
In Tutzing könnte in zentraler Lage ein gemeindlicher Treffpunkt für Veranstaltungen entstehen - zum Beispiel ein Bürgerhaus oder ein Bürgersaal. Mit so einem Vorhaben hat der Gemeinderat am Dienstag die Ziele des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts „ISEK“ ergänzt, die in der Sitzung einstimmig genehmigt wurden. Zu ihnen gehört auch die Einführung eines Mietspiegels für Tutzing, der Transparenz auf dem Wohnungsmarkt schaffen und als rechtliche Grundlage zur Begrenzung von Mieterhöhungen dienen soll. Etliche Ziele stehen auch für die Tutzinger Ortsteile in dem Konzept, so etwa Dorfläden, Automaten und mobile Serviceangebote, Kindergärten oder attraktive Treffpunkte wie zum Beispiel Bürgercafés oder öffentliche Plätze.
All diese und die zahlreichen anderen Ziele im ISEK-Konzept sind aber nicht als konkrete Planungen zu verstehen, sondern als Vorhaben, die in der Gemeinde Tutzing als sinnvoll betrachtet werden. ISEK ist ein Planungs- und Steuerungsinstrument, mit dem Maßnahmen begründet werden können. Ein zentraler Aspekt ist ein finanzieller: Für Zuschüsse des Freistaates Bayern bei bestimmten Projekten im Rahmen der Städtebauförderung ist deren Erwähnung in ISEK Voraussetzung.
Politische Bindung, aber keine rechtliche Verbindlichkeit

Das Konzept hat zwar eine politische Bindung, aber keine rechtliche Verbindlichkeit. Es handelt sich nicht um ein Versprechen für künftige Maßnahmen. Für die Gemeinde lassen sich aus dem Konzept keine Handlungsverpflichtungen ableiten, es hat keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber Bürgern oder Investoren. Das ISEK-Konzept gilt als Stimmungsbild für Wünsche der Bevölkerung, die im Laufe der Vorbereitungen bei Bürgerbeteiligungen und auf andere Weise geäußert worden sind. Was von all dem wirklich umgesetzt und realisiert wird, steht auf einem anderen Blatt.
Planerin Martina Schneider vom beauftragten Münchner Büro "Stadt Raum Planung" hat die Gemeinderatsmitglieder am Dienstag in einem Schnelldurchgang überblicksmäßig durch das Konzept geführt. Offenkundig sah sie Bedarf, den Kommunalpolitikern zu Informationen über die intensiven Vorbereitungen zu verhelfen, denn bei etlichen der Termine mit der Bevölkerung waren nur relativ wenig Gemeinderatsmitglieder erschienen. Unter Hinweis auf die Handlungsfelder sagte die Planerin, schon an der Vielfalt der Themen sei zu erkennen, wie umfangreich das Tutzinger ISEK sei. Das hatte sich auch an zahlreichen schriftlichen und mündlichen Mitteilungen aus der Bevölkerung bei den Bürgerwerkstätten und anderen ISEK-Veranstaltungen gezeigt.
ISEK-Start war in Tutzing vor dreieinhalb Jahren
Gestartet wurde das ISEK-Konzept in Tutzing vor dreieinhalb Jahren. Im November 2021 hatte der Gemeinderat einen Beschluss für „Leitziele 2030“ und für ein „Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept“, kurz ISEK, gefasst. Im Mittelpunkt steht ein für das Konzept gefordertes „Sanierungsgebiet“ zwischen See und Bahn, in das im Verlauf der Arbeiten auch ein Bereich westlich der Gleise sowie südlich des Bahnhofs aufgenommen worden ist. Seit dem Beschluss von 2021 wurde in Gemeinderatssitzungen, an Klausurtagen, in Arbeitskreisen und bei zahlreichen Terminen mit der Bevölkerung an diesem Thema gearbeitet. Die Ergebnisse sind in einem Entwurf zusammengefasst worden, der 153 Seiten umfasst.
Die "Handlungsfelder" des Tutzinger ISEK-Konzepts
Identität und Leitbild
Bauliche Entwicklung
Demografie und Wohnen
Versorgung und öffentliches Leben
Gewerbe und Landwirtschaft
Mobilität und Verkehr
Grünstruktur, Freizeit und Tourismus
Klima und Nachhaltigkeit
In einer so genannten Vorbereitenden Untersuchung (VU) werden die Teilbereiche Nord, Mitte und Süd von Tutzing jeweils einzeln beleuchtet.
