Bauplanung
13.1.2022
Von vorOrt.news

Viel Interesse für Pläne im Tutzinger Ortskern

Tengelmann-/Edeka-Nachfolge: Die Entscheidung naht - mit wahrscheinlich weit reichenden Folgen

Großes Interesse gibt es in Tutzing für die vorgesehene Neugestaltung des Ortszentrums. An einer Präsentation der Projektentwickler für die Nachfolge-Bebauung des derzeit leer stehenden früheren Tengelmann-/Edeka-Markts haben in der vergangenen Woche etwa 40 Personen teilgenommen. Für die Planung gibt es überwiegend positive Beurteilungen. Das betrifft sowohl die Veranstaltung selbst als auch die Kommentare zur Berichterstattung über sie (unten auf dieser Seite).

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Es war einmal: Das alte Gebäude nach dem Auszug von Edeka Mitte vorigen Jahres, bevor der Firmename entfernt wurde © L.G.
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So könnte es sein: Der Neubau, von der Hauptstraße ein paar Meter abgerückt, mit zwei "Kopfbauten" rechts und links © Prof. Florian Burgstaller
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Ein Beschluss mit zentraler Bedeutung für Tutzings Mitte

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Fast wie eine kleine Bürgerversammlung: Etwa 40 Besucher kamen Anfang voriger Woche ins Midgardhaus, um sich die Pläne erläutern zu lassen. © L.G.

Es gibt aber auch kritische Stimmen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie groß die Bebauung an dieser Stelle im Ortskern von Tutzing werden darf. Irritationen hat es bei der Veranstaltung der Projektentwickler gegeben, weil von den der Planung kritisch gegenüberstehenden Gemeinderäten niemand teilgenommen hat. Viele Anwesende hätten sich Erklärungen für die Ablehnung der vorgesehenen Bebauung gewünscht, weil in diesem Konzept viele Vorteile für Tutzing gesehen werden.

Bereits am kommenden Dienstag, dem 18. Januar steht nun im Tutzinger Gemeinderat wahrscheinlich die Entscheidung bevor, die zentrale Bedeutung für die künftige Entwicklung von Tutzings Mitte haben dürfte. Bei der Präsentation des Konzepts im Midgardhaus hatten Felix Wittmann und Christoph Grill, Eigentümer der in Starnberg ansässigen Projektentwicklungsgesellschaft Imeno GmbH, ihre Pläne detailliert erläutert. Dabei hatten sie auch Begründungen für einen vorgesehenen größeren Bau mit Erdgeschoss, zwei "Kopfbauten", zwei Obergeschossen und Dachgeschoss sowie ein weiteres Gebäude im hinteren Bereich des Areals geliefert.

Im Gegenzug soll sich die Hauptstraße an dieser Stelle zu einer Platzsituation erweitern, im Erdgeschoss und in den beiden Kopfbauten soll es Geschäfte geben, womit wahrscheinlich für eine gewisse Belebung im Ort gesorgt wird. Und von insgesamt 25 Wohnungen in den Neubauten sollen zumindest einige mit Hilfe von Förderungen verhältnismäßig günstige Mietpreise haben.

Appell an Gemeinderäte, "damit es nicht den nächsten Schandfleck in Tutzing gibt“

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Blick aus der Vogelperspektive: Gegenüber der Marienstraße ist der Neubau von der Hauptstraße abgerückt, die beiden "Kopfbauten" ragen aber vor © Prof. Florian Burgstaller

Diese Erklärungen leuchteten bei der Veranstaltung den meisten ein. Die Planung kam durchweg gut an, wie sich in einer lebhaften Diskussion zeigte. Als „freundlich und schön“ bezeichnete ein Besucher den Entwurf, die vorgesehenen Gebäude korrespondierten gut mit den Bauwerken im Umfeld. Ein anderer Besucher sagte: „Grundsätzlich macht die Planung einen guten Eindruck - man sollte es möglichst schnell machen.“ Und er fügte er hinzu: „Nur weil man sich nicht einigen kann - das wäre saublöd.“

An dieser wichtigen Stelle des Tutzinger Ortszentrums dürfe es nicht wieder ein „Brachgelände“ geben wie beim Andechser Hof und beim Seehof, mahnte Thomas Thallmair, der direkt neben dem betreffenden Grundstück an der Hauptstraße ein Sportgeschäft betreibt. Er richtete einen Appell an alle Beteiligten, „an einem Strang zu ziehen, damit es nicht den nächsten Schandfleck in Tutzing gibt“. Damit verband er nachdrücklich die Hoffnung, dass der Gemeinderat das Projekt positiv beurteilen werde.

