Obwohl es direkt oberhalb des Bahnhofs liegt, kennen viele Tutzingerinnen und Tutzinger das Beringerheim und den umliegenden Park nicht – wenn überhaupt, dann durch das verbeulte Schild an der Bahnunterführung. Kein Wunder: Über Jahre hinweg war dort eine Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes untergebracht, die vielleicht bewusst im Verborgenen blieb.
2017 erhielt der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) das weitläufige Areal samt Beringervilla vom Bayrischen Verkehrsbeamtenverein – zweckgebunden für gemeinnützige Nutzungen. Die Ankündigungen damals klangen vielversprechend: Ein Inklusionsbetrieb mit Tagungsheim sollten entstehen. Doch diese Pläne wurden bald aufgegeben. Stattdessen wurde die Villa übergangsweise an das Landratsamt zur Unterbringung von Geflüchteten vermietet.
Immerhin eröffnete 2021 im idyllischen Park des Geländes ein Waldhort. Bereits beim ersten Besuch verliebte ich mich in diesen einzigartigen Ort am Waldrand – ein Rückzugsraum in der Natur, den man sich für jedes Kind wünscht. Leider blieb das Glück nur von kurzer Dauer.
Schon im zweiten Jahr traten erste Probleme auf: Personalmangel, reduzierte Betreuungszeiten und Führungswechsel beim ASB setzten dem Betrieb zu. Schließlich kam die überraschende Nachricht: Der Waldhort würde bereits zum nächsten Schuljahr schließen. Eltern, Gemeinde und Unterstützer suchten gemeinsam nach Lösungen – vergeblich. Letztlich scheiterte es wohl vor allem am Geld. Der ASB zog einen Schlussstrich.
Dabei war das Projekt nicht nur ideell wertvoll, sondern auch mit erheblichen Investitionen verbunden: Zwei nagelneue Bauwägen im Wert von jeweils rund 80.000 Euro standen im Zentrum des Konzepts. Der zweite Wagen wurde zur Hälfte aus dem Gemeindebudget gefördert und von Eltern und Großeltern sammelte der ASB private Spenden für die Beschaffung.
Was aus den Wägen werden sollte, blieb unklar. Ideen gab es viele: eine Elterninitiative, Nutzung durch andere Horte, Ferienprogramme. Doch nichts davon wurde realisiert. Umso überraschter war ich, als ich kürzlich bei einem Spaziergang an dem versteckten Ort oberhalb des Bahnhofs vorbeikam – und alles noch so dalag wie am letzten Betriebstag. Die Villa und die Bauwägen ungenutzt, die Kiste mit Fundsachen noch an Ort und Stelle, der Sitzkreis um die Feuerstelle unberührt. Als sei alles in einen Dornröschenschlaf gefallen.
Natürlich steht es dem ASB frei, über sein Eigentum zu verfügen. Doch angesichts der öffentlichen Förderung und des gemeinnützigen Auftrags sind die Fragen legitim: Warum stehen die Wägen hier seit zwei Jahren ungenutzt? Und was ist eigentlich aus dem Projekt für das gesamte Areal geworden?
Die Informationslage ist dürftig. Die letzte auffindbare Online-Meldung stammt von Oktober 2023 und berichtet lediglich, dass die Geflüchteten zwischenzeitlich wieder ausziehen mussten.
Die Villa selbst ist sanierungsbedürftig, das ist offensichtlich. Dennoch hat der ASB das Areal 2017 übernommen – mit dem Ziel einer gemeinnützigen Nutzung. Der entsprechende Hinweis ist bis heute auf einer Steintafel am Eingang des Anwesens zu lesen. Doch was dort aktuell passiert und geplant ist, bleibt unklar. Öffentlich bekannt gemachte Pläne fehlen.
Ein Verkauf des Grundstücks, das sechs Hektar umfasst und über Seeblick verfügt, wäre auf dem freien Markt sicher lukrativ. Doch das Gelände wurde damals mit gemeinnütziger Zweckbindung überlassen.
Natürlich wäre eine Wiederbelebung der Bauwägen und des Waldhorts weiterhin für viele Eltern und Kinder ein riesiger Gewinn. Noch wertvoller aber wäre eine sinnvolle Nutzung des gesamten Geländes und der Villa im Sinne der Tutzinger Bürgerinnen und Bürger. Der ISEK-Prozess zeigt eindrücklich, wie knapp die Flächen in Tutzing sind. Überlegungen, einen Fußballplatz für ein Feuerwehrhaus zu opfern, belegen die Dringlichkeit.
Auch wenn das Gelände dem ASB gehört, sollte die Gemeinde nichts unversucht lassen, um es im Sinne des ursprünglichen Ziels – einer echten, gelebten Gemeinnützigkeit und öffentlichen Zugänglichkeit – wiederzubeleben.
Kommentar hinzufügen
Kommentare