51 aufgeführte Stücke stehen in der Chronik der Theatergruppe Traubing. Die aktuelle Vorstellung „Oh Mai, Oh Mai“, deren Premiere am Freitag war, ist Nummer 52. Und am Samstag, bei der zweiten Aufführung, gab es etwas ganz Besonderes zu feiern: Die Theatergruppe feierte ihren 30 000 Besucher seit 1986. Vor Beginn der Vorstellung hat das Team unter Leitung von Peter Heinzl ihn durch Losverfahren aus der Mitte der etwa 180 Gäste ermittelt: Günter Engel aus Starnberg, seit zehn Jahren regelmäßiger und treuer Anhänger der Traubinger Theatervorstellungen, erhielt einen Verzehr Gutschein im Buttlerhof.
30 000 Besucher: Ein stattliches Ergebnis in bald 25 Jahren, wenn diese Zeitspanne auch nur halb so lang ist wie die des Musik- und Kulturvereins Traubing (MKV), der heuer sein 50-jähriges Bestehen feiert und zu dem die Theatergruppe gehört. In diesem Jahr gibt es sogar eine „Welturaufführung“. Klaus Menzinger, langjähriges Ensemble-Mitglied und bekannt aus einer öffentlichen Funktion in Tutzing, hat das Stück geschrieben - das sorgt in diesem Jahr für besondere Attraktion. Menzinger selbst fungiert als Spielleiter und im Ensemble als Altbürgermeister mit der Übersicht des erfahrenen „Elder Statesman“. Als Autor kann er sich sehen lassen und mit seinem prächtigen Team ebenso. Drei weitere Aufführungen gibt es am kommenden Wochenende im Buttlerhof: am Freitag, 6. März, am Samstag, 7. März (jeweils um 20 Uhr) und am Sonntag, 8. März (18 Uhr).
"Ich weiß nicht, was es kostet, aber beschlossen ist beschlossen"
In Menzingers Stück geht es zum einen um den oberbayerischen Fremdenverkehr und seine Belebung, zum anderen um Maibäume und die obligatorisch dazu gehörenden Diebe. Alles sehr realistisch. Menzinger hat sich ganz offensichtlich an Erlebnissen aus dem Alltag in Traubing und Tutzing orientiert und sie in seinem Stück verarbeitet - hin und wieder etwas übertrieben, vielfach aber wohl einfach so übernommen, wie sie tatsächlich waren.
So ein Theaterstück ist wie das richtige Leben. Florian Schlögl bringt es als Bürgermeister Girgl Gschwandtner auf den Punkt, als er verschmitzt erzählt, wie ein „vorberatender Ausschuss“ am Tag zuvor quasi schon für einen Beschluss gesorgt hat und wie er, als wäre es eine Kleinigkeit, nebenbei erwähnt, dass halt eine Mehrheit dafür noch nachträglich besorgt werden müsse. Oder als er an einer anderen Stelle lässig finanzielle Probleme beiseite schiebt: „Ich weiß nicht, was es kostet, aber beschlossen ist beschlossen.“
Ganz passend zum Bürgermeister und wunderbar schlitzohrig von Rainer Bartsch dargestellt ist sein bester Spezi Korbinian Bimmerl. Bei ihm und all den anderen kommt immer wieder recht deutlich zum Ausdruck, wie das Dorfleben so abläuft. So etwa, wenn es um Änderungen von Besitzverhältnissen geht: Fast besser als eine Flurbereinigung sind die eigentumsrechtlichen Folgen einer Eheschließung für den Vater des Maibaum-Spions Maxi. In dessen Rolle schmachtet Christian Wolfert Karin Günther als Haushälterin Resi an, dass sich fast die Bretter der Bühne biegen. Aber die Verliebtheit wird im Verlauf des Stücks auf eine harte Probe gestellt, als herauskommt, welche Ziele der junge Liebhaber tatsächlich verfolgt.
Preißn san auch nur Menschen
Pfeffer hat Menzinger ins Spiel gebracht, indem er als Tourismusexperten für Oberbayern einen Norddeutschen ausgesucht hat. Und zwar einen aus Neuruppin in Brandenburg, der nach eigener Einschätzung „preußischsten aller preußischen Städte“. In Traubing einen Darsteller für diese preußischste aller preußischen Rollen zu finden, wird trotz der vielfach beklagten Überflutung mit Zuagroasten nicht so leicht gewesen sein.
Die Wahl fiel aber auf einen Einheimischen: Franz Matheis - und der Tierarzt preußelt, dass es eine Freude ist. Wie er über die Bühne berlinert, das ist schon vom Feinsten. Er zieht es eisern durch, obwohl die meisten im Saal wissen, dass er auch ganz anders kann. Auch sonst macht er aus dem Auftritt eine wahre Paraderolle. Als es ans Fensterln geht, dreht er schier durch - und erlebt dann sein blaues Wunder, denn bei der Aktion will er versehentlich beim Pfarrer einsteigen. Ergebnis: eine Kopfwunde. „Preißn san auch nur Menschen“, bemerkt der Bürgermeister.