Zustimmung kommt auch aus der Tutzinger Geschäftswelt. Der der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibender (ATG), Roberto Mestanza, bezeichnete einen größeren Bau wegen der Geschäfte, der Ortsbelebung und der Vorteile für bezahlbaren Wohnraum als sinnvoll. Auf eine schnelle Realisierung hofft Mestanza auch wegen der bevorstehenden Sanierung der Hauptstraße im Ortszentrum: Es sei wünschenswert, dass die Neubebauung und die Straßensanierung möglichst zur gleichen Zeit abgeschlossen würden.

Zustimmung nur unter der Bedingung einer kleineren Bauvariante

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Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten die Teilnehmer die Präsentation des Konzepts © L.G.

Mehrere Gemeinderäte hatten jedoch in der Dezember-Sitzung gegen die Größe der vorgesehenen Bauten Stellung bezogen. Zu einem einstimmigen Beschluss für das vorgelegte Konzept war es dann doch gekommen, aber nur unter einer Bedingung: Stadtplaner Prof. Florian Burgstaller wurde auch noch mit der Ausarbeitung einer niedrigeren Variante beauftragt. Ohne diesen Zusatz hätte die Abstimmung wahrscheinlich auf der Kippe gestanden. So könnte Tutzings neue Ortsmitte aussehen

Am kommenden Dienstag soll das Projekt wieder im Gemeinderat behandelt werden. Vielleicht wird die kleinere Bauvariante, mit der Burgstaller beauftragt worden ist, in dieser Sitzung vorgestellt. In den vielen Diskussionen rund um das Vorhaben sind immer wieder Zweifel daran geäußert worden, dass auch kleinere Bauwerke die erhofften Vorteile für Geschäfte und Ortsbelebung, eine Platzsituation und günstigere Wohnungen mit sich bringen werden. Neben der Hauptstraße wird zwar eine freie Fläche entstehen, weil der Neubau laut Bebauungsplan um mehrere Meter versetzt werden muss. Doch diese Fläche ist privat - der Eigentümer kann, muss sie aber nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Er kann sie auch einzäunen.

Die Präsentation im Midgardhaus hätte eine Möglichkeit für die Tutzinger Gemeinderäte bieten können, mit den Bürgern über die Vor- und Nachteile einer größeren und einer kleineren Bebauung zu diskutieren. Dazu kam es aber nicht. Dass alle dem Projekt kritisch gegenüberstehenden Gemeinderäte der Veranstaltung fern geblieben sind, ist am Rande der Veranstaltung auf Unverständnis gestoßen. Gewundert hat sich darüber nach der Präsentation der Projektentwickler auch Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg von der „Tutzinger Liste“, der als einziger Gemeinderat an der Veranstaltung teilgenommen hat. Er befürwortet das Konzept mit der größeren Bebauung. Erklärungsbedarf wird mittlerweile auch in den zu diesem Thema eingegangenen Kommentaren auf vorOrt.news deutlich (siehe unten).

"Ein Lebensmittelgeschäft wäre unser Traum"

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Neues im alten Supermarkt: Die leer stehenden Räume von Tengelmann und später Edeka dienen heute als Werbefläche für das Neubaukonzept © L.G.

Welchen Beschluss der Gemeinderat zu dem Vorhaben fassen wird und in welcher Form die Bebauung errichtet werden kann, ist vorerst offen. Sollte die von der Imeno vorgelegte Planung positiv beurteilt werden, wollen die Projektentwickler im Mai dieses Jahres mit der Vermarktung beginnen. Baubeginn könnte nach ihren Angaben im September dieses Jahres sein, die Fertigstellung etwa anderthalb Jahre später.