Bauliche Entwicklungsmöglichkeiten

Ins bereits weitgehend fertige Konzept waren zuletzt noch einige Änderungen oder Konkretisierungen eingefügt worden. Darunter sind, wie anfangs erwähnt, ein Mietspiegel, ein Bürgerhaus und Dorfläden sowie weitere Vorhaben in den Ortsteilen. Weiter vorgesehen wird zum einen, dass die bauliche Entwicklung rund um das Würmseestadion für gemeindliche Zwecke vorangetrieben werden soll und zum anderen, dass die bestehenden sportlichen Angebote von ortsansässigen Vereinen und aktiven Gruppen langfristig “erhalten und weiter gestärkt werden“ sollen. Warnungen vor Einschränkungen des Sports Eine zunächst vorgesehene Verlagerung des Wertstoffhofs ist nach einer kontroversen Diskussion noch nicht als Ziel aufgenomen worden. Dieses Thema soll demnächst nochmals aufgegriffen werden, wenn es um einen Maßnahmenkatalog geht. Verlagerung des Wertstoffhofs umstritten
Die Planerin erwähnte in der Sitzung am Dienstag auch einige schwierige Themen wie beispielsweise den Bedarf an „bezahlbarem Wohnraum“. Bauliche Entwicklungsmöglichkeiten werden in Plänen gekennzeichnet. So soll in den Ortsteilen kleinteiliger Wohnraum in ehemaligen Hofgebäuden geschaffen werden.
Beim Thema „Bauliche Entwicklung“ wurde der Zusatz eingefügt, dass das bauliche Wachstum im Bereich Wohnen und Gewerbe „maßvoll und behutsam erfolgen“ soll und dass dabei „die Leistungsfähigkeit der erforderlichen Infrastruktur berücksichtigt werden“ soll. Bei baulichen Ergänzungen sollen bestehende markante Blickachsen zu ortsbildprägenden Gebäuden und zum See berücksichtigt werden.
Stärkung des Ortskerns als Treffpunkt und Handelsstandort
Der Ortskern im Bereich zwischen Bahnhof, Rathaus und Seeufer soll nach einer weiteren Ergänzung in seiner Funktion als Treffpunkt und Handelsstandort gestärkt werden. Eine bauliche Entwicklung entlang von Wohnstraßen soll auch über die Verbesserung der Verkehrswege ermöglicht werden.
Die medizinische und pflegerische Versorgung im gesamten Ort soll gesichert und weiterentwickelt werden, einschließlich des Ausbaus von Angeboten für betreutes Wohnen und Tagespflege. Zudem soll die Beschäftigung von Pflegekräften im Ort gesichert werden, etwa durch geeignete Wohnangebote.

Ansiedlung von wissensbasiertem Gewerbe mit hoher Wertschöpfung erwünscht

Beim Thema „Gewerbe & Landwirtschaft“ wurde ergänzt, dass die Ansiedlung von wissensbasiertem Gewerbe mit hoher Wertschöpfung ermöglicht werden soll, indem nichtstörende, kleinteilige gewerbliche Einheiten auch in überwiegend von Wohnen geprägten Bereichen integriert werden. Weiter soll eine maßvolle Entwicklung und gemeindeverträglicher Steuerung im Bereich Gastgewerbe und Tourismus angestrebt werden. Für die Ortsteile ist das Ziel einer „maßvollen“ durch eine „rücksichtsvolle“ bauliche Ergänzung von Gewerbeflächen ersetzt worden. Die gewerbliche Entwicklung unter anderem im Ortsteil Traubing soll weiter ergänzt und vorangetrieben werden. Der Erhalt und die Neuansiedlung von Kleingewerbe aus den Bereichen der Daseinsvorsorge soll gestärkt werden. Beispielhaft hierfür genannt werden Handwerksbetriebe und Monteure. Die bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe sollen bei der Transformation in moderne, nachhaltige Strukturen unterstützt werden.
