Verkehr
8.3.2019
Von vorOrt.news

Stattauto statt ÖkoMobil Pfaffenwinkel

Tutzinger Grüne setzen auf anderen Anbieter als bisher - Gemeinde soll Voraussetzungen schaffen

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Stattauto beim "Streetlife Festival" am Münchner Siegestor © Stattauto

Der Münchner Carsharing-Anbieter „Stattauto“ will eine Station in Tutzing einrichten. Das haben die Gemeinderäte der Grünen nach einem Gespräch mit Verantwortlichen dieses Unternehmens mitgeteilt. Im vorigen Jahr hatten die Tutzinger Grünen eigentlich selbst einen anderen Carsharing-Anbieter ins Gespräch gebracht: den Verein "ÖkoMobil Pfaffenwinke e.V.". Dessen Geschäftsführer Martin Heinz hat seinen Verein damals zwei Mal in Tutzing vorgestellt - einmal bei einer Veranstaltung der Grünen, einmal den Gemeinderäten bei einer Sitzung des Umwelt-, Energie- und Verkehrsausschusses. Doch nun ist von ÖkoMobil keine Rede mehr, sondern nur von "Stattauto". Christine Nimbach und Bernd Pfitzner, die beiden Gemeinderäte der Grünen, haben für die nächste Gemeinderatssitzung am kommenden Dienstag, dem 12. März, einen Antrag eingereicht. Danach soll sich der Gemeinderat dafür aussprechen, dass Tutzing Carsharing-Standort wird.

„Stattauto München“ erkläre sich bereit, Tutzing zum Carsharing-Standort zu machen, schreiben die Grünen in einer Pressemitteilung. Das Münchner Unternehmen macht ein Engagement in Tutzing allerdings von bestimmten Bedingungen abhängig. Danach soll die Gemeinde als notwendig erachtete Rahmenbedingungen schaffen und in unmittelbarer Bahnhofsnähe einen kostenlosen Stellplatz zur Verfügung stellen. Darüber hinaus soll die Gemeinde auch vor Ort den Part der Führerscheinprüfung für Neumitglieder übernehmen, wie die Grünen mitteilen.

In all dem sehen die Grünen keine Hindernisse. „Einen festen Parkplatz in unmittelbarer Bahnhofsnähe können wir problemlos stellen“, meinen sie. Als denkbaren Standort nennen sie den Bereich des Wendehammers am Bahnhofsvorplatz. Die Unterstützung bei der Kontrolle der Führerscheine durch die Gemeinde bezeichnen sie als „minimalen administrativen Aufwand“.

ÖkoMobil Pfaffenwinkel wollte sein Angebot nach Tutzing ausweiten

In ihrer Pressemitteilung erinnern die Grünen an ihre Veranstaltung zu diesem Thema im Juni 2018 sowie an die von ihnen beantragte Anhörung im darauffolgenden Juli im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Gemeinderates. Dass es bei beiden Terminen aber nicht um "Stattauto" ging, sondern um "ÖkoMobil Pfaffenwinkel", erwähnen sie in dieser Pressemitteilung nicht. ÖkoMobil-Geschäftsführer Martin Heinz hatte bei der betreffenden Ausschuss-Sitzung Interesse an einer Ausweitung des bisherigen Carsharing-Angebots im Landkreis Weilheim-Schongau auf Tutzing signalisiert. Das kam bei den Gemeinderäten damals gut an.

Eine Erklärung für die Neuorientierung hat Gemeinderat Pfitzner mittlerweile ergänzend in einem Kommentar bei vorOrt.news geliefert: Der Verein ÖkoMobil scheue vermutete Anlaufverluste (siehe Kommentar ganz unten). Und die Grünen hätten in Tutzing leider niemanden gefunden, "der für diesen Zeitraum eine Umsatzgarantie von 500 EUR pro Monat abgibt und somit Minderumsätze ausgleichen würde" (siehe ganz unten auf dieser Seite).

