Ein Kurpark statt eines Hotels sollte das Tutzinger Seehof-Gelände werden: Das ist einer der vielen Wünsche, Anregungen und Kritikpunkte, die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens für das Areal in der Nähe des Dampferstegs vorgebracht worden sind. Lydia Knözinger-Ehrl vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München hat sich eingehend mit den zahlreichen Stellungnahmen von Bürgern und Behörden befasst und am Dienstag im Bau- und Ortsplanungsausschuss des Gemeinderats detailliert über die einzelnen Aspekte berichtet. Dem Plädoyer für einen Kurpark erteilte sie eine klare Absage: „Wir haben das Baurecht zu berücksichtigen.“
Die Behandlung des Themas mitten in der Ferienzeit hat damit zu tun, dass die Sache eilt: Noch liegt auf dem Seehof eine baurechtliche Veränderungssperre, doch deren Frist läuft im Oktober ab. Die Gemeinde muss bei diesem langwierigen Bebauungsplanverfahren also schnell zu einem Ergebnis kommen.
Auf diesem Weg hat der Ausschuss am Dienstag Fortschritte gemacht: Für all die Abwägungen zu den diversen Stellungnahmen, die die Planerin vorgetragen hat, gab es einen einstimmigen Beschluss des Ausschusses.
Doch damit ist das Ziel noch nicht endgültig erreicht. Im Verlauf des Verfahrens sind nämlich Probleme aufgetaucht, die bisher noch nicht gelöst sind. Dabei geht es zum einen um den Immissionsschutz, denn Geräusche des Hotels und der benachbarten Evangelischen Akademie im Tutzinger Schloss werden voraussichtlich zu bestimmten Zeiten zusammentreffen. Zum anderen gibt es Befürchtungen um den Baumbestand auf dem Seehof-Gelände.
Stadtplaner sieht Chancen für ein "neues Zentrum mit öffentlichem Charakter"
Derzeit laufen zu diesen Themen Untersuchungen und Berechnungen, deren Ergebnisse aber bei der Sitzung am Dienstag noch nicht vorlagen. Sollten sie in nächster Zeit fertig sein, wie die Verantwortlichen der Gemeinde und des Planungsverbands hoffen, dann könnte bei der nächsten Sitzung des Bauausschusses am 28. September der Satzungsbeschluss im Seehof-Bebauungsplanverfahren gefasst werden. Der für die Gemeinde tätige Rechtsanwalt Dr. Volker Gronefeld hält dies für möglich, wie er in der Sitzung zu erkennen gab. Bürgermeisterin Marlene Greinwald war anzusehen, wie gern sie dieses langwierige Verfahren endlich abgeschlossen sehen möchte.
Die vor einigen Monaten vorgestellte Plankonzeption für das Seehof-Areal war im Gemeinderat gut angekommen. Stadtplaner Prof. Florian Burgstaller präsentierte sie als Möglichkeit, Tutzing zum See hin zu weiten und den Bereich vom Dampfersteg bis hinauf zur Hauptstraße zu einem „neuen Zentrum“ mit öffentlichem Charakter zu entwickeln. Der Bebauungsplanentwurf sieht vier dreigeschossige Gebäude nebeneinander auf dem Grundstück vor, die für 80 bis 90 Hotelzimmer sowie - ganz im Westen - für Mitarbeiterwohnungen Platz bieten sollen. Die gesamte Geschossfläche soll rund 5200 Quadratmeter erreichen, ähnlich viel, wie das alte Baurecht zugelassen hat. Der Gebäudekomplex soll auf der See- und der Schlossseite von großzügigen Promenaden und Plätzen umgeben werden, die sich am Uferbereich von der Marienstraße über den Dampfersteg und den Biersteg, am Schloss entlang und bis zur Hauptstraße erstrecken. Um möglichst viel Platz für öffentlichen Raum zu gewinnen, haben die Planer die vier Gebäude relativ weit in den Norden des Seehof-Grundstücks gerückt. Neben dem Dampfersteg soll eine kleine Gastronomie die Form von Bootshäusern haben.