Nach der derzeitigen Planung mit größeren Bauten sind im Erdgeschoss Geschäfte mit rund 450 Quadratmetern Fläche vorgesehen, teilbar eventuell in zwei Läden. Aus dem Publikum kam der Wunsch nach einem Lebensmittelgeschäft. „Das wäre unser Traum“, sagte Wittmann. Man sei in Gesprächen mit entsprechenden Anbietern, doch ob es wirklich ein Nahversorger sein werde, könne er noch nicht sagen: „Die haben Anforderungen, von denen ich nicht weiß, ob wir sie erfüllen können.“ Auf jeden Fall werde es aber Einzelhandel geben. Der ATG-Vorsitzende Mestanza bezeichnete eine Mitsprache der Tutzinger Gewerbetreibenden bei den Überlegungen zu den künftigen Geschäften als wünschenswert.

In den oberen Geschossen sollen etwa 25 Wohnungen entstehen, darunter sowohl größere als auch kleinere, auch Ein- bis Drei-Zimmer-Appartements mit 60 bis 80 Quadratmetern. Die Mieten von drei bis fünf Wohnungen sollen laut Wittmann mit der so genannten EOF-Förderung, einem bayerischen Programm, relativ günstig sein.

Wahrscheinlich der erste Tutzinger "SoBon"-Fall

Wittmann äußerte sich allerdings nachdenklich: Ein Vier-Personen-Haushalt werde bei diesem Programm beispielsweise bis zu einem Einkommen von 80 000 Euro gefördert. "Es ist erschreckend", kommentierte er: "80 000 Euro ist alles andere als arm - aber der ganz normale Mittelstand braucht mittlerweile ein Förderprogramm, um sich eine Wohnung leisten zu können.“ Erstmals werde bei diesem Vorhaben in Tutzing auch die Satzung zur „sozialgerechten Bodennutzung“ (SoBon) angewandt werden, sagte Wittmann. In diesem Rahmen soll zusätzliches Baurecht unter anderem mit der Beteiligung der Bauwerber an sozialen Infrastrukturkosten verbunden werden.

„Ein Vier-Personen-Haushalt wird bis zu einem Einkommen von 80 000 Euro gefördert. Es ist erschreckend: 80 000 Euro ist alles andere als arm - aber der ganz normale Mittelstand braucht mittlerweile ein Förderprogramm, um sich eine Wohnung leisten zu können.“ Felix Wittmann über das EOF-Förderprogramm

Eine Tiefgarage soll 30 Stellplätze enthalten. Derzeit sei das 1800 Quadratmeter große Grundstück komplett zubetoniert, sagte Wittmann, ein Teil im rückwärtigen Bereich solle wieder begrünt werden. Die Kirchtürme von St. Joseph werde man künftig ähnlich sehen können wie bisher, sagte Wittmann auf eine entsprechende Frage. Eine stärkere Verschattung als bisher sei nicht zu erwarten. Bei der Zufahrt zur Tiefgarage seien nach Berechnungen von Verkehrsplanern keine Beeinträchtigungen durch Staus zu befürchten.

Projektentwickler will nicht "mit Tomaten beworfen werden"

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Zufrieden mit der Resonanz des Publikums: Felix Wittmann (links) und Christoph Grill nach der lebhaften Diskussion im Midgardhaus © L.G.

„Wir wollen ein lebendiges Zentrum schaffen und die Ortsmitte von Tutzing durch eine Platzsituation bereichern“, sagte Wittmann. Nach Gesprächen mit dem Staatlichen Bauamt soll der Belag des Platzes dem der Straße angepasst werden, wie Wittmann sagte, so dass optisch eine Platzsituation entstehe. Die Autos würden schon aus diesem Grund erheblich langsamer fahren. Zwischen dem Gebäude und der Straße soll der Abstand fast zehn Meter betragen. Auf Fragen zur Gestaltung kündigte Wittmann eine traditionelle, aber moderne Architektur an.

