Gemeindeleben
30.1.2024
Von vorOrt.news

„Wir verstecken uns nicht im Dunkeln“

An die 300 Menschen bei der Tutzinger Lichterkette - Warnungen vor trügerischem „Friedensschluss“ für die Ukraine

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Bereits zum neunten Mal fand gestern Abend eine "Tutzinger Lichterkette" statt

„Ein Licht für unser Land“ war am 3. Dezember 1989 das Motto, als sich viele Menschen entlang Straßen in der DDR aufreihten. Seitdem sind Lichterketten zu gängigen Formen friedlicher Demonstrationen geworden. Gestern Abend fand bereits die neunte „Tutzinger Lichterkette“ statt - eine Gemeinschaftsaktion vieler Beteiligter, von den Kirchen und dem Ökumenischen Unterstützerkreis über die Gemeinde Tutzing, die Akademien und das Kloster der Missions-Benediktinerinnen bis zu den Schulen.

In den ersten Jahren hatte man - teils erfolgreich - versucht, eine durchgängige Menschenkette auf den Straßen rund um das Tutzinger Rathaus herum zustandezubringen. Davon sind die Organisatoren mittlerweile abgekommen. In den vergangenen Jahren wurde auf der Lindlwiese ein Lichterkreis gebildet, am Montag versammelten sich wohl an die 300 Menschen neben dem Rathaus. Viele von ihnen hatten eigene Lichter mitgebracht, es wurden aber auch Kerzen verteilt.

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Der ukrainische Sänger Sergey Babkin trat zum zweiten Mal bei einer Tutzinger Lichterkette auf © L.G.
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Ideenreiche Beiträge aus den Tutzinger Schulen

Vizebürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg und der katholische Pfarrer Peter Seidel führten durch die Veranstaltung. Prof. Ursula Münch und Udo Hahn, Chefin und Chef der Akademie für politische Bildung und der Evangelischen Akademie, plädierten leidenschaftlich für den Erhalt des Friedens und der Demokratie. Pfarrer Seidel freute sich über dieses gemeinschaftliche Eintreten für Demokratie, Frieden und ein „buntes Leben“. Zahlreiche junge Leute aus der Grundschule, aus dem Gymnasium, aus der Realschule und aus der Privatschule "Create Schools" traten mit ideenreichen, nachdenklichen und aufrüttelnden Texten und Liedern auf.

Der ukrainische Sänger Sergey Babkin, in seiner Heimat ein Star, steuerte wie schon im vorigen Jahr einen eigenen Song bei, bevor er die ukrainische Nationalhymne folgen ließ. Babkin dankte für Aufnahme und Unterstützung in Deutschland. Einige seiner Landsleute von ihm waren dabei und sangen mit.

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An die 300 Menschen nahmen an der Lichterkette teil, viele von ihnen mit Kerzen © L.G.
„Wer einem anderen souveränen Staat einen Friedensschluss auflasten will, der diesen in die Unfreiheit treibt, muss bedenken, dass er womöglich das nächste Opfer des Aggressors werden könnte.“ Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung

Offenkundig mit Blick auf die Forderungen der ehemaligen Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht, aber ohne sie namentlich zu erwähnen, warnte Akademiedirektorin Prof. Münch eindringlich: Politiker und Diplomaten müssten zwar grundsätzlich ausloten, ob, wann und wie ein Friedensschluss zwischen der Ukraine und dem Aggressor Russland erreichbar sei. Aber es drohe eine Fehleinschätzung: „Wer einem anderen souveränen Staat einen Friedensschluss auflasten will, der diesen in die Unfreiheit treibt, muss bedenken, dass er womöglich das nächste Opfer des Aggressors werden könnte.“

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Der Chor "Blue Notes" sang vor dem Rathaus-Eingang © L.G.
„Wir lassen uns den Frieden, den Zusammenhalt, die Demokratie nicht von denen zerstören, die Pläne zur Vertreibung von Millionen von Menschen in unserem Land schmieden, und die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, Alters oder Herkunft, von Religionszugehörigkeit oder aufgrund von Behinderungen ausschließen wollen.“ Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie

Frieden: Das sei der Sehnsuchtsruf der Menschen in der Ukraine und der Sehnsuchtsruf all jener, die weltweit um die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt trauerten, rief Udo Hahn, der Direktor der Evangelischen Akademie, aus. Frieden - das sei auch der Sehnsuchtsruf in Deutschland, in dem rechtsextreme Kräfte Hass säten und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zerstören wollten. Energisch wandte sich Hahn gegen jede Form von Gewalt und Extremismus. „Nie wieder Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit“, forderte er: „Wir lassen uns den Frieden, den Zusammenhalt, die Demokratie nicht von denen zerstören, die Pläne zur Vertreibung von Millionen von Menschen in unserem Land schmieden, und die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, Alters oder Herkunft, von Religionszugehörigkeit oder aufgrund von Behinderungen ausschließen wollen.“

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"Ich wünsche mir Frieden" sangen Grundschüler. Sonderapplaus gab es für den perfekten Rap einer Schülerin mittendrin. © L.G.

