Von Lorenz Goslich

Die Unterschiede zwischen Greinwald und Horn

Ganz so von purer Einigkeit geprägt ist doch nicht alles – Eindrücke von der SZ-Diskussion

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"Harmonischer Schlagabtausch": Die Diskussion am Freitag mit (von links) SZ-Reporterin Viktoria Spinrad, Marlene Greinwald, Ludwig Horn und SZ-Redaktionsleiter Florian Zick © K.G.

Welche Unterschiede gibt es eigentlich zwischen der Tutzinger Bürgermeisterin und ihrem Herausforderer? Diese Frage hat eine Besucherin bei der ersten öffentlichen Diskussion der Rathauschefin Marlene Greinwald von den Freien Wählern und dem CSU-Kandidaten Ludwig Horn gestellt. Bürgermeisterwahl: Fragen nach den Unterschieden Tatsächlich wirkten beide über weite Strecken des Gesprächs sehr um Harmonie bemüht. Die Süddeutsche Zeitung gibt dem Bericht über die Veranstaltung, die sie im Roncallihaus organisiert hat, den Titel „Harmonischer Schlagabtausch“. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/tutzing-roncallihaus-sz-podiumsdiskussion-marlene-greinwald-ludwig-horn-buegermeisterwahl-1.6287762

Bei einer Wahlveranstaltung heute im Midgardstadl (Beginn 19 Uhr) will Ludwig Horn auf die Unterschiede eingehen. Am deutlichsten treten sie beim Thema Amtszeit zu Tage: Greinwald will für sechs Jahre antreten, so dass es auch in Zukunft bei der zeitlichen Trennung von Bürgermeister- und Gemeinderatswahl bleiben würde. Horn dagegen will im Fall seiner Wahl 2026 – gleichzeitig mit der nächsten Gemeinderatswahl – gleich nochmals antreten, so dass die beiden Wahlen dann zusammengeführt würden. Aber auch sonst war bei der Diskussion am Freitag nicht alles so ganz von purer Einigkeit geprägt, wie es zunächst wirken konnte. Hier einige Beispiele:

Kommunikation: Mehr nach außen tragen oder für alle Leute ansprechbar?

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Die schon eine Weile leer stehende Halle des früheren Unternehmens Zirngibl ist nach Angaben von Bürgermeisterin Greinwald verkauft - aber an wen?

Ludwig Horn plädierte mehrmals für „Kommunikation“. Ob dies eine Holschuld der Bürger sei oder eine Bringschuld der Gemeinde, wollte die SZ-Moderatorin Viktoria Spinrad wissen. „Beides“, erwiderte Horn: „Man kann sich Informationen holen, aber man kann auch mehr nach außen tragen.“ Beispielsweise könne man Bürgerversammlungen digital übertragen und sie auch regelmäßig für die verschiedenen Ortsteile veranstalten. Auch ein 14tägiger Bürgermeisterbrief wäre für ihn ein Ansatzpunkt. Mit relativ kleinem Aufwand könne man heutzutage auf mehreren Kanäle, etwa verschiedenen sozialen Medien, kommunizieren. Irritiert äußerte sich Horn beispielsweise darüber, dass die Bevölkerung von Tutzinger Ortsteilen noch nichts von der bevorstehenden Erweiterung von Buslinien in ihre Gegend gewusst habe, wie sich bei dortigen Veranstaltungen von ihm herausgestellt habe. „Wenn wir schon soviel Geld in Buslinien stecken, sollten wir auch darüber reden“, sagte er.

Marlene Greinwald gab dagegen klar zu erkennen, dass sie bei der Kommunikation keinen Verbesserungsbedarf sieht. „Ich bin für alle Leute immer ansprechbar“, sagte sie: „An der Kommunikation kann es nicht liegen.“ An mehreren Stellen der Veranstaltung machte sie dann aber doch keine konkrete Angaben. So wollte sie einen „Plan B“ zur Verhinderung eines Verkaufs der Kustermannvilla nicht erläutern. „Ein kleiner Maulkorb“ Sie berichtete vom Verkauf der leer stehenden Halle, die dem Unternehmen Zirngibl gehörte, an ihren "Wunschkäufer", nannte ihn aber nicht. Sie berichtete über einen offenbar größeren Erweiterungsplan eines Gewerbebetriebs, sagte aber nicht, um welchen Betrieb es sich handelt. Als sie gefragt wurde, ob das Unternehmen Lobster in Tutzing Gewerbesteuer zahle, da es doch nach Norwegen verkauft werde, wollte sie unter Verweis auf das Steuergeheimnis keine Angaben machen.

