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Tutzinger Zweitwohnungssteuer unter der Lupe

Gutachten im Januar erwartet - Diskussion entzündet sich an der Villa des Königs von Thailand

Die Bemessung der Zweitwohnungssteuer war in Tutzing bisher offenbar teils nicht korrekt. Ein altes Gutachten sei „offensichtlich ungeeignet“ gewesen, „um die Objekte, die eine höhere Miete rechtfertigen, auch angemessen zu erfassen“, erklärte Dr. Ernst Lindl (CSU), der Vorsitzende des gemeindlichen Rechnungsprüfungsausschusses, im Gemeinderat. Die Zweitwohnsteuersatzung setze auf einem Gutachten auf, das die in Tutzing für eine Zweitwohnungssteuer in Frage kommenden Gebäude nicht angemessen erfasse.

Knittl: Gewöhnliche Steuerpflichtige erhalten Steuerbescheide innerhalb von vier bis sechs Wochen

Entzündet hat sich die Diskussion am Fall der „Villa Stolberg“, die sich seit einigen Jahren im Eigentum des Königs von Thailand befindet. Besonders die „Tutzinger Liste“ setzt sich seit längerer Zeit kritisch mit diesem Thema auseinander. Im Gemeinderat hakte auch Stefanie Knittl (SPD) nach. Für das „besondere Objekt“ sei keine Zweitwohnungssteuer im Zeitraum 2018 bis 2020 festgesetzt worden. Nach der Gemeindeordnung sei die Gemeinde verpflichtet, die Steuern rechtzeitig zum Fälligkeitszeitpunkt - jährlich am 1. Februar - zu erheben, mahnte Stefanie Knittl. Ein Verweis auf gesetzliche Verjährungsfristen sei sachlich nicht richtig. Zu beachten sei auch der Grundsatz der Gleichbehandlung. Alle gewöhnlichen Steuerpflichtigen in Tutzing erhielten ihre Steuerbescheide bereits innerhalb von vier bis sechs Wochen, doch in diesem Fall dauere die Bemessung zum Beispiel für das Jahr 2018 fast vier Jahre. Das sei auch für ein solches Objekt nicht angemessen, denn eine steuerlich fundierte Schätzung der Jahresnettokaltmiete über Makler dauere nur wenige Wochen.

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150 000 Euro beträgt der Haushaltsansatz für die Tutzinger Zweitwohnungssteuer in diesem Jahr © Gemeinde Tutzing, Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2021
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Lindl: Man wusste nicht so genau, wie man damit umgehen soll

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Komplizierte Thematik: Die Tutzinger Brahmspromenade, im Hintergrund die Villa, die wegen der Zweitwohnungssteuer für Diskussionen sorgt © L.G.

Lindl nahm dazu ausführlich Stellung. Diese Thematik sei schwierig und kompliziert: „Wir haben einen sehr großen, sehr unterschiedlichen Bereich mit ganz unterschiedlichen Gebäuden und ganz unterschiedlichen Bewertungen.“ Es sei richtig, dass es sich tatsächlich hingezogen habe, sagte er, fügte jedoch hinzu: „Wir haben von der Verwaltung nachvollziehbar den Eindruck gewonnen, dass es daran lag, dass man nicht so genau wusste, wie man damit umgehen soll.“

Die Gemeinde habe natürlich daran Interesse, das Objekt angemessen einzuwerten und einen Bescheid zu erlassen, der einer gerichtlichen Anfechtung standhalte, sagte Lindl. Daran werde noch gearbeitet. „Die Objekte sollten nach Möglichkeit mit ihrem tatsächlichen oder hypothetischen Mietwert erfasst werden“, erklärte er. Damit könne auch deutlich mehr Steuergerechtigkeit erzielt werden.