Zwei Problemfelder: Immissions- und Baumschutz
Die noch zu klärenden Problemfelder hängen mit der Nachbarschaft des Seehofs und der Evangelischen Akademie zusammen. Durch zwei Aktivitäten der Akademie könne es gegebenenfalls zu Überschreitungen der Immissions-Richtwerte kommen, sagte die Planerin: Lieferverkehr in den Morgenstunden und den Parkplatz am Nordtor. Deshalb berechnen Experten nun noch einmal alles genau, so auch wegen des Bestandsschutzes der Akademie. Auch organisatorische und bauliche Lösungen wären denkbar, etwa Anlieferungen zu anderen Zeiten oder die Errichtung einer Schallschutzmauer. Doch das alles gilt eher nicht als erwünscht. Unter Bezug auf die historisch gewachsene Situation und eine „friedliche Koexistenz“ des alten Seehof-Hotels und der Akademie über Jahrzehnte verwies die Planerin auf einen anderen Weg: Es gebe die Möglichkeit einer Abwägung, ob eine Überschreitung der Richtwerte in geringem Maß möglich sei. Sie betonte aber, dass es für die Nachbarn keine Überschreitungen geben werde. Die „scheinbare“ Überschreitung werde sich auch ausschließlich auf die Nachtstunden beziehen: „Tagsüber werden die Immissionsschutzwerte eingehalten.“
In Hinblick auf den Baumschutz gibt es Befürchtungen, die Bebauung rücke zu nah an den Baumbestand heran. Dazu sagte Knözinger-Ehrl: „Die Baukörper halten Abstand so groß wie die Baumkrone.“ Es gebe Möglichkeiten zum Schutz der Bäume: „Man muss keine Befürchtung haben, dass sie Schaden leiden.“
Planerin: "Sorgfältige Abwägung aller Belange"
Aus der Bevölkerung, besonders auch von Nachbarn, waren etliche Kritikpunkte und Anregungen eingegangen. Man habe eine sorgfältige Abwägung aller Belange vorgenommen, sagte Lydia Knözinger-Ehrl, die selbst Behörden-Erfahrung hat, so aus einer vierjährigen Tätigkeit in der Unteren Bauaufsicht des Landratsamts Starnberg. „Da wurde viel Arbeit reingesteckt“, sagte sie über die Prüfung der Stellungnahmen zum Seehof. In der Bauausschuss-Sitzung ging sie auf die einzelnen Aspekte detailliert ein:
Kritik wegen geringer Abstandsflächen
Eine „gewisse Engstelle“ durch Verkürzung der Abstandsflächen an einer Stelle begründete die Planerin mit der Baumasse, die unterzubringen sei, weil es gegenüber dem früheren Bebauungsplan keine Baurechtminderung geben dürfe. Die Rechtsgrundlage hierfür enthalte der Paragraf 9 des Baugesetzbuchs.
Forderungen nach Orientierung der Gestaltung am Schloss
Nach Angaben der Planerin sind auch Forderungen eingegangen, sich bei der Gestaltung am Schloss zu orientieren. Dies sei im Rahmen eines Bebauungsplans nicht möglich, erklärte sie.
Einfügung der Anlage in die Umgebung
Bedenken sind auch vorgebracht worden, die Gebäude fügten sich nicht in die Umgebung ein. Darüber habe es ausgiebige Beratungen gegeben, sagte die Planerin. Sie erläuterte, dass gegenüber fünf möglichen Geschossen nach dem alten Bebauungsplan nun eine dreigeschossige Bebauung vorgesehen sei.
Wertminderung der Nachbargebäude befürchtet
Sorgen gab es wegen einer Wertminderung der Nachbargrundstücke durch geringen Abstand zu den neuen Baukörpern und unzureichende Besonnung. Die Abstandsflächen seien ausreichend, hielt die Planerin entgegen. Man sei sogar weiter abgerückt als erforderlich. Auch die Besonnung sei gewährleistet.
Sorgen wegen Verkehrsbelastung und zu weniger Stellplätze
Kritik gab es auch wegen einer erwarteten Steigerung des Verkehrsaufkommens. Dazu sagte Knözinger-Ehrl, auf diesem Standort habe es mit einem rechtskräftigen Bebauungsplan über Jahrzehnte schon ein Hotel gegeben: ‚Wir planen ja nicht von der grünen Wiese weg.“ Mit dem neuen Bebauungsplan und einem Stellplatzschlüssel habe man einen „sehr tragfähigen“ Weg gefunden, weniger Verkehr in das Plangebiet zu ziehen und einem Verkehrschaos entgegenzuwirken. Ein weiterer Vorwurf lautete, es gebe zu wenig Stellplätze. Gegenüber dem alten Bebauungsplan werde es in dieser Hinsicht eine Verbesserung geben, sagte die Planerin dazu. Man habe die abzusehenden Verkehrsbewegungen und die Zielgruppen genau untersucht. Nicht alle Gäste würden mit dem Auto anreisen, viele zum Beispiel auch mit dem Schiff oder mit dem öffentlichen Personennahverkehr.
