Wirtschaft
5.10.2023
Von vorOrt.news

Meinungen zur ATG

Interviews mit Christof Schäfer, Linda Schmieder, Werner Roan und Roberto Mestanza

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Das Logo der ATG im Wandel © Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibender

Seit Jahrzehnten gibt es die Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibender, kurz ATG. Am heutigen Mittwoch steht der 1976 von dem Unternehmer Peter Gsinn gegründete Verein vor einer Weichenstellung. Mehrere Mitglieder des bisherigen Vorstands treten wieder an - Christof Schäfer will für den ersten Vorsitz kandidieren. Aber weitere Personen zeigen ihr Interesse: Die Agenturinhaberin Linda Schmieder möchte sich ebenfalls für den ersten Vorsitz bewerben, mit ihr zusammen will Werner Roan, Filialleiter einer Bank, antreten und für den zweiten Vorsitz kandidieren. Im Mai dieses Jahres war Roberto Mestanza, der seit 2019 ATG-Vorsitzender war, überraschend zurückgetreten. Roberto Mestanza tritt zurück Wir haben für vorOrt.news mit ihnen allen vorab gesprochen.

Schäfer: „Das ist mir zu amerikanisch“

Christof Schäfer, Inhaber einer Tutzinger Schreinerei, ist kommissarisch eingesprungen, nachdem Roberto Mestanza im Mai dieses Jahres überraschend und sehr kurzfristig den ersten Vorsitz bei der Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibender (ATG) niedergelegt hat. Bei der Neuwahl morgen will Schäfer für den ersten Vorsitz kandidieren.

Wollen Sie ATG-Vorsitzender werden?

Schäfer: Ich stelle mich für die Wahl des ersten Vorsitzenden zur Verfügung.

Auf einmal tauchen aber Gegenkandidaten auf. Was sagen Sie dazu?

Schäfer: Es wird Unmut in der ATG geben. Davon hatten wir in diesem Jahr schon genug. Es steht ihnen frei, sich aufstellen zu lassen. Aber ich habe ihnen gesagt, ich befürchte, dass sie die ATG zerschlagen.

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Christof Schäfer © L.G.

Worin sehen Sie Probleme?

Christof Schäfer: Das wird schwierig für die ATG. Ich bin seit 25 Jahren bei der ATG. Ich würde gern mit Jüngeren zusammenarbeiten. Aber nun kommen einige von außen und wollen – zack – an die Spitze. Wer sich mit engagieren will, ist immer willkommen, sollte aber mit einem anderen Posten, zum Beispiel als Beisitzer, anfangen und gemeinschaftlich mit den anderen arbeiten. So etwas muss sich entwickeln. Neu dazu kommen und gleich an die Spitze wollen, das hat für mich einen faden Beigeschmack.

Bei der vorigen Wahl vor zwei Jahren haben Sie gegen den Vorsitzenden Mestanza kandidiert. Es gab drei Mal ein Patt, also Stimmengleichheit – dann haben sie ihre Kandidatur zurückgezogen und sind stellvertretender Vorsitzender geworden. Roberto Mestanza bleibt ATG-Vorsitzender Warum?

Schäfer: Wenn ich darauf bestanden und mich nicht von der Kandidatur für den ersten Vorsitz zurückgezogen hätte, dann hätte es die ATG damals zerrissen. Das wollte ich nicht, das war der einzige Grund.

Was machen Sie, wenn Sie nicht gewählt werden sollten?

Schäfer: Ich bin dann raus. Für einen anderen Vorstandsposten stehe ich nicht zur Verfügung.

Ihre Gegenkandidaten plädieren sehr für Netzwerkbildung. Wie sehen Sie das?

Schäfer: Was die machen, damit bin ich nicht d’accord. Dieses Vorpreschen ist mir zu ambitioniert. Das ist mir zu amerikanisch, das funktioniert in Tutzing nicht. Da beißen sie in Tutzing auf Granit. Das Tutzinger Pflaster ist schwierig. Jeder wurschtelt in seinem eigenen Bereich, zu einer Zusammenarbeit kommt es da nicht so einfach. Ein plakatives Beispiel ist der Adventsmarkt, den die ATG traditionell immer organisiert. Ich habe beim vorigen Mal etliche Leute um Unterstützung gebeten - aber gekommen sind nur wenige. Adventsmarkt wurde zum Tutzinger Treffpunkt Vielen ist nicht bewusst, wieviel Arbeit in so einem Projekt wie dem Adventsmarkt steckt. Generell ist die ATG für die Verantwortlichen neben ihrer normalen Arbeit mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden.

