Bereits in einer frühen Phase gibt es in Tutzing Änderungen beim so genannten „Integrierten Stadtentwicklungskonzept“ (ISEK). Ein für dieses Konzept gefordertes „Sanierungsgebiet“ zwischen See und Bahn, etwa vom Schorn bis zum Südbad, soll verändert werden, wie die Planerin Martina Schneider vom beauftragten Münchner Büro "Stadt Raum Planung" im Gemeinderat bekanntgegeben hat. Im Norden soll ein Bereich bei der Klenzestraße herausgenommen werden. Dagegen soll im Umfeld des Bahnhofs ein Bereich auch westlich der Gleise sowie südlich des Bahnhofs in das Gebiet aufgenommen werden. Im bisher vorgesehenen Sanierungsgebiet war der gesamte Bereich westlich der Bahngleise nicht einbezogen worden. Die Präsentation im Gemeinderat: https://www.tutzing.de/wp-content/uploads/Praesentation-ISEK-GR-Sitzung-12.09.2023.pdf
„Wir sind froh, dass wir soweit sind“, sagte Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald am Dienstag im Gemeinderat. Für sie war es nach langen Vorarbeiten eine „denkwürdige Sitzung“. Denn alles hat sich lange hingezogen.
Die Beschränkung auf das Gebiet zwischen See und Bahn war unter den Kommunalpolitikern umstritten gewesen. Schon in früheren Sitzungen gab es Forderungen nach einer Einbeziehung auch anderer Bereiche der Gemeinde. Der Bürgerverein „Tutzinger Liste“, auf dessen Initiative so ein Konzept maßgeblich zurückgeht, plädiert schon lange für ein noch viel weitergehendes Konzept, nämlich ein so genanntes Gemeindeentwicklungskonzept (GEK), das mit „Leitzielen“ für Tutzing verbunden werden sollte. Das vom Gemeinderat im vorigen Jahr beschlossene „ISEK“ hat der Verein zwar als guten Teilerfolg, für Tutzings nachhaltige Zukunftsgestaltung aber als zu wenig bezeichnet. https://www.tutzinger-liste.de/blog/tag/gemeindeentwicklungskonzept/
CSU-Bürgermeisterkandidat Ludwig Horn hat im Gemeinderat eindringlich nach der Einbeziehung gerade auch der verschiedenen Tutzinger Ortsteile in das Konzept gefragt. Caroline Krug (ÖDP) wandte sich gegen eine Ausgliederung des Bereichs an der Klenzestraße mit den Musikstudios von Peter Maffay und Leslie Mandoki.
Vier Tutzinger "Vertiefungsbereiche"
Die Planerin zeigte sich für eine Einbeziehung weiterer Gemeindebereiche generell offen. So werde man die Ortsteile berücksichtigen, kündigte sie an: „Wir werden da alles anschauen.“ Möglich sei dabei eine Betrachtung jedes Ortsteils mit jeweils eigenen Terminen ebenso wie eine Zusammenfassung der Ortsteile. Den Schwerpunkt des Konzepts soll zwar das definierte Sanierungsgebiet bilden. Doch zur bereits vorgenommenen Änderung sagte Martina Schneider: „Wir haben angefangen, die Grenze anzupassen.“ Auch weitere Änderungen könne es geben, sagte sie. Das alles klang so, als sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Auch im Gemeinderat gibt es in dieser Hinsicht offensichtlich noch Diskussionsbedarf. Der Gemeinderat sei der „Herr des Verfahrens“, betonte die Planerin.
Die nach dem aktuellen Stand vorgesehenen vier so genannten „Vertiefungsbereiche“ befinden sich aber alle im Ortszentrum oder seiner nahen Umgebung:
Bereich A – Nord: Gewerbeflächen und Nordbad
Bereich B – Mitte: Ortsmitte
Bereich C – West: Bahnhofsumfeld und Krankenhaus
Bereich D – Süd: Gewerbe / Sport / Freizeit
Was ein „ISEK“ ist, beschrieb Martina Schneider so: „Aufzeigen der städtebaulichen Ziele der Kommune unter Berücksichtigung verschiedener Parameter wie Verkehr, demographische Entwicklung, Handel, Bebauung, Klimaschutz, Erholung oder Freiflächen“. Mit „ISEK“ soll die Gemeinde Ziele und Handlungsfelder für ihre zukünftige Entwicklung definieren. Gleichzeitig gilt so ein Konzept als Voraussetzung für staatliche Fördermittel. Zahlreiche Themenkomplexe wurden in der Sitzung aufgeführt – von der Innenentwicklung bis zur Stärkung von Stadt- und Ortszentren, von familien- und altersgerechten Stadtquartieren über den demographischen Wandel bis zur Barrierefreiheit.
