Wirtschaft
5.9.2021
Von vorOrt.news

Wegzug von Tutzing nach 70 Jahren

Firma Steinmüller siedelt sich auf dem neuen Wielinger Gewerbegebiet an

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Ute und Jürgen Steinmüller im "Showroom" ihres neuen Firmengebäudes direkt an der B2 im Wieliger Gewerbegebiet

Jürgen Steinmüller hat es eher per Zufall entdeckt: Mit seinem Unternehmen ist er auf den Tag genau 70 Jahre nach der Firmengründung umgezogen. Am 1. August 1951 hatte sein Vater die Stickerei gegründet, und seit dem 1. August 2021 ist das Unternehmen in seinem neuen Gebäude auf dem Wielinger Gewerbegebiet ansässig.

Steinmüller, der die Firma zusammen mit seiner Frau Ute leitet, versichert es immer wieder: Er wäre nur allzu gern in Tutzing geblieben. Seit der Gründung war der Betrieb im selben Gebäude am Pauliweg tätig, das einst das Wohnhaus seiner Eltern war. Die Geschäfte dehnten sich immer mehr aus, der beengte Platz wurde bis zur letzten Ecke ausgenutzt. „Viele Sachen haben wir gar nicht mehr gefunden“, witzelt Steinmüller. Das hat sich nun mit dem Neubau grundlegend geändert.

Neuer Auftrag: Steinmüller beliefert die Autostadt in Wolfsburg

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Jürgen Steinmüller schaut zufrieden hinauf: Viel Platz ist nun im neuen Gebäude - ganz im Gegensatz zum bisherigen Firmensitz am Pauliweg in Tutzing

Gerade in den vergangenen beiden Jahrzehnten hat die Firma, äußerlich kaum erkennbar in ihrem beschaulichen Tutzinger Haus, ein rasantes Wachstum hingelegt. Zuletzt hat die Corona-Pandemie ihre Geschäftsentwicklung gebremst, doch an ihrer erreichten starken Marktposition ändert das nichts. Heute beliefert sie als angesehener Spezialist hunderte von Kunden vor allem mit Arbeits- und Sicherheitskleidung, die mit Farbe, Gestaltung und Logo jeweils ganz auf das jeweilige Erscheinungsbild – die „Corporate Identity“ (CI) – abgestimmt ist.

Bekannte und große Unternehmen sind unter den Kunden. Erst jüngst hat Steinmüller einen Großauftrag des Volkswagen-Konzerns für die Autostadt Wolfsburg erhalten, um den sich auch das Unternehmen Trigema aus Baden-Württemberg beworben hatte. Ein weiterer neuer Auftrag ist von Mercedes für alle deutschen Lastwagen-Standorte dazu gekommen. Zu den Großabnehmern gehören auch der Elektronikkonzern Bosch und der Autohersteller Porsche. Aber genauso sind ganz kleine Unternehmen, Vereine, Artzpraxen und Feuerwehren unter den Kunden, viele in der hiesigen Gegend. Um von der Industrielastigkeit wegzukommen, würde Steinmüller gern noch viel mehr für kleinere Abnehmer, von Vereinen bis zu Firmen, arbeiten, denen er günstige Preise und persönliche Beratung verspricht. An eigenen Stickmaschinen erledigen Mitarbeiter auch Kleinaufträge, wenn beispielsweise nur ein paar T-Shirts mit Logo benötigt werden.

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Neuer Auftrag: Ute Steinmüller mit einem Pulli für die Autostadt in Wolfsburg
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Schon lange beliefert Jürgen Steinmüller mit seiner Firma den Elektronikkonzern Bosch

Ausgeklügeltes Warenwirtschaftssystem

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Vom neuen "Showroom" aus hat man einen weiten Blick aufs unverbaubare Umfeld

Bei den großen Stückzahlen läuft die Arbeit digitalisiert mit einem ausgeklügelten Warenwirtschaftssystem ab. Mit einer Plattform für die ausgefeilte technische Abwicklung ist Steinmüller in einer führenden Position. Die Kunden können sich eigene „Shops“ erstellen lassen. Für sie ist alles vorbereitet, sie können dann je nach aktuellem Bedarf und Budget einige wenige oder auch sehr viele Stücke bestellen.

Von vier Lieferanten in Bangladesh, Dakar und der Türkei bezieht Steinmüller die Bekleidung. Angesichts der vielen Kritik wegen Ausbeutung der Mitarbeiter in solchen Regionen legt Jürgen Steinmüller für seine dortigen Partnerfirmen die Hand ins Feuer: „Wir haben zu ihnen langjährige Kontakte, besuchen sie regelmäßig und vertrauen ihnen.“ Die Firma Steinmüller gehört auch dem „United Nations Global Compact“ an, der soziale, ethische und ökologische Maßstäbe in der Weltwirtschaft durchzusetzen versucht. Der Lieferant in Bangladesh beispielsweise unterhält nach Steinmüllers Angaben ein eigenes Gesundheitszentrum, und er bietet seinen Mitarbeitern Bildungsmöglichkeiten. Die Beschäftigten der Lieferanten würden für dortige Verhältnisse einigermaßen gut bezahlt, sagt Steinmüller. Um das alles gewährleisten zu können, will er nicht jedem Preisdruck von Kunden nachgeben. „Da gibt es keine Kompromisse“, versichert er.