Es gibt auch Plädoyers für klare Struktur und Aufgabenverteilung bei der ATG.

Schäfer: Das ist auch mein Ziel. Das ist genau das, was Roberto Mestanza nicht gemacht hat. Man braucht Teams für bestimmte Aufgaben. Die Arbeit wird dann mit dem Vorstand besprochen, vor allem, wenn es Geld kostet.

Linda Schmieder und Werner Roan: „Wir wollen die Hand reichen“

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Linda Schmieder © https://flash-media.net/

Linda Schmieder betreibt auf dem Gut Ilkahöhe die Agentur „Flash Media“ für Marketingberatung und Webseiten-Gestaltung. Sie will für den ersten Vorsitz der Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibender (ATG) kandidieren. Werner Roan leitet die Tutzinger Filiale der Münchner Bank. Er will sich für den stellvertretenden Vorsitz bewerben.

Eine Gegenkandidatur zum bisherigen Vorstand der ATG: Gibt es da eine Lagerbildung?

Linda Schmieder: Nein. Es gibt Menschen, die gern ein neues Gemeinschaftsgefühl bei der ATG schaffen würden. Das wollen wir. Wir hören auf allen Kanälen, dass eine Veränderung gewünscht wird.

Werner Roan: Ich will keine Kampfabstimmung, ich will keinen Streit. Wir wollen die Hand reichen. Es geht nicht um Lager, sondern um Vereinigung. Ich bin bereit, mich für die ATG zu engagieren und mein Know-how einzubringen. Ich freue mich auf einen konstruktiven Dialog.

Werden außer Ihnen noch weitere Personen kandidieren?

Schmieder: Es gibt ein paar Leute, die sich engagieren wollen.

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Werner Roan © https://tutzinger-treffen.de/

Neulich haben Sie ein „Tutzinger Wirtschafts-Treffen“ organisiert. Neues Gemeinschaftsgefühl Das haben manche als Gegenveranstaltung zur ATG betrachtet. War es so gedacht?

Roan: Nein. Ich habe vorher mit dem ATG-Vorstand darüber gesprochen. Ich habe schon öfter Veranstaltungen für die ATG gemacht. Die ATG hat viel erreicht. Aber mir ist immer aufgefallen, dass Vieles unstrukturiert ist. Da wird meist kreuz und quer geredet, es gibt keine Aufgabenverteilung. Nach ihrer Satzung soll die ATG selbstständige Unternehmer und Gewerbetreibende zuammenfassen, die Kontakte untereinander pflegen, die wirtschaftliche Entwicklung fördern und die gemeinsamen Interessen der Gemeinde gegenüber vertreten. Die ATG erfüllt nicht ihren Satzungsauftrag.

Was genau meinen Sie damit?

Schmieder: Gemeint sind nicht nur Gewerbetreibende, sondern zum Beispiel auch Freiberufler und leitende Angestellte. Architekten, kreative Berufe, Designer: Es gibt so viele Menschen, die in Tutzing arbeiten und gar nicht wissen, warum sie bei der ATG Mitglieder sein sollen. Wenn man sie zusammenbringt, Kooperationen und Netzwerke im Ort gründet, kann man ihnen helfen, ihre Zielgruppen besser zu erreichen, Personal zu finden und Vieles mehr. Auf unserem Verteiler stehen mehr als 200 Leute. Bei unserem Wirtschafts-Treffen waren 55 Personen. Mit der Power dieses Treffens könnte man einiges erreichen. Es ist wichtig, die Kräfte zu bündeln, so kann man sich in vielen Bereichen engagieren und gemeinsam mit allen Beteiligten, auch der Gemeinde, Lösungen finden. Ich würde das gern alles zusammenbringen.

Roan: Das ist Vernetzung. Ich konnte schon manchen Kunden helfen, Lösungen für ihre Probleme zu finden, indem ich die Menschen zusammengebracht habe. In einem Verein sollten die Leute im Ort interaktiv tätig sein. Es geht darum, für die Zukunft Hilfe anzubieten.

Roberto Mestanza: „Der Gewerbeverein muss von der Gemeinschaft getragen werden“

Sie haben 2019 den Vorsitz der ATG übernommen und ihn im Mai dieses Jahres auffallend spontan aufgegeben. Warum?