Vorhaltungen wegen falscher Gebietseinstufung
Ein weiterer Kritikpunkt war, für das Projekt gebe es in Hinblick auf den Emissionsschutz eine falsche Gebietseinstufung. Dazu sagte die Planerin, es handele sich um ein Sondergebiet, und für ein solches gebe es zunächst keine Emissions-Richtwerte: „Man hat sich an den Emissionsrichtwerten eines Mischgebiets mit einem Abschlag orientiert.“ Für die Nachbarschaft sei keine Überschreitung der Emissionsrichtwerte zu erwarten, versichert sie.
Geruchs-Emissionen befürchtet
Geruchs-Emissionen befürchten Kritiker aufgrund von Abfall. Laut Knözinger-Ehrl sieht der Bebauungsplan keine Fläche für Abfallentsorgung vor. Im Untergeschoss werde es aber geeignete Flächen geben, von denen der Abfall abgeholt werden könne. Es liege im Eigeninteresse des Hotelbetreibers, keine Geruchs-Emissionen durch Müll entstehen zu lassen.
Sorge wegen Überschwemmungen des Bareislgrabens
Durch Starkregen, so eine weitere vorgebrachte Sorge, könne es zu Überschwemmungen des Bareislgrabens kommen. Dem hielt die Planerin entgegen, der Bareislgraben werde durch die Anordnung der Baukörper sogar besser zugänglich sein als bisher. Deshalb werde auch die Gemeinde ihre Arbeiten besser erledigen können. Ein Ingenieurbüro habe den Zustand des Bareislgrabends überprüft und festgestellt, dass alles intakt sei: „Eine Überschwemmung wird verhindert werden können.“
Warnung vor zu starker Versiegelung
Zuviele Flächen würden versiegelt werden, lautete ein weiterer Punkt. Die Entwässerung werde problematisch sein. Knözinger-Ehrl widersprach: Gewisse Flächen würden sogar entsiegelt werden. Der Abwasserverband Starnberger See habe bereits einen Anschluss an den Niederschlagswasserkanal in der Schlossstraße signalisiert. Der Verband hat nach Angaben der Planerin außerdem auf ein Rückhaltekonzept für großflächige Baumaßnahmen hingewiesen.
Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Hotelkonzepts
Kritiker argwöhnten, das Konzept werde nicht tragfähig sein, dem Hotelbetreiber drohe eine Insolvenz. Durch Analysen im Vorfeld hält die Planerin solche Befürchtungen für widerlegt.
Maßnahmen gegen Vogelschlag sowie zum Schutz von Insekten und Fledermäusen
Von den Behörden habe es nicht allzu viele Stellungnahmen gegeben, sagte Knözinger-Ehrl. Eine artenschutzrechtliche Beurteilung und eine Verträglichkeitsabschätzung durch einen Diplombiologen seien aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde völlig in Ordnung. Angeregt habe diese Behörde aber Maßnahmen wegen des Vogelschlags, so größere Fensterscheiben und spezielle Gläser, sowie zum Insekten- und Fledermausschutz eine Eindämmung der Lichtemissionen.
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Kommentare
Reine Schönfärberei !
Warum müssen bei einem so großen Grundstück die Baukörper und Freiflächen genau so aufgeteilt werden, dass der Baumbestand bedrängt und letztlich mittelfristig zerstört wird ?
Der vollständige und dauerhaft versehrte Erhalt eines Baumes im ober- und unterirdischen Bereich ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn Eingriffe in einem Abstand von mindestens 1,5 Meter von der Kronentraufe durchgeführt werden.
Die "Möglichkeiten", die Knözinger-Ehrl im Sinn hat, bedeuten ein erhebliches Risiko und letztlich reines Glück für den Fortbestand des Baumbestandes.: u.a. Schimmelbefall und Austrocknen der Wurzeln sind vorprogrammiert.
Zudem wirkt der Baumbestand gerade damit, weil er frei steht. Jeder Baumbestand braucht auch eine Freifläche zum Entfalten.