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Aufgaben der Gemeinde: Vor allem Mittelschule oder auch noch andere Themen?

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Pflichtaufgaben wie Schule für die Gemeinde, andere Aufgaben wie Minigolf für Ehrenamtler? © L.G.

Auffallende Unterschiede gibt es bei der Schwerpunktsetzung wichtiger Aufgaben in Tutzing. Wenn es um teure Projekte geht, scheint derzeit die Sanierung der Mittelschule, die 25 Millionen Euro oder mehr kosten soll, oft über alles andere gestellt zu werden. Horn strebt in dieser Hinsicht offenkundig ein breiteres Spektrum an. „Wir müssen auch andere Themen anpacken“, mahnte er. Dabei erwähnte er beispielhaft auch solche Projekte, die mit Lebensfreude und Spaß zu tun haben. Bei solchen Themen dürfe man nicht immer nur sagen, die Finanzen ließen sie nicht zu. Horn hat in dieser Hinsicht in Tutzing schon selbst einiges bewegt – von der Organisation des inzwischen weithin beliebten Weinfests auf der Brahmspromenade über die Gründung eines Veranstaltungsvereins bis zur Neubelebung des Minigolfplatzes.

Greinwald äußerte für solche Aktivitäten Respekt: „Ludwig ist da super toll vorgegangen - solche Bürger brauchen wir.“ Sie sieht die Zuständigkeit für viele Initiativen offenkundig eher bei der Bevölkerung als bei der Gemeinde. So etwas könne weder der Gemeinderat noch ein Bürgermeister, sagte sie. Vieles laufe schon gut, beispielsweise auch mit dem Jugendbeirat. „Tutzing ist sehr lebendig“, bekräftigte sie. Dafür seien aber engagierte Bürger erforderlich. Und immer sei auch Geld nötig. Da Horn auch bei solchen Themen eher die Gemeinde gefordert zu sehen scheint, fügte sie hinzu: „Ich glaube, dass auch Ludwig auf dem Boden der Realität angekommen ist und weiß, wo die Grenzen im Haushalt sind."

Gewerbe: Gibt es einen ausreichenden "Flow" oder muss viel mehr getan werden?

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Interkommunale Nähe: Von der ehemaligen Kiesgrube bei Traubing aus kann man das Gewerbegebiet in Wieling sehen © L.G.

Horn plädierte nachdrücklich für eine Stärkung des Gewerbes – sowohl durch Unterstützung ansässiger Betriebe als auch durch Ansiedlung neuer Firmen. Es gebe in Tutzing bereits einen „Flow“ bei der Wirtschaft, erklärte dagegen Greinwald unter Hinweis auf einige größere mittlerweile in Tutzing ansässige Unternehmen wie Lobster oder W.A.F. und auf aktuelle Pläne wie den demnächst zu erwartenden Baubeginn eines „Leonardo“-Hotels auf dem früheren Roche-Gelände. Die Gewerbesteuer-Einnahmen der Gemeinde hätten sich in den vergangenen Jahren schon verdoppelt.

Horn sagte demgegenüber, Tutzing werde nicht daran vorbeikommen, ein neues Gewerbegebiet zu schaffen. Wo das sein könne, fragte SZ-Redaktionsleiter Zick nach. „Da darf man nichts sagen“, erwiderte Horn, offenkundig in der Sorge, man könne ihm Plaudern aus nicht-öffentlichen Besprechungen vorwerfen. „Wir können es ja gemeinsam sagen“, witzelte Greinwald. Sie sprach offen an, worüber in Tutzing schon seit Jahren diskutiert wird: Es geht um die ehemalige Kiesgrube der Starnberger Firma Groll bei Traubing. Die Altlasten-Problematik gilt bei diesem Gelände, obwohl Teile längst neu verfüllt sein sollen, nach wie vor als schwierig. Greinwald deutete aber Möglichkeiten durch neue Verfahren an, mit denen das Eindringen von Niederschlagswasser verhindert werden kann. Diese Äußerungen wirkten tatsächlich so, als nähere man sich dem Gedanken an ein neues Gewerbegebiet in diesem Bereich an.