Jahrelange vergebliche Suche nach einem neuen Standort in Tutzing

Schon seit vielen Jahren war klar: Die Neuausrichtung von Steinmüller und ein zeitweise sehr starkes Wachstum des Unternehmens machten einen Umzug unumgänglich. Viel mehr Platz wurde erforderlich, zudem waren schwere Transporte in den Pauliweg nicht möglich, oft musste vorher umgeladen werden. Die Lage dort war zwar charmant, doch der mittlerweile erreichten wirtschaftlichen Bedeutung ihres Unternehmens wollten Jürgen und Ute Steinmüller auch gern durch etwas mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gerecht werden. An der B2 in Wieling ist ihr neues Firmengebäude mit seinem "Showroom" gut erkennbar - "ein Gegenentwurf zum Pauliweg", sagt der Firmenchef.

Am liebsten wäre er in Tutzing geblieben. Seit Jahren hat er nach einem geeigneten neuen Standort gesucht, mit den Tutzinger Bürgermeistern hat er immer wieder darüber gesprochen und nach Wegen gesucht. Aber ein passendes Grundstück hat er in all diesen Jahren nicht gefunden. „Ich bedauere das sehr“, sagt Bürgermeisterin Marlene Greinwald: „Das tut schon weh - wir hätten dieses Unternehmen sehr gern in Tutzing gehalten, hatten aber kein entsprechendes Grundstück.“ Die Gemeinde sei auf der Suche nach Möglichkeiten für ein Gewerbegebiet, doch das erweise sich als sehr schwierig.

Baukosten knapp drei Millionen Euro

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Juliana Pöllner ist seit 20 Jahren als Stickerin bei Steinmüller beschäftigt

Auf dem Wielinger Gewerbegebiet ist Steinmüller nicht weit von Tutzing entfernt - den Ortsteil Traubing kann man von dort aus sehen. Aber nun gehört das Unternehmen zur Nachbargemeinde Feldafing. Für sie ist das quasi ein gewisser wirtschaftlicher Ausgleich. Vor Jahren ist es mit der ebenfalls expansiven Firma W.A.F. umgekehrt gelaufen: Sie hat Feldafing den Rücken gekehrt und den Tutzinger Ortsteil Kampberg vorgezogen. Die Gewerbesteuer gehört zu den wichtigsten Finanzierungsmöglichkeiten für eine Gemeinde. Aus diesem Grund warten in Tutzing auch viele kommunale Verantwortliche sehnlich auf weitere Ansiedlungen auf dem ehemaligen Industriegelände von Boehringer-Mannheim und Roche.

Für den auch wegen der Gewerbesteuer wichtigen Ortswechsel von Unternehmen liefert das kleine neue Gewerbegebiet von Wieling interessante Beispiele: Die erste Neuansiedlung dort war die von Packsys, einem von Starnberg dorthin umgezogenen Spezialisten für pharmazeutische Verpackungen, als Zweiter folgte das Starnberger Brauhaus, das zuvor in Höhenrain ansässig war. Mit der bisherigen Tutzinger Firma Steinmüller ist das neue Wielinger Gewerbegebiet komplett.

Trotz der derzeit vielfach deutlich steigenden Baukosten sind die Investitionen für den Neubau bei den erwarteten knapp drei Millionen Euro geblieben. Dass er die Kosten im Griff behalten konnte, schreibt Steinmüller zu einem maßgeblichen Teil seinem Bauträger Laumer aus Massing sowie seinen Architekten Michael Wissnet aus Tutzing und Sabine Jäschke aus Eggenfelden zu. Inbegriffen sind in den Gesamtkosten die gesamte Ausstattung und eine nach Einschätzung des Firmenchefs „clevere Energieversorgung“, die komplette CO2-Neutralität ermögliche, ohne fossile Brennstoffe. Auf dem Dach befindet sich eine 500 Quadratmeter große Photovoltaikanlage. Von den 90 000 Watt Strom, die sie produziert, brauche das Unternehmen selbst nur 10 000 Watt: „Den Rest speisen wir als grünen Strom ins Netz ein.“ Die Art der Energieversorgung ist längst ein wirtschaftlicher Faktor geworden: Auch die Industriekunden, sagt Steinmüller, fragten heute mehr und mehr nach CO2-Neutralität.

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Von Starnberg, Höhenrain und Tutzing nach Feldafing: Steinmüller ergänzt das Firmentrio im Wielinger Gewerbegebiet. Links hinten das Starnberger Brauhaus, rechts das Unternehmen Packsys. © Fotos: L.G.
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