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Kollisionen auf früherem Roche-Gelände

Gemeinderat hebt Satzungsbeschluss auf - Bauanträge werden Bestandteil des Bebauungsplans

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Gebäude-Quintett: Die drei geplanten Bauten GE 3, GE 4 und GE 5 neben dem fertigen Dreiecksbau und dem in Arbeit befindlichen Lobster-Bau. Rechts Krankenhaus, links "Foursite" mit Rossmann © FixVisuals/e+k

Eine überraschende Wendung gibt es bei der Neubebauung des früheren Tutzinger Roche-Geländes: Für die drei auf dessen Ostteil geplanten Gebäude GE 3, GE 4 und GE 5 werden bereits früher beschlossene Festlegungen des Bebauungsplans aufgehoben. Grund: Die eingereichten Bauanträge passen nicht zu ihm. Eine Lösung aber gibt es schon: Die Pläne des Bauantrags selbst werden zum Bestandteil des Bebauungsplans gemacht.

Kreisbaumeister Dr. Christian Kühnel kam eigens in die Gemeinderatssitzung im Traubinger Buttlerhof, um die Hintergründe zu erklären. Der Gemeinderat hat die Aufhebung des alten Satzungsbeschlusses einstimmig befürwortet und gegen drei Stimmen einer Neufassung des Bebauungsplans zugestimmt.

Eigentlich hatte der Tutzinger Gemeinderat für den betreffenden Bebauungsplan Nr. 74 „Bahnhofstraße / Bräuhausstraße“ bereits den Satzungsbeschluss gefasst. Dennoch war der Bebauungsplan bisher nicht in Kraft getreten. Das wäre erst durch seine Bekanntmachung geschehen, wie es der Paragraf 10 des Baugesetzbuchs vorschreibt. Eine solche Bekanntmachung ist aber wegen der „nun aufgetretenen Situation“ noch nicht vollzogen worden.

Vorgaben des Bebauungsplans kollidieren mit Gebäude- und Freiraumausformung

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Kollisionen wegen der steilen Hanglage:: Die künftige Ansicht an der Bahnhofstraße © FixVisuals/e+k

Den Grund für diese Wende beschreibt die Gemeindeverwaltung folgendermaßen: Der Planung für das ehemalige TGZ-Gelände, also das frühere Areal von Boehringer-Mannheim und Roche, liege ein städtebaulicher Entwurf von Prof. Burgstaller zu Grunde. Dessen Gestaltungsziele seien im Rahmen der Erstellung des Bebauungsplans „umfassend in das Planwerk übertragen und dort abgebildet“ worden.

Das Problem: „Diese Genauigkeit bis in Detailbereiche hinein bereitet im Vollzug nun jedoch teils erhebliche Schwierigkeiten, da - häufig auch nur aus rein regelungstechnischen Gründen - die Vorgaben des Bebauungsplans mit der Gebäude- und Freiraumausformung kollidieren.“ Solche Kollisionen gibt es nach der offiiziellen Darstellung „insbesondere auch im Hinblick auf die topographische Situation mit ihrer sehr steilen Hanglage“.

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"Nicht eindeutig justierbare Festsetzungen"

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Auf dieser Skizze sind neben den Bahngleisen (oben) schon weitere Neubauten eingezeichnet © Prof. Florian Burgstaller

Das alles habe man erst nachträglich gemerkt, gestand Kreisbaumeister Kühnel im Gemeinderat. Statt den Planern ihren Antrag zurückzugeben, habe man es vorgezogen, den Weg abzukürzen. „Mit Blick auf die Umsetzung der städtebaulichen Figur aus dem Rahmenplan von Prof. Burgstaller“ hat das Landratsamt deshalb nach den Unterlagen zur Gemeinderatssitzung vorgeschlagen, „regelungstechnisch nicht eindeutig justierbare“ Festsetzungen für die Häuser GE 3, GE 4 und GE 5 aus dem Bebauungsplan zu entfernen „und stattdessen die Bauantragspläne selbst zum Bestandteil des Bebauungsplans zu machen“.

Als Sicherheit für die Gemeinde wird es bezeichnet, „dass die in den Bauanträgen dargestellten Gebäude in den dort gezeigten Größen und Abmessungen auch so errichtet werden und dass auch die Freiraumgestaltung in ihren wesentlichen Elementen, die ebenfalls nun Bestandteil des Bebauungsplanes werden, so zu realisieren ist“. Damit entfielen für das Landratsamt und für die Bauverwaltung „Auslegungsschwierigkeiten und Hemmnisse“ in der Überprüfbarkeit von Festsetzungen des Bebauungsplans und in der in den Bauvorlagen beantragten Bebauung.

Vergleiche mit Villen und früherer Bebauung

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Entscheidung aus den 1950er Jahren: Zwei der alten Gebäude von Boehringer-Mannheim zur Zeit des Nachfolgenutzers TGZ © Prof. Florian Burgstaller

Im Gemeinderat kam es zu einer kurzen Debatte. All die Probleme, die Aufhebung des alten Satzungsbeschlusses und die Erhebung der Bauantragspläne zum Bestandteil des Bebauungsplans spielten dabei aber keine Rolle. Stattdessen wurde noch einmal über die Größe und die Art der Gebäude diskutiert.

Caroline Krug (ÖDP) kritisierte eine zu massive Bebauung. Stefanie Knittl bemängelte zuviel Beton mit „ein paar Bäumchen“, ähnlich wie neben dem Drogeriemarkt Rossmann: „Da hätte ich mir mehr, etwas Einladenderes erwartet.“

Zu den kritischen Anmerkungen gab es sofort Widerspruch. Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU) verwies auf die bereits in den 1950er Jahren getroffene Entscheidung für die Art der Bebauung in diesem Gebiet. Es sei „Realitätsverweigerung“, wenn behauptet werde, der Villen-Charakter der benachbarten Bebauung werde dadurch gestört. „Das Roche-Gebäude war zwei bis drei Stockwerke höher“, stimmte Dr. Ernst Lindl (CSU) zu.

Das Lieblingsgewerbegebiet des Grünen

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Villen und Neubauten: So soll es künftig an der Bahnhofstraße aussehen © Prof. Florian Burgstaller

Natürlich sei es eine dichte Bebauung, sagte Lindl: „Aber wir wollten das ganz bewusst so - das ist eine Nutzung, die zu unserem Ort passt.“ Büros und Entwicklungsflächen für Unternehmen, wie sie dort entstünden, könne Tutzing aus Gewerbesteuer-Gründen gut brauchen. Es handele sich um einen ganz eigenen Bereich, doch an der einen oder anderen Stelle müsse man einen Kompromiss machen: „Denn auch wir als Gemeinde müssen Geld verdienen.“ Auch Bürgermeisterin Marlene Greinwald (Freie Wähler) betonte die Vorteile eines Gewerbegebiets.

Georg Schuster (FDP) wunderte sich über die Höhe der Dachaufbauten. Sie sollten eigentlich niedriger ausfallen, meinte er. Dr. Joachim Weber-Guskar (FDP) verwies aber auch auf viel mehr Fläche und Grün für die Öffentlichkeit als früher. Bernd Pfitzner (Grüne) bezeichnete die auf dem Ex-Roche-Areal entstehende Bebauung sogar als sein „Lieblingsgewerbegebiet im Landkreis Starnberg“. Gründe: Die Verkehrsanbindung sei gut, es werde nicht in die Fläche gebaut und es werde nichts zusätzlich versiegelt, weil der Boden dort schon versiegelt gewesen sei.

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