Gemeindeleben
23.1.2018
Von vorOrt.news

Jugend-Power beim Abschied von der Pfarrerin

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Die Christuskirche war voll besetzt © L.G.

Ulrike Wilhelm war sich sicher: „In diesen Kirchenräumen habe ich immer wieder Gott getroffen“, sagte die evangelische Pfarrerin von Tutzing und Bernried am Sonntag bei ihrem Abschiedsgottesdienst in der Christuskirche - um sich dann schnell zu verbessern: „Nein - er mich.“ Sie glaubte das sogar belegen zu können. Einmal sei bei der Beerdigung eines Säuglings über dessen Sarg plötzlich ein Schmetterling auf und nieder geflattert. Bei einer anderen Gelegenheit habe sie sich 400 Euro Spenden für eine Altarbibel gewünscht - und 401 Euro seien es dann gewesen.

Es war ein festlicher Abend: Erst der Abschiedsgottesdienst mit rund 200 Besuchern in der Kirche und weiteren Gästen nebenan im evangelischen Gemeindehaus, dann ein Empfang im Roncalli-Haus der katholischen Pfarrgemeinde. Besser hätte man die Ökumene nicht demonstrieren können, für die Tutzing bekannt ist und die Pfarrerin Wilhelm zusammen mit dem katholischen Pfarrer Peter Brummer engagiert vorangetrieben hat.

Immer wieder wurde an diesem Abend auf die gute Zusammenarbeit der Konfessionen in dieser Gemeinde hingewiesen. Die Feiern zum Reformationsjubiläum im vorigen Jahr, bei denen dies besonders eindrucksvoll war, sind für Ulrike Wilhelm ein Highlight ihrer Tutzinger Zeit. Die Ökumene in Tutzing bezeichnete sie als „sensationell gut“.

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Das Abendmahl brachte Ulrike Wilhelm ins Gemeindehaus © L.G.
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Tutzinger Ökumene: "Wir sind ein Stück weit weiter gegangen"

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Zwei Tutzinger Pfarrer: Udo Hahn (li.) und Peter Brummer © L.G.

Pfarrer Brummer sagte dazu: „Die Ökumene haben wir zwei nicht erfunden, aber wir sind ein Stück weit weiter gegangen, und die nächsten werden auch ihren Teil tun.“ Dabei erinnerte er an die früheren Tutzinger Pfarrer Hans Marquard auf katholischer und Rudolf Kutzenberger auf evangelischer Seite. „Du bist weit mehr als ein Kollege“, gab Ulrike Wilhelm zurück, „und du bist ein guter Freund geworden.“ Die Priorin des Tutzinger Klosters, Ruth Schönenberger, sagte unter geradezu jubelndem Beifall: „Schön, dass Du eine Pfarrerin bist - das macht uns Katholiken Mut.“

Nach Annäherung eher auf evangelischer Seite klang aber auch, was Udo Hahn, der Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, sagte: „Die Verbindung zwischen der Evangelischen Akademie und der Kirchengemeinde hat sich neu aufgeschwungen.“ Gleich nach ihrer Ankunft in Tutzing vor zwölf Jahren habe Ulrike Wilhelm ihn ganz vorsichtig gefragt, ob er vielleicht gelegentlich bereit sein würde, auch mal einen Gottesdienst in der Kirche zu halten. Er scheint sich über die behutsame Art der Fragestellung gewundert zu haben: Für ihn, sagte er, sei das eine pure Selbstverständlichkeit gewesen. Mittlerweile hält er regelmäßig Gottesdienste in der evangelischen Kirchengemeinde ab. So sei es zu einem Verbund von Akademie und Kirche gekommen, sagte er am Rande, der zuvor lange nicht so bestanden habe. Für ihn scheint das einfach dazu zu gehören: „Wir leben ja im Ort, wir sind Teil dieser Gemeinde.“ So führte er auch gut gelaunt als Moderator durch das Programm im Roncalli-Haus.

Kommunalpolitik und Kirche: "Die Zusammenarbeit war großartig"

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Vizebürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg (re.) und Gemeinderätin Stefanie von Winning © L.G.

Das gute Miteinander lobten auch Vertreter der beiden politischen Gemeinden. „Die Zusammenarbeit mit Dir war großartig“, schwärmte Tutzings amtierende Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg, „immer unproblematisch, immer ein offenes Ohr.“ Zwei „hinreißende“ Predigten der Pfarrerin bei zwei Fischerhochzeiten werde sie nie vergessen. Dörrenberg erinnerte sich auch noch gut daran, wie sich eine zunächst skeptische Stimmung zu den Flüchtlingen, als in Tutzing die Zelte aufgebaut wurden, aufgrund einer behutsamen Rede von Ulrike Wilhelm zum Positiven wandelte. Sie finde immer die richtigen Worte, bestätigte Josef Steigenberger, der Bürgermeister der Gemeinde Bernried - und fügte ein wenig neckisch hinzu: „Du hast uns nie spüren lassen, dass wir quasi das fünfte Rad am Wagen sind.“

Ulrike Wilhelms neuer Wirkungsort Garmisch-Partenkirchen sei „der Ort, an dem sie ihrer Seelenlandschaft noch ein wenig näher rückt“, sagte Dekan Axel Piper. Die Pfarrerin selbst sah da durchaus gewisse Bezugspunke zu Tutzing: „Wer herauf will zu unserer Christuskirche, muss erst einen Berg besteigen.“ Es ist ein Moränenhügel, wie sie hinzufügte - nicht die Alpspitze, auf der sie bei einem Gottesdienst ein Streichquartett spielen lassen will Streichquartett auf der Alpspitze Aber auch beim Abschiedsgottesdienst gab es Musik der besonderen Art.

