann ich auch gleich meine Einkäufe in der Buchhandlung Held, beim Dillitzer und Edeka und mein ehrenamtliches Engagement in einem Tutzinger Verein sein lassen.
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