Kommt das Bauen ohne Genehmigung in Mode? In Tutzing könnte man zurzeit diesen Eindruck haben, wie drei Beispiele belegen.
Fall 1: Dachterrasse am Von-Hillern-Weg
Am Von-Hillerweg ist eine Dachterrasse "ohne Genehmigung deutlich größer gebaut worden", als es in der ursprünglichen Genehmigungsplanung vorgesehen war, teilte die Gemeindeverwaltung dem Bauausschuss mit. Das wollte sich der Bauwerber nachträglich genehmigen lassen. Der Bauausschuss verweigerte dies einstimmig. Ohne Erfolg: Das Landratsamt Starnberg genehmigt den Bau nachträglich.
Fall 2: Außentreppe und Geländer an der Bergwiesenstraße
An einem Zweifamilienhaus an der Bergwiesenstraße ist eine Außentreppe erstellt und ein Geländer auf dem Flachdach angebracht worden - beides ungenehmigt. Der Tutzinger Bauausschuss verweigerte seine Zustimmung. Ohne Erfolg: Das gemeindliche Einvernehmen sei zu Unrecht verweigert worden, erklärte das Landratsamt.
Fall 3: Gauben und Garage an der Neustätterstraße
An der Neustätterstraße sind auf einem relativ neuen Doppelhaus zwei von mehreren Gauben ohne Genehmigung gebaut worden, ebenso eine Garage neben dem Gebäude. Der Tutzinger Bauausschuss hat zu den Gauben kürzlich nachträglich das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Zur Garage findet zurzeit eine Anhörung statt. Das Landratsamt hat eine Stellungnahme der für den Bau Verantwortlichen angefordert. Eine Beseitigungsanordnung für die Garage wurde bisher nicht erlassen.
Gemeinde will nachträglich nichts genehmigen - Landratsamt sieht es anders
Der Umgang mit Fällen ungenehmigter Bauten ist umstritten. "Es ist die Linie der Gemeinde Tutzing und seiner Gremien aus einer Vorbildfunktion heraus, widerrechtlich errichtete Bauvorhaben grundsätzlich nicht nachträglich zu genehmigen“: Das hat die Rathausverwaltung zu einem der Fälle in die Unterlagen zur betreffenden Bauausschuss-Sitzung geschrieben - „auch vor dem Hintergrund, eine Präzendenzwirkung zu vermeiden“.
Ganz anders sieht dies das Landratsamt Starnberg: Wenn so ein Bau rechtzeitig beantragt und genehmigt worden wäre, dann muss er auch nachträglich genehmigt werden.
Abrissverfügung setzt sowohl formelle als auch materielle Illegalität voraus
Höchstrichterliche Urteile bestätigten die Auffassung des Landratsamts. Voraussetzung für eine Abrissverfügung ist nach der Rechtsprechung sowohl die formelle als auch die materielle Illegalität eines Baus. Formell illegal ist er, wenn er bauordnungsrechtlichen Vorschriften widerspricht. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn er nicht genehmigt worden ist. Materiell liegt Illegalität vor, wenn der Bau überhaupt nicht genehmigungsfähig ist und deshalb keine Baugenehmigung erteilt werden kann. Da für eine Beseitigungsanordnung beide Bedingungen - formelle und materielle Illegalität - vorliegen müssen, reicht also allein eine fehlende Genehmigung nicht aus, wenn der Bau dennoch als genehmigungsfähig eingestuft wird.
Im Tutzinger Bauausschuss sind diese Entscheidungen gegen den Willen der Gemeinde mit erkennbarem Unmut aufgenommen worden. „Das Vorgehen ist nicht in Ordnung“, sagte Bürgermeisterin Marlene Greinwald (Freie Wähler) zu den Gauben in der Neustätterstraße. Im Fall der Dachterrasse am Von-Hillern-Weg kritisierte ihr Fraktionskollege Dr. Heinrich Reiter verärgert, es wäre wichtig gewesen, ein Zeichen zu setzen.
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