
Die Diskussionen über eine von der Ausländerbehörde verweigerte Arbeitserlaubnis für eine Äthiopierin im Hotel-Restaurant „Tutzinger Hof“ ziehen Kreise. Gerade auch wegen eines in der Gastronomie viel beklagten Personalmangels sorgt diese Entscheidung für Gesprächsstoff. Nach Angaben von Petra Gsinn, der Inhaberin des Tutzinger Hofs, hat sich die 32-jährige Fikerte Kasahun zu einer wichtigen Mitarbeiterin entwickelt. Sie sei zuverlässig und beliebt und sie werde dringend weiter benötigt. Allerdings hat sie aus ihrer Heimat keinen Pass. Über die äthiopische Botschaft in Frankfurt am Main hatte sie Ausweispapiere zu erhalten gehofft, doch das ist bisher nicht gelungen. Zuständig für die Ablehnung der Arbeitserlaubnis ist das Landratsamt Weilheim-Schongau, weil die Frau in Bernried wohnt. Wir haben das Landratsamt um eine Stellungnahme gebeten. Die Antworten veröffentlichen wir im Wortlaut.
Frage: Die Duldung der betroffenen Frau aus Äthiopien war offenbar schon mehrmals verlängert worden. Warum wurde ihr nun die Arbeitserlaubnis entzogen?
Landratsamt: Die betroffene Person ist vollziehbar ausreisepflichtig. Geduldeten Personen mit ungeklärter Identität darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden § 60b Abs. 5 AufenthG. Zudem darf einem Ausländer die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können § 60a Abs. 6 Nr. 2 AufenthG.
"Behörde hat nur Spielraum, wenn kein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht"

Frage: Hat die Ausländerbehörde bei der Botschaft von Äthiopien wegen des Passes nachgefragt?
Landratsamt: Nein. Gemäß § 3 AufenthG müssen Ausländer einen gültigen Pass besitzen, der bei der jeweiligen Botschaft zu beantragen/verlängern ist. Die Ausländerbehörde darf bei der Botschaft diesbezüglich nicht nachfragen. Der Ausländer hat die Erfüllung der Passbeschaffungspflicht nach § 60b Abs. 3 Nr. 1-6 AufenthG glaubhaft zu machen. Hierfür ist die bloße Bestätigung der Auslandsvertretung des Heimatlandes, der Ausländer habe einen Antrag auf einen Nationalpass gestellt, regelmäßig nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr die Bestätigung der Auslandsvertretung, dass der Ausländer auch alle zur Ausstellung des Nationalpasses erforderlichen Unterlagen eingereicht und alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen erbracht hat. Dies gilt umso mehr, wenn die Zeitdauer, die üblicherweise für die Ausstellung eines Nationalpasses benötigt wird, erheblich überschritten wird.
Frage: Wie laufen solche Entscheidungen ab? Werden dabei auch Aspekte wie Integration der betreffenden Person, Personalbedarf, wirtschaftliche Probleme oder Corona-Krise berücksichtigt?
Landratsamt: Die Ausländerbehörde hat bei der Entscheidung über eine Beschäftigungserlaubnis nur dann einen Spielraum, wenn kein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht. Die folgenden Aussagen gelten daher nur für Fallgestaltungen ohne gesetzliches Beschäftigungsverbot.

"Die Gastronomie gehört derzeit nicht zu den Engpassberufen"

Frage: Gehen die Verantwortlichen der Ausländerbehörde, bevor sie solche Entscheidungen treffen, in die betreffenden Betriebe, holen sie vorab Informationen über die Integration der betreffenden Menschen, über die wirtschaftliche Situation der Branche und andere wichtige Aspekte ein?
Landratsamt: Bei der Entscheidung über eine Beschäftigungserlaubnis wird die persönliche Situation des Antragstellers berücksichtigt, die Prüfung der Situation des Betriebes ist nicht Bestandteil.
Frage: Welche Rolle spielt der Personalbedarf in einer Branche - hier in der Gastronomie und Hotellerie - bei Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Arbeitserlaubnis?
Landratsamt: Die Möglichkeit einer Arbeitserlaubnis hängt vom ausländerrechtlichen Status ab. Die Aufnahme einer Beschäftigung im Rahmen der sog. „Engpassberufe“ kann ein positives Kriterium darstellen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Die Gastronomie gehört derzeit nicht zu den Engpassberufen.
"Arbeit nur für Personen mit eindeutig geklärter Identität"

Frage: Die Beteiligung von Kommunen an der Initiative „Seebrücke“ wirkt wie eine Gegenposition zu versagten Arbeitserlaubnissen. Im Fall der Äthiopierin bezeichnet die SPD diese Entscheidung als „nicht nachvollziehbar und existenzgefährdend“. Anstatt der betroffenen Person müsse der Staat zahlen. Was ist dazu aus Sicht des Landratsamts Weilheim-Schongau zu sagen?
Landratsamt: Der derzeitigen gesetzlichen Regelung liegen u.a. folgende Erwägungen zugrunde:
Ø Migrationspolitische Erwägung, dass durch die Stellung erfolgloser Asylanträge nicht die Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland erreicht werden soll.
Ø Integrationspolitische Erwägung, dass bei der Zuweisung von für Migranten geeigneten, begrenzten Arbeits- und Ausbildungsplätzen längerfristig Bleibeberechtigten der Vorrang zukommen soll gegenüber vollziehbar Ausreisepflichtigen, deren Verbleib in Deutschland aufgrund von temporären Abschiebehindernissen nur noch vorübergehend ist.
Ø Sicherheitspolitische Erwägung, dass nur Personen mit eindeutig geklärter Identität der Zugang zu Positionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt eröffnet werden soll.
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