Mittlerweile haben sich die Grünen anderweitig orientiert. Sie hatten mittlerweile nach eigenen Angaben mit Markus Lange-Stuntebeck, dem Leiter Carsharing von Stattauto München, Kontakt. Ihn soll die Gemeinde auch zur Sitzung im März einladen.

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Martin Heinz von ÖkoMobil Pfaffenwinkel hat Mitte 2018 im Tutzinger Rathaus sein Konzept präsentiert © L.G.
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Carsharing-Stationen unterschiedlicher Anbieter gibt es längst an vielen Standorten © Bundesverband CarSharing e.V. (bcs), Berlin

Die Grünen sehen Vorteile für die Nutzer und für die Gemeinde

Für die Tutzinger Grünen liegen die Vorteile von Carsharing auf der Hand. Auch für die Gemeinde Tutzing ergeben sich nach ihrer Meinung mehrere Vorteile. Durch die gute öffentliche Verkehrsanbindung an der Bahnstrecke München-Garmisch seien viele Ortsansässige nicht regelmäßig auf ein eigenes Auto angewiesen. „In vielen Gesprächen, die wir geführt haben, wird die Bereitschaft erkennbar, auf ein eigenes Kraftfahrzeug zu verzichten“, berichten sie. Als Folge von Carsharing werde die Anzahl der Fahrzeuge abnehmen, die in Tutzings Straßen stehen und dort bewegt werden. Da Carsharing-Nutzer nachweislich weniger Auto führen, werde sich zusätzlich auch der Verkehr auf Tutzings Straßen vermindern.

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Zum Vergrößern bitte anklicken © Bundesverband CarSharing e.V. (bcs), Berlin

Die Grünen verweisen darauf, dass Fahrzeuge bei Stattauto jederzeit und für verschiedenste Nutzungszwecke gebucht werden könnten. Für Unternehmen, die ab und zu auf einen Leihwagen angewiesen sind, sei es unter Umständen ökonomischer, ein Carsharing-Auto vor Ort auszuleihen, als sich zum Beispiel ein Fahrzeug bei einem Autovermieter in Starnberg oder München auszuleihen. Das Fahrzeug könne jederzeit und für verschiedenste Nutzungszwecke gebucht werden. Auch längere Urlaubsfahrten ins Ausland seien so möglich. Auch touristische Vorteile sehen die Grünen: „Ein Carsharing-Angebot vor Ort macht unsere Hotellerie- und Beherbergungsbetriebe noch attraktiver und kann den einen oder anderen Gast, der mit dem eigenen Auto angereist wäre, dazu verleiten, bequem und umweltfreundlich mit der Bahn an den Starnberger See zu kommen.“

Stattauto gehört zur gemeinnützigen Spectrum Mobil GmbH

Bei Stattauto München, 1992 gegründet, teilen sich derzeit mehr als 12 500 Nutzer etwa 450 Fahrzeuge an mehr als 125 Stationen im Stadtgebiet und Münchner Umland, wie das Unternehmen auf seiner Homepage mitteilt. Seit 2013 ist Stattauto München nach diesen Angaben ein Geschäftsbereich der gemeinnützigen Spectrum Mobil GmbH. Als weiterer Geschäftsbereich der Spectrum Mobil GmbH werden die "A24 Werkstätten" genannt. Bei diesem Verbund handele es sich um die größte gemeinnützige und markenungebundene Kfz- und Zweiradreparatur-Werkstatt im Raum München. Das Betätigungsfeld umfasse die Reparatur und Pflege von Automobilen, Motorrädern und Fahrrädern. Stattauto München wachse momentan stark in die S-Bahn-Peripherie Münchens, teilen die Grünen weiter mit. Es gebe die Erfahrung, dass viele Stadt-Pendler für ihre Firmen bei Stattauto angemeldet seien und diese dann gern zusätzlich an ihrem Wohnort das Carsharing privat nutzten.