Als deutlich rechtsunsicherer bezeichnete Lindl eine Steuerfestsetzung aufgrund der Stellungnahme eines auf gehobene Gebäude spezialisierten Immobilienmaklers, die unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs als möglich bezeichnet worden war: "Dann hätte der Steuerschuldner eine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.“ Lindl verwies unter anderem auch auf Renovierungsarbeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt, die sind dreiviertel Jahr gedauert hätten - diese Zeit sei nicht bewertbar.

Gemeindeverwaltung kündigt eine Stellungnahme an

Der aktuelle Sachstand blieb offen. Andeutungen vermittelten den Eindruck, als sei zu dem betreffenden Objekt bereits ein Bescheid über die Zweitwohnungssteuer erlassen worden. Als Stefanie Knittl nachhakte, ob der betreffende Bescheid zugestellt worden sei, warf Lindl kurz einen fragenden Blick zu Gemeinde-Geschäftsleiter Marcus Grätz und sagte dann: „Nach meiner Kenntnis ja“. Caroline Krug (ÖDP) fragte nach, ob die Zweitwohnungssteuer wirklich rückwirkend bis 2018 eingetrieben werden könne. Es seien keine Zweitwohnungssteuern verjährt, versicherte Lindl. Die Zweitwohnungssteuern für die Vorjahre könnten noch bis Ende 2022 eingezogen werden. Das neue Gutachten werde Anfang des kommenden Jahres vorliegen: „Man kann also alles rechtzeitig erfassen.“

Die Gemeindeverwaltung machte bei der Sitzung keine konkreteren Angaben. Ihr Geschäftsleiter Grätz gab am Schluss der Diskussion eine Stellungnahme ab: Die Verwaltung werde dazu im Finanz- und Werkausschuss informierten, dann werde es öffentlich gemacht. Bis dahin werde sich die Gemeinde zu einzelnen Objekten nicht äußern. „Ich nehme den Bericht als Verwaltung heute zur Kenntnis“, sagte Grätz zu Lindls Ausführungen. Damit bezog er sich offenbar auf Angaben von SPD-Gemeinderätin Knittl, sie habe den Bericht bereits zuvor im Rathaus eingesehen. Grätz kündigte an: "Wir werden darauf als Verwaltung entsprechend eine schriftliche Stellungnahme gegenüber dem Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses abgeben und den Finanzausschuss sowie den Gemeinderat informieren."

Lindl zog zu der Angelegenheit folgendes Fazit: „Wenn wir über irgendeine Art von Schaden sprechen, wäre es ein Bescheid auf Basis des alten Gutachtens gewesen. Das hätte eine deutlich geringere Zweitwohnungssteuer zur Folge gehabt, als jetzt auf Basis des neuen Gutachtens zu erwarten ist, weil auf dieser Basis die Werte der gehobenen Gebäude in Tutzing besser erfasst werden können. Ich kann nicht erkennen, dass der Gemeinde daraus ein Nachteil entsteht. Eher profitiert sie davon, dass man nicht auf Basis des bisherigen Gutachtens einen Bescheid erlassen hat.“

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Kommentare

Ich rate jedenfalls zur Besonnenheit und dazu den Steuerbescheid an Rama X. (alias Maha Vajiralongkorn Phra Vajiraklaochaoyuhua) mit allergrößter Höflichkeit und allen gebotenen Ehrerbietungen zuzustellen. Das Thema Majestätsbeleidigung - was immer seine Majestät der König darunter zu verstehen beliebt - wird in Thailand noch sehr ernst genommen und kann drakonische Strafen nach sich ziehen; von banalen diplomatischen Verstimmungen ganz zu schweigen.
Hoffentlich wird der gewöhnliche Steuerbescheid einer kleinen bürgerlichen Kommune als solches nicht bereits als infame Beleidigung empfunden. Vielleicht wäre es klug, mit der standesgemäßen Überbringung des Steuerbescheides zumindet einen hochrangigen Vertreter unseres Bayerischen Hochadels zu beauftragen?
;-)
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