Bedeutsame Linien für die künftige Entwicklung von Tutzing
Mit dem "ISEK"-Konzept können bedeutsame Linien für die künftige Entwicklung von Tutzing vorgegeben werden. Im so genannten Sanierungsgebiet kann die Gemeinde beispielsweise die Qualität der baulichen Entwicklung durch eine Genehmigungspflicht privater Bauvorhaben sichern. Bei Grundstücksverkäufen hat die Gemeinde ein Vorkaufsrecht – was Bürgermeisterin Marlene Greinwald in der Sitzung allerdings zu der Bemerkung veranlasste, das Vorkaufsrecht sei ein „zahnloser Tiger“. Dabei dachte sie wohl unter anderem an die gescheiterten entsprechenden Versuche der Gemeinde beim Bahnhofsgebäude. Verkauf des Tutzinger Bahnhofs zieht sich hin
Die privaten Eigentümer werden ihrerseits besondere bauliche Maßnahmen steuerlich geltend machen können, wie in den Informationen bei der Sitzung stand. Auf die Einheimischen können auch neue finanzielle Anforderungen zukommen. Gemeinderätin Caroline Krug (ÖDP) erkundigte sich konkret: „Kann eine Kommune von ihren Bürgern Nachzahlungen verlangen?“ Dass es diese Möglichkeit gibt, bestätigte Planerin Schneider mit der Bemerkung: „Das entscheiden Sie als Gemeinderat.“ Dass Nachzahlungen verlangt würden, sei eine denkbare Variante. Es gebe auch Kommunen, die dies von vornherein ausschlössen.
"Runde I" der Bürgerbeteiligung nach langwierigem Vergabeverfahren
Bei den weiteren Arbeiten an dem Konzept soll die Bürgerbeteiligung eine wichtige Rolle spielen. Am 18. Oktober 2023 um 19.30 Uhr ist im Roncallihaus die "Beteiligung Runde I" mit der Bevölkerung vorgesehen. Die grundlegenden Vorarbeiten sind allerdings weitgehend ohne Einbeziehung von Einheimischen, die nicht dem Gemeinderat angehören, abgelaufen. Nach einem Gemeinderatsbeschluss im Oktober 2022 mit der Gründung eines Arbeitskreises gab es unter anderem schon diverse Besprechungen, Ortsbesichtigungen und einen Bescheid der Regierung von Oberbayern. Mit einem Beschluss des Gemeinderats am 2. Mai dieses Jahres habe "ein langwieriges und hürdenvolles Vergabeverfahren" geendet - so formuliert es die Gemeinde in einer Mitteilung. Dann erst habe die Gemeinde ein Planungsbüro akquirieren können. https://www.tutzing.de/wp-content/uploads/ISEK-Die-Zukunft-gemeinsam-gestalten-GR-Sitzung-12.09.2023.pdf Mehrere so genannte Auftakttermine haben stattgefunden, so mit der Gemeindeverwaltung und mit einer „Lenkungsgruppe“ im Juli und bei der Regierung von Oberbayern im Juli.
Der Prozess soll "die gesamte Gemeinde betrachten"
Im Gemeinderat hat die Planerin am Dienstag die Ergebnisse all dieser Vorarbeiten umrissen. Nun soll ein Planungs- und Beteiligungsprozess zur Erarbeitung eines Integrierten Stadtentwicklungsprozesses und einer "Vorbereitenden Untersuchung", kurz "VU", starten. Dieser Prozess soll nach Angaben der Gemeinde "die gesamte Gemeinde" betrachten. Auch diese Darstellung reicht also über die Beschränkung auf das "Sanierungsgebiet" hinaus. Das Planungsbüro soll den Prozess begleiten.
Drei Tage nach der ersten Veranstaltung mit der Bevölkerung ist am 21. Oktober bereits wieder eine nicht öffentliche Klausurtagung des Gemeinderats zu diesem Thema vorgesehen. Als gelte es Bedenken wegen zu viel Arbeit hinter verschlossenen Türen von vornherein entgegenzuwirken, versicherte die Planerin: „Es ist nichts im Geheimen - wir machen nicht deshalb etwas ohne Presse, weil wir gegen die Pressefreiheit sind, sondern weil wir den Gemeinderatsmitgliedern einen geschützten Rahmen verschaffen wollen.“
Im Verlauf des weiteren Verfahrens soll es etliche themenbezogene Arbeitskreise geben, Treffen mit Gemeindevertretungen der Ortsteile, mit einzelnen Bevölkerungsgruppen und „Akteuren“ wie zum Beispiel Gundeigentümern, Ausstellungen an einzelnen Orten, voraussichtlich im Frühjahr 2024 einen „Ortsspaziergang“ oder eine Radtour mit Bürgern zur gemeinsamen Betrachtung von vorab definierten Bereichen mit anschließendem Gespräch.