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Zum Vergrößern bitte anklicken © Bundesverband CarSharing e.V. (bcs), Berlin

Grundlegende Unterschiede zwischen "stationsbasiert"und "free Floating"

Die Systeme sind unterschiedlich. Beim "stationsbasierten" Carsharing muss das Auto vor Ablauf der gebuchten Zeit wieder an seinen ursprünglichen Standort zurückgebracht werden - das bedeutet, Start und Ziel müssen in der Regel von vornherein festgelegt werden. "Stattauto München" ist nach eigenen Angaben der größte stationsbasierte Carsharing-Anbieter im Raum München.

Beim "free floating" dagegen kann das Fahrzeug innerhalb eines fest definierten Nutzungsgebiets auf jedem freien Parkplatz abgestellt werden.. Stationsbasierte Autos stehen immer am selben Ort, Free-floating-Fahrzeuge befinden sich dort, wo der letzte Nutzer sie geparkt hat. Das kann gleich um die Ecke sein oder auch mal weiter entfernt.

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Zum Vergrößern bitte anklicken © Bundesverband CarSharing e.V. (bcs), Berlin
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Zum Vergrößern bitte anklicken © Bundesverband CarSharing e.V. (bcs), Berlin

Über 20 000 Carsharing-Fahrzeuge für 2,46 Millionen Kunden in Deutschland

In Deutschland gibt es zurzeit 2,46 Millionen Carsharing-Kunden, wie sich aus Angaben des Bundesverbands Carsharing ergibt. Die Zahl sei im vergangenen Jahr um 350 000 Kunden gestiegen. Der Verband berichtet von stärkerem Wachstum der stationsbasierten Carsharing-Angebote, die mittlerweile an 740 Orten in Deutschland verfügbar seien, nämlich um 21,5 Prozent. Im Free-floating-Carsharing lasse das Wachstum etwas nach, es betrage 14,9 Prozent. Insgesamt befinde sich das Carsharing in Deutschland weiter auf einem eindeutigen Wachstumskurs.

In Deutschland sind nach Angaben des Verbands derzeit 20 200 Carsharing-Fahrzeuge verfügbar, 2250 Fahrzeuge mehr als im Vorjahr. Stationsbasierte Anbieter stellen mit 11.200 Fahrzeugen mehr als die Hälfte des Angebots, im Free-floating-Carsharing werden 9000 Fahrzeuge eingesetzt.

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Zahlreiche Anbieter, unterschiedliche Modelle: Etliche Carsharing-Unternehmen wetteifern um die Autofahrer © Bundesverband CarSharing e.V. (bcs), Berlin

Die Zahl der Elektrofahrzeuge in der deutschen Carsharing-Flotte ist im vergangenen Jahr fast unverändert geblieben, wie der Verband berichtet. Die Anzahl der Elektrofahrzeuge in den Free-floating Flotten der Automobilhersteller sei mit 1025 Fahrzeugen weitgehend unverändert geblieben. Dagegen haben die mittelständischen Carsharing-Anbieter im stationsbasierten Bereich die Zahl der Elektrofahrzeuge von 321 auf 498 ausgebaut, so der Verband.

Rückgänge verzeichnen nach diesen Angaben die Betreiber reiner E-Carsharing Projekte. Sie setzen danach derzeit nur noch 304 gegenüber früher 431 Fahrzeuge ein. Der Verband erklärt diesen Rückgang damit, dass für eine hohe Zahl von Fahrzeugen die Perioden der öffentlichen Förderung oder die Leasingverträge im Jahr 2018 ausgelaufen seien. Da die Fahrzeuge die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit nicht erreicht hätten, würden sie aus den Flotten genommen.

Quelle Titelbild: Stattauto
ID: 1646
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Kommentare

Ich habe Anfang diesen Jahres bei Carsharing Pfaffenwinkel nachgefragt. Leider waren die Aussichten, dass der Verein ein Auto nach Tutzing stellt auch nicht besser als im letzten Jahr. Laut Herrn Heinz scheut sich der Verein (weiterhin) die vermuteten Verluste in der Anlaufphase (2 - 3 Jahre) zu übernehmen. Wir haben in Tutzing leider niemanden gefunden, der für diesen Zeitraum eine Umsatzgarantie von 500 EUR pro Monat abgibt und somit Minderumsätze ausgleichen würde.
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