Beim Anblick der Gebäude im nahen neuen Gewerbegebiet von Wieling (Gemeinde Feldafing), das sich schräg gegenüber befindet, sei sie erschrocken, sagte Greinwald. Aber in Traubing befinde sich eine Buschreihe davor, so dass es „nicht so belastend“ sein werde. Und dann gab sie ihrem jungen Herausforderer quasi offiziell die Erlaubnis, seinerseits dieses Thema anzusprechen: „Ludwig, sag‘ gern auch was dazu.“

Daraufhin spannte Horn den Bogen aber gleich weiter. „Ich würde nicht nur auf ein Pferd setzen“, sagte er. Man sehe ja anderswo, so etwa im Ortsteil Kampberg, wie lange solche Entwicklungen dauern könnten. Sehr wichtig seien auch die kleinen und mittleren Unternehmen. “Wir müssen auch aufs Handwerk schauen“, betonte er. Als weitere Chance zur Einnahmenverbesserung verwies er auf die Möglichkeit einer Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes, um mit niedrigeren Steuern Unternehmen anzulocken. „Steueroase Tutzing?“ fragte SZ-Reporterin Spinrad. Dazu sagte Greinwald, das wäre erst dann denkbar, wenn es auch im Gemeindehaushalt darstellbar sei: „Sonst wird uns der Haushalt nicht genehmigt.“

Neue Ideen: Erst prüfen, was eine Gemeinde darf, oder es einfach mal versuchen?

Unterschiede traten auch bei der Herangehensweise an neue Ideen zu Tage. Als es um den Dauerbrenner „bezahlbarer Wohnraum“ ging, schlug Horn eine digitale Plattform für Informationen „von Tutzingern für Tutzinger“ vor: Die einen haben vielleicht Wohnraum zur Verfügung, den die anderen suchen. So könne man möglicherweise Anbieter und Interessenten zusammenbringen.

„Ein interessanter Ansatz“, kommentierte Greinwald, doch sie glaubte gleich ein Problem zu erkennen: Darf eine Gemeinde so ein Angebot überhaupt machen? „Wir können es gern ausprobieren“, sagte sie. Aber die „gesetzliche Schraube“ könne solchen Initiativen auch schnell einen Riegel vorschieben - Stichwort kommunale Konkurrenz zur privaten Wirtschaft.

Horn ließ dagegen erkennen, dass er so eine Idee einfach anpacken würde, ohne gleich Bedenken zu haben: Man könne es ja einfach mal mit einem „digitalen schwarzen Brett“ versuchen. Mit so einem Angebot müsse ja auch nicht Gewinn erzielt werden.

Vermieter: Nichts für Normalverdiener oder manchmal doch ordentliche Preise?

Unterschiede konnte man auch in den Meinungen über die einheimische Bevölkerung heraushören. Das betrifft zum Beispiel die Ansichten über die Vermieter. Greinwald äußerte generell „große Sorge“, dass Normalverdiener die Wohnungen nicht mehr bezahlen könnten.

Horn sah sich aber zu einer Dfferenzierung veranlasst, die sonst inmitten der vielen Klagen über allzu hohe Mieten kaum zu hören ist: „Viele Tutzinger vermieten zu sehr ordentlichen Preisen.“ Er kenne Vermieter, die mit ihren Mieten rund ein Drittel unter den ortsüblichen Mieten lägen.

Beifall aus unterschiedlichen Richtungen

Unterschiedliche Haltungen gab es unüberhörbar auch im Publikum. Von beiden Seiten waren offenkundig „Anhänger“ im Saal des Roncallihauses. Bei etlichen Äußerungen sowohl von Marlene Greinwald als auch von Ludwig Horn gab es jeweils recht starken Beifall – jeweils aus unterschiedlichen Richtungen.

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Anhänger haben sie beide - aber wohin wird der Weg bei der Bürgermeisterwahl am 26. November führen? © Collage: vorOrt.news / pixabay
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Comments

Bei Kommunikation gibt es zwei Richtungen: von der Verwaltung an die Gemeinde (Information) und von der Gemeinde an die Verwaltung (Fragen, Anliegen, Beteiligung, …). Die Vorschläge in diesem Artikel beziehen sich in erster Linie auf Information, und auch die Diskussion am Freitag hatte hier den Schwerpunkt.