Beim Handlungsfeld „Grünstrukturen, Freizeit und Tourismus“ werden Calisthenics-Stationen ergänzt, die im öffentlichen Raum für sinnvoll gehalten werden. Ausdrücklich aufgenommen wurde auch, dass die bestehenden Wanderwege erhalten und gesichert werden sollen und dass die Lindl-Wiese am Rathaus als „begrünte Mitte“ Raum für Erholung, Spiel, Veranstaltungen und Märkte bieten soll.
Für den Abschnitt „Mitte“ steht neu im Konzept, dass die östlich der Grundschule gelegene Fläche in ein öffentlich zugängliche Grünanlage umgewandelt werden soll: „Damit entsteht im Ortskern ein wohnortnahes Freizeitangebot für die Bürger.“
Weitere Informationen zum ISEK-Konzept von Tutzing:
https://isek.tutzing.de
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Comments
Sehr gut ... großen Dank dafür!
Allerdings gibt es auch Punkte, die irritieren, wenn man nur oft genug bei den ISEK Veranstaltungen mitgemacht hat.
Herr Kerbs hat 2 wichtige Punkte angesprochen:
Die Sportvereine haben mit guten, nachvollziehbaren Argumenten, und auch mit zahlenmäßig beeindruckenden Engagement dargelegt, dass die Sportanlagen am Würmseestadion bereits jetzt schon die große Nachfrage aus den Tutzinger Familien nicht mehr ohne Engpässe bewältigen können. Da wäre ein unmißverständliches Bekenntnis des Gemeinderates zum uneingeschränkten Erhalt absolut geboten! Wenn das Areal und unsere Gemeindefinanzen schon keinen Ausbau zulassen, dann bitte wenigstens keine weiteren Einschränkungen oder sonstigen Bedrohungen dieses wichtigen Standortes.
Auch beim Thema Wertstoffhof habe ich den an den ISEK Abenden geäußerten "Bürgerwillen" ganz ähnlich wie Herr Kerbs in Erinnerung:
Bitte möglichst am bisherigen Ort erhalten. So zentral & leicht erreichbar.
Zu Recht beklagen sich Bürger & Gemeinde unisono über die illegalen, wilden Müllablagerungen auf Wiesen & in Wäldern.
Absolut kein Kavaliersdelikt, sondern immer wieder eine asoziale Unverschämtheit und Umweltverschmutzung.
Aber würde man dieser Unsitte nicht noch ungewollt Vorschub leisten, wenn man unseren Wertstoffhof in einen schwerer zugänglichen Außenbereich verlegen würde?
Auch die geplante Verlegung des Wertstoffhofs widerspricht dem im ISEK-Prozess bei öffentlichen Veranstaltungen klar geäußerten Bürgerwunsch, den jetzigen Standort zu erhalten. Zudem fehlen nachvollziehbare Nutzungs- und Verkehrsflussberechnungen, die das Vorhaben stützen würden. Wie kann man Entscheidungen dieser Tragweite treffen, ohne sie sachlich und objektiv zu begründen?
Wenn es keine überzeugenden Gründe für diese beiden Maßnahmen gibt, stellt sich die Frage nach den eigentlichen Motiven. Es entsteht der Eindruck, dass hier zwei hochwertige Baugrundstücke für eine spätere Vermarktung freigemacht werden könnten. Wer in der Immobilien- oder Baubranche tätig ist, hätte ein nachvollziehbares Interesse, solche Vorhaben zum eigenen Nutzen und zu Lasten der Öffentlichkeit voranzutreiben.
Besonders bedenklich ist, dass der Gemeinderat derartige Themen womöglich in nicht-öffentlichen Sitzungen behandelt. Wurden diese Vorhaben bereits unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert oder gar entschieden und sollen nun nachträglich über die Dokumentation im ISEK als Bürgerwille verkauft werden? Die mangelnde Transparenz wirft jedenfalls Fragen auf und gibt einigen Anlass zur Sorge.
Ich appelliere an Sie, Herr Bürgermeister: Schaffen Sie im Gemeinderat mehr demokratiefreundliche Transparenz und beschränken Sie nicht-öffentliche Sitzungen auf das absolut notwendige Maß. Entscheidungen über Finanzen, über öffentlichen Grund und Boden betreffen alle Bürger, weil über die Finanzen und den Grund und Boden der Bürger entschieden wird. Deshalb verdienen sie eine öffentliche und nachvollziehbare Diskussion.