Sandstrand am Egelsee
Der Tourismus ist ja in Tutzing ein nicht ganz unwichtiges Thema. Aktuelle Bestrebungen, das Prädikat „Erholungsort“ oder den Zusatz „am See“ zu erhalten, belegen das derzeit wieder einmal. Tutzinger Bezüge schimmern durch, aber das Stück könnte auch irgendwo in Niederbayern spielen, sagte Menzinger. Stoff für witzige Erzählungen hat er jedenfalls aus langjährigen Erfahrungen in Hülle und Fülle, und er zieht alle Register. Den preußischen Experten lässt er „Visionen“ vom FKK-Gelände über ein Skistadion bis zu einer Kajak-Slalomstrecke und einem Sandstrand am Egelsee bringen.
Da bekommen die jeweiligen Grundstücksbesitzer ganz große Ohrwaschl, als sie von den Plänen erfahren, kommentiert der Bürgermeister, in dessen Wohnzimmer sich das Gemeindeleben abspielt, oder vielmehr auf der Bühne des Buttlerhof-Saals. So erlangt Gabi Lemke als Frau des Rathauschefs eine besondere, charmant steuernde Funktion, auch wenn er ihre neue Bluse regelrecht ignoriert. Kathi Lemke bringt derweil als neue Gemeindesekretärin Erika frischen Wind ins Dorfleben, und Robert Inderst ist ein Pfarrer, dem menschliche Seiten und Ausdrücke auf sympathische Weise nicht peinlich sind. Der Nachwuchs drängt bei den hiesigen Heimatbühnen eigentlich nicht energisch nach vorn, aber immer wieder finden auch junge Leute Spaß am Theaterspielen. So auch in Traubing: Franz Strohmeier gibt Hubert, den Sohn des Bürgermeisters, souverän.
Jagd durch die Zuschauerreihen
Im Saal des Buttlerhofs ist alles perfekt und mit Liebe zum Detail aufgebaut, bis hin zum Einbauschrank, in dem Christian Wolfert als ertappter Maibaum-Spion gleich ein paar Mal verschwindet. Vieles, was im Hintergrund läuft, bekommt das Publikum gar nicht so richtig mit. So beispielsweise immer wieder wechselnde Beleuchtung. Den ganzen Saal bezieht das Ensemble ein. Resi jagt ihren Maxi mit dem Teppichklopfer quer durch die Zuschauerreihen. Die Zahl der Mitarbeiter drum herum ist bei den Aufführungen der Theatergruppe nicht selten größer als die der Mitwirkenden, erzählt Theatergruppenchef Heinzl in der Pause. Bei einer Aufführung waren es vor Jahren nur fünf, sechs Schauspieler, aber viel mehr Helfer. Viele von ihnen sind auch diesmal nicht zu sehen, aber man spürt, dass sie irgendwo sind und alles perfekt im Griff haben.
Kultureller Nährboden im Tutzinger Rathaus
Zu Beginn der Premiere begrüßte Heinzl Gemeinderäte, Vertreter der Kolpinggruppe Starnberg und auch Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim, der mit seiner Frau Gabriele nach Traubing gekommen ist. Dass die Traubinger seinerzeit bei der Gebietsreform nicht mit den Feldafingern zusammengekommen sind, denen dafür aber die Garatshausener zugeschlagen worden sind, das sorgt bis heute für Gesprächsstoff, auch bei Sontheim. Die Aufführung bei den Nachbarn hat er dennoch sichtlich genossen. Unterdessen sind aber auch die Verbindungen von Traubing und Tutzing gewachsen, wie sich auch bei dieser Theateraufführung zeigte. Die Tutzinger Familie Stöckerl gehört mittlerweile zu den Stützen der Traubinger Blaskapelle, die wie die Theatergruppe Teil des MKV ist. Zusammen mit Partnern sorgte sie für die musikalische Einstimmung - als „Familie Stöckerl & Friends“, witzelten die Mitspieler.
Sontheims Familie stammt aus Traubing, er hat in Tutzing das Gymnasium besucht, und er erinnert sich noch gut an Geschichten darüber, wie die Traubinger und Feldafinger gerauft haben. Raufen, das muss schon wichtig sein. Auch Christian Wolfert schwärmt in einer Szene des Stücks davon, und er erzählt ausgiebig, wie mal er oben war und mal der andere. Wolfert ist übrigens ebenfalls im Tutzinger Bauamt beschäftigt, wie Menzinger. Das muss ein guter kultureller Nährboden sein im Rathaus.
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