Wittmann stammt selbst aus Herrsching, er ist aber in seiner Jugend oft in Tutzing gewesen. „Wir sind von hier“, sagte er, „wir sind nicht Entwickler aus Bochum, wir wollen ein Projekt, das hier nach Tutzing passt.“ Sein Ziel formulierte Wittmann so: „Ich will dort eines Tages mit meinem Sohn vorbeigehen können, ohne mit Tomaten beworfen zu werden.“

Blicke in die Tutzinger Zukunft

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Blick von Süden: Einer der Vorbauten soll direkt neben dem Sportgeschäft Thallmair errichtet werden, daneben soll durch den zurückgesetzten Neubau eine Platzsituation entstehen © Prof. Florian Burgstaller
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Blick von Norden: Rechts der neu entstehende Platz mit den Neubauten, links die Marienstraße. Die Hauptstraße soll bei der Sanierung etwas in Richtung See verschoben werden, Straße und Platz sollen den selben Belag erhalten. © Prof. Florian Burgstaller
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Blick von der Marienstraße auf den Neubau: Der auf diesem Bild zu erkennende Vorbau in den oberen Geschossen ist eine Idee, um die optische Breite des Gebäudes zu unterbrechen. Ob das so realisiert wird, ist noch offen. © Prof. Florian Burgstaller
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Kommentare

Nach allen bisherigen (öffentlichen) Darstellungen scheinen sich die beiden Investoren bislang sehr kompromissbereit gezeigt zu haben, oder kommt diesbezüglich Widerspruch aus dem Gemeinderat? Dafür spricht jedenfalls die offensichtlich gedeihliche Zusammenarbeit mit Tutzings bevorzugten Ortsplaner. Kompromissbereitschaft kann aber auf Dauer keine Einbahnstraße sein.
Beim ehemaligen Seehof mussten wir alle leidvoll miterleben, was herauskommt, wenn man immer wieder überreizt und ein Investor nach dem anderen mit Elan kommt und mit Frust wieder unverrichteter Dinge abzieht.

Apropos:
-> Was bedeutet zu hoch? 1 Meter? 2 Meter? 1/2 Meter? Am Ende muss man doch in ganzen Stockwerken denken, oder nicht?
-> Was bedeutet zu schattig? Gerade in unseren immer wärmeren Sommern werden in der Außengastronomie doch eher die Schattenplätze gesucht, statt praller Sonne?

Mir wäre jetzt eine vernünftige & rasche Lösung jedenfalls lieber, als ein Andechser Hof 2.0 oder ein Seehof 4.0!
(Bearbeitet)
Die Planung finde ich sehr ansprechend, da sich das geplante Haus gut in die umliegende Umgebung einfügt. Vor allem aber sehe ich eine einmalige und unwiderbringliche Chance, durch die erweiterte begehbare Fläche den "Ortskern" neu zu gestalten und zu beleben - das wäre sehr begrüßenswert! Da durch die Sanierung der Hauptstraße sowieso größere Bauaktivitäten anstehen, wäre es großartig, wenn die Gelegenheit genutzt würde, das Ortszentrum für die Bürgerinnen und Bürger als liebens- und belebenswerte Aufenthaltsfläche und nicht nur als Durchfahrtsstraße zu gestalten! Ich bitte die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte inständig, diese Möglichkeit nicht zu vergeben.
Ich würde zukünftig gerne an diesem vermeintlich schattigen Plätzchen sitzen, und darüber sinnieren, was denn damit gemeint ist mit dieser schwammigen Umschreibung "nicht im Interesse von Tutzing"??
Das Gebäude ist nur dann zu hoch, wenn auch nach Jahrzehnten vergeblicher Mühe, ein neuerlicher Versuch gestarten werden soll, das einstmalige Fischerdorf in seiner ganzen Nostalgie wieder herzustellen . Ich freue mich, wenn ich nachvollziehbare und unwiderlegbare Gründe genannt bekomme, warum das nun wirklich Unsinn ist.
Wo soll sich Tutzing hinentwickeln, wenn nicht in die Höhe? In die Breite geht ja nicht dank See auf der einen Seite und Landschaftsschutzgebiet an den Siedlungsrändern.
Bis das geklärt ist, kann ja in der Zwischenzeit der zu erwartende "neue Schandfleck" für Schlagzeilen sorgen. Gedanklich bin ich jetzt schon beim Bürgermeisterwahlkampf 2024. Das Thema ist dann vermutlich immer noch aktuell. An die Gemeinderatswahlen danach gar nicht zu denken. (Ich hoffe inständig, dass ich mich täusche!)
Ich halte den rückwärtigen Baukörper für zu hoch. Außerdem ist der Platz zwischen den beiden Kopfbauten zu allen Jahreszeiten verschattet und deshalb für Tische und Stühle (Cafe) ungeeignet. M.E. eine schwache Planung und nicht im Interesse von Tutzing. Gruß Marchner
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