Der Kommentar “Ich bin für alle Leute immer ansprechbar” von Frau Greinwald ist vor diesem Hintergrund unpassend. Für Information ist das Ansprechen der Bürgermeisterin sicherlich der am wenigsten effiziente Weg, wir zählen ja nun 10.000 Einwohner und sind auch nicht alle Samstags am Wochenmarkt.

Das Thema Information hat mich bereits bei der Wahl des Gemeinderates 2020 beschäftigt, insbesondere die Portale der Parteien. Auffallend war, dass manche Parteien sogar mit einem komplett neuen Webauftritt und aktuellen Artikeln glänzten. Doch nach der Wahl verstummten die Webseiten und es wurde ruhig und still. Und das, was hier und da an “Artikeln” auftaucht, sind meist inhaltsleere Ankündigungen, Termine, und teilweise Parteiinhalte ohne Ortsbezug. Nirgends Kommentare zum aktuellen Ortsgeschehen, Meinungen der gewählten Vertreter, inhaltliche Arbeit…

Davon kann sich jeder selbst überzeugen:
http://fw-tutzing.de/
https://www.csu.de/verbaende/ov/tutzing/ (wow…)
https://www.spd-tutzing.de/
https://gruene-tutzing.de/ (der Adventskalender war eine schöne Idee!)

Bekanntes Gegenbeispiel ist natürlich die Tutzinger Liste (https://www.tutzinger-liste.de/), die offene Kommunikation ganz oben auf der Prioritätenliste hat.

Natürlich gibt es auch die Seiten der Bürgermeisterkandidaten:
https://www.ludwighorn.de/ (mit 4 Beiträgen im Blog, unter Ziele etwas Inhalt)
https://buergermeisterin-fuer-tutzing.de/ (Pressemitteilungen auch 4, durchaus mit Inhalt, und ausführliche Initiativen)

Frau Greinwald wird für jede Ausgabe der Tutzinger Nachrichten befragt und kommentiert aktuelle Themen ausführlich. Herr Horn veröffentlich auch auf vorort.news: https://vorort.news/profile/795/. Und natürlich gibt es von der Gemeinde auch schon heute Protokolle der Sitzungen und (wenige) aktuelle Nachrichten.

Meine persönliche Erfahrung bisher in Tutzing ist, dass nach der Wahl nicht viel Information übrig bleibt. Die Kommunikationsrichtung von der Gemeinde an die Verwaltung ist ein eigenes Thema. Bei Anliegen habe ich bisher viele positive Erfahrungen gemacht, sowohl mit Fachbereichen als auch mit der Bürgermeisterin. Über Bürgerbeteiligung wurde bisher nicht diskutiert, allerdings gab es ja in Tutzing einige erfolgreiche Initiativen die wohl auch irgendwie einen Kontakt zur Verwaltung gefunden haben (Bouleplatz, Seilbahn, Minigolfplatz, ...).
Auch ich schließe mich vollkommen diesem fundierten Beitrag an und erlebe in vielen Gesprächen mit Tutzinger Mitbürgern dieselbe Meinung, besonders auch nach der Veranstaltung vom Freitag und wünsche uns für die bevorstehende Wahl viel Glück, eine hohe Wahlbeteiligung und dann endlich wieder eine positive Zukunftsperspektive für Tutzing .
Toni Schott
Ich schließe mich meiner Vorrednerin zu 100 % an … wird es in Tutzing nicht höchste Zeit dass sich was ändert… ?
Herr Horn trifft mit seinem (für mich glaubwürdigen) Anspruch bei seinem Antritt die Kommunikation zu verbessern doch den entscheidenden Punkt für das Gelingen der Ortsentwicklung und damit unser aller Zukunft in Tutzing.
Um handlungsfähig zu bleiben muss auch Tutzing darauf setzen, die Kompetenzpotentiale seiner Bürger zu heben (Stichwort bürgerschaftliches Engagement und Bürgerbeteiligung fordern und fördern).
Ideengeber und Gestalter aus der Bürgerschaft treffen heute jedenfalls nicht auf offene Rathaustüren. Dass Frau Greinwald hier keinen Verbesserungsbedarf sieht, ist daher mehr als nur bedauerlich.
Ich meine daher, dass man die Wichtigkeit des "Bürgermeister-Leitgedankens" von Herrn Horn, "Miteinander reden - gemeinsam gestalten", nicht hoch genug (wert)schätzen kann.
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