Der Gemeinderat soll wichtige „Orte mit besonderem Handlungsbedarf“ identifizieren. An jedem dieser Orte soll ein Aufsteller mit einem QR-Code als Aufruf zur Gestaltung des Ortes installiert werden. Über den QR-Code können Interesierte auf die Webseite der Gemeinde gelangen, auf der Anregungen eingebracht werden können. „Wenn etwas Schräges dabei ist, werden wir es beiseitestellen“, sagte Martina Schneider. Aber sie erwartet weitgehend vernünftige Beiträge. Eine weitere Möglichkeit für Mitteilungen an die Gemeinde soll es für alle, die nicht mit digitaler Technik vertraut sind, auf einer Wand geben, die im Rathaus aufgestellt werden soll, wie Bürgermeisterin Greinwald sagte: „Wir wollen niemand ausgrenzen.“ Die Beiträge sollen gesammelt und vom Planungsteam ausgewertet werden. Dann ist ein weiterer Termin mit Bürgern vorgesehen.
"Wir erfahren, was Ihnen ein Dorn im Auge ist und was Sie sich schon immer gewünscht haben"
„Die Gemeinde und der Gemeinderat gehen jetzt offen in das Gespräch mit ihren Bürgern“, bekräftigte die Planerin, als sei dies neu. An die Gemeinderatsmitglieder gerichtet sagte sie: „Sie werden Sicherheit bei jeder Entscheidung haben, die Sie auf Stadtentwicklungsebene treffen.“ Dr. Ernst Lindl (CSU) erkundigte sich, inwieweit das Konzept auch die bauliche Entwicklung erfassen werde. Man werde nicht jedes einzelne Bauvorhaben anschauen, erwiderte Schneider. „Aber Sie haben die Verantwortung für den Ort“, sagte sie zu den Kommunalpolitikern. Und sie betonte nochmals: „Wir werden den Gemeinderäten und den Bürgern gut zuhören.“ Das Planungsbüro werde auf der einen Seite seine fachliche Expertise einbringen: „Auf der anderen Seite bekommen wir von Ihnen Ihre Alltagserfahrung – wir erfahren, was Ihnen ein Dorn im Auge ist und was Sie sich schon immer gewünscht haben.“ Dabei sei der Gesprächsprozess wichtig – er müsse jedoch gesteuert werden. Es gehe darum, die Entscheidungen zu treffen, die in 15 und 20 Jahren noch sinnvoll seien. Alle Arbeiten am Konzept werde man „jenseits der Parteipolitik“ vornehmen, betonte die Planerin. „Es geht nicht um die nächste Wahl“, sagte sie, „es geht um die nächsten 15, 20 Jahre, und es geht um den ganzen Ort.“
Die Enttäuschung über die Traubinger "Dorferneuerung" führt zu einer gewissen Skepsis
Ob und wann aus „ISEK“ wirklich etwas werden wird, dazu klang aber bereits in dieser Gemeinderatssitzung eine gewisse Zurückhaltung durch. Fast schon wie ein abschreckendes Beispiel erwähnte Bürgermeisterin Greinwald die „Dorferneuerung“ in Traubing, auf die die Einheimischen dort seit mehr als einem Jahrzehnt warten. Da werde leider inzwischen wieder „gespart“, sagte sie sichtlich verärgert in Hinblick auf reduzierte staatliche Mittel für das Projekt, das zudem im Hickhack zwischen allen möglichen Behörden regelrecht zerrieben wurde. Auf Granit gebissen - Behörden bringen Traubinger zur Verzweiflung Die Hoffnung, dass aus der Dorferneuerung doch noch etwas werden könnte, haben die Einheimischen in Traubing nach den Beobachtungen der Bürgermeisterin schon aufgegeben: „Das ist schade.“
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Dafür, dass es im ersten Schritt (“auf der obersten Flugebene”) jetzt doch noch eine Leitzieldiskussion für die Gesamtgemeinde (also ein GEK “light”) gibt, gebührt Dank den Ratsmitgliedern Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg (TL) und Stefanie Knittl (SPD). Sie haben in der entscheidenden Sitzung bis zuletzt an den Leitzielen für die Gesamtgemeinde festgehalten (der zwischen Verwaltung und Erster Bürgermeisterin abgestimmte und den Ratsmitgliedern vorgelegte “nur” gebietsbezogene Beschlussentwurf wurde so um die “gesamtgemeindliche Entwicklung” erweitert).
Die Erste Bürgermeisterin hat, da sie nach eigener Aussage nichts von Visionen halte, im gesamten Entscheidungsprozess die Position vertreten, dass Tutzing keiner Leitziele bedürfe. Jetzt in der “denkwürdigen Sitzung” aber die Schaffung des Orientierungsrahmens (also die Leitzieldiskussion) für die Gemeinde besonders hervorgehoben. Für diese Haltungsänderung gebührt der Ersten Bürgermeisterin Dank.