Roberto Mestanza: Ich erinnere mich, wie ich oft bis spät in die Nacht Newsletter zusammengezimmert, formuliert habe und nahezu kaum ein Feedback bekam, wenn ich mal in die Runde eine Nachfrage gestellt habe. Wenn ich Programme und Agendas für Sitzungen ausgearbeitet habe und dann nur eine Handvoll Mitglieder kamen, obwohl wir sogar zuletzt mit einem finanziellen Zuschuss zum Abendessen geworben haben. Das hat mich dann auf Dauer zermürbt. Als noch private und familiäre Dinge dazu kamen, war dann einfach keine Luft mehr. Aber ich werde sicher am Mittwoch im vierten Stock von Lobster dabei sein und versuchen, die ATG zu unterstützen. Ich hoffe, dass sich noch viele andere Mitglieder dort einfinden werden und ihre Stimme für eine gute Sache geben, die Tutzing die nächste Zeit wieder nach vorne bringt.

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Roberto Mestanza © privat

Wie sehen Sie heute rückblickend Ihre Zeit an der Spitze der ATG?

Mestanza: Als ich vor vier Jahren das Amt übernommen hatte, schlummerte die ATG friedlich und kaum ein Bürger wusste, was da eigentlich passiert. Wir haben offene Versammlungen ins Leben gerufen, ein neues Logo etabliert und den Kontakt zu den „Tutzinger Nachrichten“ wieder vertieft. Unter dem Titel „Was tut sich im Bahnhofsviertel“ haben wir die Erweiterung und den Bau des Lobster-Gebäudes mit einem riesigen Event begleitet. Dann kam die schwere Corona-Zeit mit Ausfall unserer Weihnachtsmärkte. Ich habe mit Interviews und kleinen Image-Kampagnen versucht, alles am Leben zu halten. Nach Corona gab es wieder ein schönes Event nach Fertigstellung des Lobster Baus und eine Podiumsdiskussion zu den Baustellenarbeiten im Dezember und zum Weihnachtsgeschäft. Wir waren eine gefragte Marke und wurden aus diesem Anlass auch regelmäßig in die Gemeinde in den Arbeitskreis Mobilität eingeladen. Ich erinnere mich da gerne an die Entwicklung der Stele mit Andreas Rachel und Flora Weichmann. „Fußleitsystem der nächste Schritt“ Nicht zu vergessen der Radständer, der heute in der Ortsmitte Anlaufpunkt für Radtouristen und Kunden ist, die lieber zum Einkaufen mit dem Rad kommen. Ich hätte ihn ja lieber vors Corallo gestellt, aber da hatte ich mir den Argwohn der Mitglieder zugezogen. Einen Parkplatz opfern war einfach zu viel. Ich denke, während der Baustelle in den letzten Wochen hätte er dort einen „schlanken Fuß“ gemacht, aber sei es, wie es ist. Alternative zum Auto - Ein Fahrradständer erhitzt die Gemüter

Was ist geblieben nach vier Jahren? Braucht Tutzing noch einen Gewerbeverein?

Mestanza: Ich denke ja - ganz dringend. Aber es muss getragen werden von der Gemeinschaft.

So wirkt zurzeit aber keineswegs alles. Auf einmal gibt es auch ein „Tutzinger Wirtschafts-Treffen“, das manche für eine Gegenveranstaltung zur ATG halten. Geht da nicht etwas von der Gemeinschaft verloren?

Mestanza: Ich bin schon überrascht, dass man vor versammelter Runde dort den halben ATG-Vorstand trifft und die Bürgermeisterin. Früher waren solche Veranstaltungen fest in der Hand der ATG, dafür wurde sie ins Leben gerufen. Wenn man dann noch sieht, dass das Ganze von zwei Mitgliedern der ATG initiiert wurde, bin ich schon schwer verwundert. Warum trägt man das nicht mit der ATG? Oder hat die ATG auf das nicht richtig reagiert? Schließlich hat Frau Schmieder doch erst das Portal „intutzing“ für die Mitglieder der ATG in Betrieb genommen. Auch die Revision der Satzung und die positive Öffnung zur Gemeinde hin wurde nicht, wie beschlossen umgesetzt. Erst jetzt nach meinem Rücktritt vor einigen Monaten kommt die längst überfällige Neuwahl.

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