Kommentar
9.6.2025
Von Dr. Jochen Wagner

Wer beim Preßschlag zögert, tut sich weh!

Kommentar zum Konflikt zwischen sportlichen Angeboten und baulicher Entwicklung rund ums Würmseestadion

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„Die bauliche Entwicklung der Flächen rund um das Würmseestadion für gemeindliche Zwecke soll weiter vorangetrieben werden.“ Diese Formulierung hat der Gemeinderat am Dienstag als Ziel ins Tutzinger Stadtentwicklungskonzept ISEK aufgenommen. Ergänzt wurde gleichzeitig, dass die bestehenden sportlichen Angebote von ortsansässigen Vereinen und aktiven Gruppen langfristig "erhalten und weiter gestärkt werden“ sollen.

Wie soll das gehen? Die diversen konkurrierenden Bauvorhaben‚ Wohnungen, Feuerwehr und/oder die umkämpften Bedürfnisse des TSV Tutzing, in concreto: der von 400 FußballerInnen und 100 LeichtathletInnen stark frequentierte Hartplatz im Verbund mit Stadion und Südbad-Platz? Der Selbstwiderspruch zerrt an der meist betonharten, mitunter Rasenbüschel punktierten Sandpiste. Aber ohne Hartplatz, zumal er sogar Flutlicht hat, ginge gar nix, waren bislang auch der Stadion Rasenplatz und das Südbad Stolperterrain oft verwildert, ungepflegt, zuletzt mit Splitt statt nur Sand am Südbad unspielbar gemacht.

Ohne Nachbarschaftshilfe auf umliegenden Spielplätzen hätte Tutzing den reichen Spielbetrieb gar nicht aufrecht erhalten können. Es ist aus sportlicher, dem Verein seiner kommunalen Sicht nach und erst recht gemäß seiner singulären sozialen Bedeutung evident, dass es zum Erhalt des architektonischen Ensembles der drei Plätze samt Tartanbahn k e i n e Alternative gibt.

Wenn nun trotzdem wieder und wieder Baumaßnahmen priorisiert werden sollen, dann kommt dies fußballerisch gesprochen einer ‚Blutgrätsche‘ gleich. So ein, noch dazu von einer Zukunftsexpertise ermuntertes Foul kann aus argumentativer Notwehr nur mit einem so genannten ‚Preßschlag‘ erwidert werden. Wie man weiß, tut darin sich weh, wer zögert. Doch im 16er, in der Box, wie man neudeutsch zum Strafraum sagt, ist es für Zärtlichkeit ohnehin zu spät. Der oben genannte Satz filetiert jede 3er, 4er oder 5er Abwehr-Kette.

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Der reiche Spielbetrieb hat sportliche, kommunale und erst recht soziale Bedeutung
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Hände weg vom Hartplatz!

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Sport auf dem stark frequentierten Hartplatz, gleichzeitig diverse konkurrierende Bauvorhaben dort oder direkt daneben: Wie soll das gehen? © Fotos: TSV Tutzing / L.G.

Wir vom Gesamtverein müssen also in Kauf nehmen, am Ball vorbei unsere Interessensgegner zu treffen. Unser strategisches Foul ist jedoch zwingend geboten, um die Dringlichkeit der Situation anzuzeigen. Wir richten uns mit dem für das Alltagsleben von ganz Tutzing unverzichtbare Gemeinwohl wiederum an den Gemeinderat: Hände weg vom Hartplatz! Unsere Paßvorlage insistiert darauf, dass jedwede andere Lösung ein veritabel viel größeres Problem gebiert. Wohin sollen denn die 500 SportlerInnen mit ihrer Passion? Was wohl wäre, nimmt man zum Beispiel den Seglern den See. Sollen sie doch wo anders, meinetwegen an Land segeln?

Zukunft hat nur der von vielen Familien leidenschaftlich betriebene Amateursport. Motivieren für die Zukunft würde etwa eine ‚Metamorphose‘ des Hartplatzes zu einem modernen Kunstrasen, nach dem seine planierte Fläche geradezu schreit.

Nochmals grundsätzlich: Sport, vom englischen disport, dient dem Vergnügen. Schon Immanuel Kant, so in seiner Kritik der ästhetischen Urteilskraft, hat im Sport eine leutselige Lust am Zusammenleben und sein Schönes sehr modern klassifiziert: als zweckfreies, interesseloses Wohlgefallen, wo es einmal n i c h t um Profit oder Macht geht. Hallo Ehrenamt! Nicht zufällig teile der Sport sogar die Frage der Religion: was dürfen wir hoffen?

Nun wird aus einem Schachbrett oder Sandkasten oder Bolzplatz durch’s Kinderspiel noch kein Platz des himmlischen Friedens. Aber ohne diesen leutseligen Freiraum der Sportplätze zwingt man die Kids zur Käfighaltung – oder wie war das neulich, bei Corona? Der Spieler ist der Gegenentwurf zum Soldaten. Das Spiel das Gegenmodel zum Krieg. Im Sport kann man nur miteinander gegeneinander spielen. Wo gibt es einen besseren Boden zur Solidarität? Wo einen bessren Circuit als Gleichnis für ein rundes Leben als im Stadion? Wer einen Ball aufpumpt, kann nicht zugleich ein Gewehr durchladen. Bleiben wir am Ball, habemus Fortuna.

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Vielleicht könnte der TSV Tutzing etwas bewirken, wenn er eine klare Wahlempfehlung ausspricht?

Inzwischen sollte sogar allen an der Kommunalpolitik komplett Uninteressierten klar geworden sein, wen man bei der Kommunalwahl 2026 nicht wählen darf, wenn im Ort die Verschlechterung der Angebote für junge und mittelalte Bevölkerungsgruppen verhindert werden soll.
Sehr geehrter Herr Dr. Wagner,

vielen Dank für die informativen und sehr anschaulich geschriebenen Artikel. Ich gebe Ihnen Recht, dass Sport für Kinder und Erwachsene, insbesondere in unserer Zeit, absolut wichtig ist für das Gemeinwohl. Bis zur Bürgerwerkstatt im März im Rathaus war mir (und auch einigen anderen Mitgliedern im Gemeinderat) nicht bewusst, wie sehr der Hartplatz anscheinend genutzt wird. Ich habe ihn bisher nicht in Benutzung gesehen, aber vielleicht komme ich auch immer zu falschen Zeiten vorbei. Anscheinend ist der Platz ja fest in den Trainingsablauf eingeplant. Schön wäre es, eine Aufstellung zu sehen, wie häufig er wirklich im Zusammenhang mit Vereinssport genutzt wird. Für mich persönlich hat das im Ziel beschriebene Ziel: "die bestehenden sportlichen Angebote von ortsansässigen Vereinen und aktiven Gruppen langfristig "erhalten und weiter gestärkt werden“ absolut im Vordergrund. Ich persönlich präferiere übrigens auch, die Feuerwehr wer an dem Platz zu belassen, wo sie jetzt ist. Bleibt zu hoffen, dass eine Sanierung bzw. ein Neubau an seiner jetzigen Stelle realisierbar ist.

Mit besten Grüßen

Bernd Pfitzner