Kommunikation
10.3.2023
Von vorOrt.news

Grundsatzbeschluss mit Ausnahme

Beim Mobilfunk in Monatshausen rückt die Gemeinde Tutzing von ihrer generellen Linie ab

Rules3.png
Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden: Das hat die Soulgruppe Diamonettes schon 1971 behauptet. Auf Schildern und T-Shirts ist der Spruch ein Renner. In Tutzing wird nun beim Thema Mobilfunk nach dieser Devise gehandelt.

Keine Regel ohne Ausnahme - so lautet ein Sprichwort. So ist es nun auch in Tutzing bei einem vom Gemeinderat 2020 gefassten Grundsatzbeschluss zum Mobilfunk: Für ein Grundstück in der Nähe von Monatshausen hat der Gemeinderat diesen Beschluss wieder aufgehoben. Danach soll nämlich die Aufstellung von Sendeanlagen mit Frequenzen über 3,8 Gigahertz im gesamten Gemeindegebiet erst dann gemeindlich unterstützt werden, wenn „die Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt durch industrie- und regierungsunabhängige Wissenschaftler verlässlich nachgewiesen ist“. Aktuell will die Gemeinde aber doch die Aufstellung einer Sendeanlage unterstützen: Sie will dem Vodafone-Konzern ein ehemaliges Altlastengrundstück an der Monatshauser Straße anbieten, um das Unternehmen von der geplanten Errichtung der Anlage näher bei Monatshausen abzubringen. Da passt aber der Grundsatzbeschluss von 2020 nicht – also wurde das Grundstück nun zur Ausnahme von dieser Regel.

Der Grundsatzbeschluss war ohnehin heftig umstritten. Im November 2020 gab es darüber eine hitzige Diskussion. Drei Ratsmmitglieder waren nicht anwesend, die Entscheidung fiel schließlich mit 10:8 Stimmen. Das ist auch heute immer noch Diskussionsthema im Gemeinderat. Der Beschluss sei damals „gegen eine ähnlich große Fraktion“ gefasst worden, sagte jetzt Dr. Joachim Weber-Guskar (FDP). Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU) war kürzlich in einer Sitzung noch viel deutlicher geworden. Der Beschluss sei „unsinnig, kurzsichtig, ideologisch und in dieser Form nicht realisierbar“, kritisierte er. Bürgermeisterin Marlene Greinwald wies seine Bemerkung als ihrerseits „ideologisch, kontraproduktiv und unnötig“ zurück.

„Ich weiß nicht, wieviele 5G-fähige Mobilfunkgeräte unter dem Weihnachtsbaum lagen“

Mobilfunk-F-Vodafone.jpg
Verlässlicher Nachweis der Unbedenklichkeit wird für Mobilfunk-Sendeanlagen in Tutzing gefordert - aber nicht für ein Grundstück an der Monatshauser Straße © Vodafone

In der aktuellen Sitzung sagte die Tutzinger Rathauschefin dazu: „Ich will keine demokratische Entscheidung in Frage stellen.“ Gleichzeitig gab sie aber zu bedenken, dass es zum Mobilfunk sowohl im Gemeinderat als auch in der Bevölkerung sehr unterschiedliche Meinungen gebe und dass der Wunsch nach besseren Verbindungen verbreitet sei. „Ich weiß nicht, wieviele 5G-fähige Mobilfunkgeräte unter dem Weihnachtsbaum lagen“, sagte sie.

Jedenfalls ermöglicht die Ausnahme vom Grundsatzbeschluss der Gemeinde nun das Angebot eines anderen Grundstücks für die umstrittene Mobilfunkanlage bei Monatshausen. Dem Antrag des Vodafone-Konzerns für einen Standort näher bei Monatshausen hatte der Bau- und Ortsplanungsausschuss des Gemeinderats kürzlich das „gemeindliche Einvernehmen“ verweigert, die Zulässigkeit des Vorhabens offen bezweifelt und dem Vodafone-Konzern vorgeworfen, er nehme den Außenbereich missbräuchlich für ein formal privilegiertes Vorhaben in Anspruch, das tatsächlich nicht für den angegebenen Zweck erforderlich sei.

Anzeige
Banner-Lieferservice-B.png

"Das kleinere Übel" an der Monatshauser Straße

Mobilfunkmast-LeichtbaU-PIXABAY.jpg
Technisch und rechtlich komplex: Mobilfunkanlagen werfen viele Fragen auf © Vodafone

Noch einen ganz anderen Aspekt brachte nun Caroline Krug (ÖDP) vor: Kann der Gemeinderat im Fall des Falles mit Schadenersatzansprüchen wegen Mobilfunkanlagen haftbar gemacht werden? In Italien, Spanien und Frankreich haben betroffene Personen nach ihren Angaben bereits Recht bekommen, ihnen seien Ansprüche zugesprochen worden. Sie verwies auch auf ein Urteil des Landgerichts Münster, nach dem Gemeinden unter Umständen uneingeschränkt haften müssten.

Zu diesem Thema hat die Gemeinde Tutzing inzwischen den von ihr mit der Monatshauser Angelegenheit beauftragten Rechtsanwalt Frank Sommer befragt. Seine Auskunft klang für die Kommunalpolitiker beruhigend: Bei Einhaltung der Grenzwerte nach der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung bestehe derzeit nach deutschem Recht kein Haftungsrisiko.

Krug zeigte dennoch kein Verständnis dafür, dass die Gemeinde Tutzing dem Vodafone-Konzern „in vorauseilendem Gehorsam“ das Grundstück anbiete. Den betreffenden Platz an der Monatshauser Straße ziehen aber etliche Ratsmitglieder dem vom Vodafone-Konzern favorisierten Areal vor, so wegen der Erschließung durch die direkt vorbei führende Straße oder wegen der optischen Sichtbarkeit, sagte Stefan Feldhütter (Freie Wähler). Auch Weber-Guskar meinte, die Gemeinde könne so zu einer verträglicheren Lösung beitragen. Bürgermeisterin Greinwald hält diese Fläche schlicht für „das kleinere Übel". Und zur Aufhebung der Entscheidung von 2020 in diesem Fall meinte Feldhütter, partielle Ausnahmen vom Grundsatzbeschluss seien die bessere Lösung.

Was das für künftige Mobilfunkanlagen bedeutet, muss sich zeigen: Die Rathauschefin rechnet damit, dass dies nicht der letzte Antrag für neue Mobilfunkanagen auf Tutzinger unserem Gebiet gewesen ist, und Claus Piesch (Freie Wähler) bemerkte, die Regierung habe den Druck auf die Mobilfunkbetreiber sogar verstärkt. Künftig würden sogar noch höhere Masten möglich seien als der bei Monatshausen vorgesehene, der knapp 60 Meter hoch sein soll.

ID: 5645
Über den Autor

vorOrt.news

Kommentar hinzufügen

Anmelden , um einen Kommentar zu hinterlassen.
Feedback / Fehler melden