Ein selbst komponiertes Lied von Ulrike Wilhelm beim Gottesdienst

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Gut gelaunter Moderator, harmonische Klänge: Udo Hahn und der evangelische Kirchenchor © L.G.

Flott und beschwingt, teils jazzig war die Begleitung durch Anna Peszko (Orgel), Johannes Hogl (E-Bass, Gitarre) und Thomas Bouterwek (Saxophon) - vermutlich eine Verbeugung vor der Musikerin Ulrike Wilhelm, die selbst in einer Bank „Makaruli“ mitspielt und singt. Beim Gottesdienst trug der evangelische Kirchenchor sogar ein von ihr selbst komponiertes und getextetes Stück „Lass dich tragen“ vor, dessen Satz Chorleiter Ulrich Graf von Brühl-Störlein beigetragen hat. Am Schluss gab’s „Go tell it on the mountain“ - sozusagen eine passende Begleitung direkt auf die Berge. Später, beim Empfang im Roncalli-Haus, fügte eine Gruppe dann noch ein musikalisches Schmankerl der besonderen Art hinzu: den „Cup-Song“ - „extra für dich“, sagte Brühl-Störlein zur scheidenden Pfarrerin. Die Koordinationsübung gelang gut und wurde von den Besuchern entsprechend bejubelt.

"Wir Pfarrer geben der Kirche ein Gesicht"

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Vorbereitung zum Wohlfühlen in Garmisch: Ulrike Wilhelm und ihr Mann Karl bekamen einen Liegestuhl und ein Gingko-Bäumchen geschenkt © L.G.

„Viele sind traurig, und wir werden Sie vermissen“, sagte zu Ulrike Wilhelm Gudrun Willbold, die stellvertretretende Vorsitzende des Kirchenvorstands. Ihr übergab die scheidende Pfarrerin symbolisch die Schlüssel für die Kirche mit den Worten, ein Pfarrer habe eine gewisse Schlüsselposition: „Wir geben der Kirche ein Gesicht.“ An den Pfarrern liege es oft, ob die Tür einer Kirche für Menschen aufgehe oder verschlossen bleibe. Sie deutete aber auch an, dass dies durchaus auch umgekehrt gilt: Dem Kirchenvorstand dankte sie für viel Rückhalt bei ihrer Scheidung vor sieben Jahren.

Auch Gäste von auswärts waren gekommen, unter ihnen Peter Sachi, Pfarrer in Oberammergau und Senior im Dekanat Weilheim. „Ich komme auch gern herunter“, witzelte er, darauf anspielend, dass Oberammergau mehr als 100 Meter höher liegt als Garmisch. Auch Django war in Tutzing dabei. Ulrike Wilhelm hat ihn vor 27 Jahren in der Münchner Kirche St. Lukas bei der Obdachlosenarbeit kennengelernt. Damals kam seine Tochter mit nur 850 Gramm Gewicht auf die Welt - und sie ist, wie die Pfarrerin erzählte, zu einer hübschen jungen Frau herangewachsen, die im Tutzinger Tabaluga-Heim lebt.

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Viele verabschiedeten sich persönlich von der beliebten Pfarrerin © L.G.

Die evangelische Jugend bedankt sich pfiffig: "Ein Hoch auf Uli"

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Da ging die Post ab: Die Jugendgruppe in ihrem Element © L.G.

Eine 15-köpfige Jugendgruppe brachte musikalische Power ins Roncalli-Haus. Ulrike Wilhelm hatte sich schon in ihrer Tutzinger Anfangszeit für die Gründung eines evangelischen Gemeindevereins eingesetzt und es mit dessen finanzieller Hilfe geschafft, seit 2008 einen Jugenddiakon mit einer halben Stelle für die Kirchengemeinde zu finanzieren. Daraus ist ein umfangreiches Programm der evangelischen Jugend geworden, dessen Angebote wie Freizeiten, regelmäßige Treffs und Veranstaltungen über die Jahre schon von 400 bis 500 jungen Leuten wahrgenommen worden sind, wie Anja Richter-Winkelmann und Peter Grampp vom Vorstand des Vereins berichteten. Die jungen Leute dankten pfiffig mit einem eigenen Text auf Andreas Bouranis Hit "Auf uns", den alle Besucher mitsangen: "Ein Hoch auf Uli, ohne die es die EJ sonst nicht gäb".

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Zu Andreas Bouranis Song sangen alle Besucher ein Hoch auf Uli Wilhelm © L.G.
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Erinnerungen an gemeinsame Gemeinderats-Zeiten: Dr. Toni Aigner (li.) und Martin Siebert, der eigens nach Tutzing gekommen war © L.G.
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Ulrike Wilhelm war im Roncalli-Haus eine gesuchte Gesprächspartnerin © L.G.
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Mit angeregten Gesprächen klang der Abend aus © L.G.

„Ich weiß, es fällt Ihnen schwer, sie gehen zu lassen“, sagte Dekan Piper zu den Tutzingern. Die Renovierung der Kirche sei wunderbar gelungen. Piper erwähnte etliche ihrer Aktivitäten, so eine Initiative „gegen rechts“. Für das ganze Dekanat sei sie eine wichtige Ratgeberin geworden, auch als Vertrauensfrau des Kapitels und als Landessynodalin. Ulrike Wilhelm selbst machte am Schluss eher in Understatement. Für Ordnung gesorgt habe im Pfarramt vor allem ihre Sekretärin Elke Wölfel: „Ich bin nämlich gar nicht so strukturiert, wie ich vielleicht wirke.“

Quelle Titelbild: L.G.
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