„Hier dabei zu sein, ist ein Zeichen von Zivilcourage“

Die Tutzinger Lichterkette war für Hahn wie ein Signal: „Allen, die heute Abend zusammengekommen sind, ist nicht egal, was an diesem Ort und in unserem Land geschieht“, rief er aus: „Hier dabei zu sein, ist ein Zeichen von Zivilcourage.“ Was mit Zivilcourage gemeint ist, das bringe der englische Begriff „moral courage“ auf den Punkt: „Es geht darum, die Werte zu leben, die den Zusammenhalt stärken, zu diesen Werten offen zu stehen und sie zu verteidigen.“

Vizebürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg griff am Schluss ausdrücklich Kritik wegen einer „Lichterkette im Schutz der Nacht“ auf. Die Veranstalter waren in einem Kommentar auf vorOrt.news gefragt worden, ob dies wirklich die angemessene Form sei, der rechtsradikalen Gewalt entgegenzutreten, wenn nicht „Ross und Reiter“ genannt würden. „Wir alle, die heute hier an dieser Lichterkette teilnehmen, verstecken uns nicht im Dunkel des Abends“, betonte die stellvertretende Tutzinger Rathauschefin: „Wir sind hier, um ein deutliches und weit leuchtendes Zeichen für Frieden und Demokratie zu senden. Wir alle stehen weithin sichtbar und persönlich erkennbar zu unserem großartigen Grundgesetz, für Meinungsfreiheit und für die Demokratie.“

Mehr zum Thema:

Rede von Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung:
Das Grundgesetz ist der Gegenentwurf zu jeder Form von autokratischer Herrschaft

Rede von Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing:
Frieden! Frieden! Frieden! Ohne Demokratie kein Frieden!

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Kommentare

Als Gast möchte ich mich bei den Veranstaltern und allen Mitwirkenden für diese fast schon traditionelle Veranstaltung bedanken. Dickes Lob an Alle!

Ergänzend möchte ich vielleicht auch an unser aller Hymne erinnern:
Da geht es längst nicht mehr um Blut & Boden, wie in vielen anderen Nationalhymnen oder auch damals noch bei den Nazis.
Da geht auch nicht um diese oder jene Religion, nicht um Hautfarben, nicht um Geschlechter oder um unterschiedliche Sexualitäten, und auch nicht um politisch schwarz, rot, grün oder gelb.
In unserer Hymne geht es um die 3 wirklich wichtigen Dinge für das Gedeihen unserer Gesellschaft in Tutzing, in Bayern und für ganz Deutschland:

Es geht um EINIGKEIT, um RECHT(staatlichkeit) und um FREIHEIT !
(Bearbeitet)
Großen Dank für die treffende Berichterstattung und die Bilder!
Und ein besonderer Dank den Organisatoren und allen, die dabei waren!

Zu der Kritik an der Ankündigung möchte ich sagen: Es erstaunt mich schon, dass man selbst an dieser Veranstaltung noch diverse Haare in der Suppe finden kann. Alle, die dabei waren wissen, wogegen und wofür wir unsere Energie bündeln wollen.
Kleinteilige Kritik an dem Inhalt der Ankündigung halte ich da für überflüssig und energieraubend, zumal wenn man doch eigentlich mit der Haltung der Lichterkette konform geht.
So demonstriert jeder auf seine Weise:
Der eine schreibt seitenweise Kritik in Kommentaren auf vorOrt.news.
Die anderen organisieren einen Lichterkreis, der unsere Gemeinschaft stärkt, Alt und Jung zusammenbringt und Mut macht, für den Frieden und für die Demokratie einzustehen - Danke dafür.
Das redliche Bemühen der Organisatoren in Ehren. Aber ist eine Lichterkette im Schutz der Nacht wirklich die angemessene Form, der rechtsradikalen Gewalt entgegenzutreten? Wer in diesen Tagen "ein deutlich sichtbares Zeichen für eine starke Demokratie setzen" will, sollte wenigstens Ross und Reiter nennen. Sonst wirkt das ganze doch arg verdruckst.

Und es hat ja nun wirklich jeder (außer Hubert Aiwanger) verstanden, dass die Demokratie derzeit akut von Rechtsradikalen bedroht ist. Wobei das Aufleben der AfD nur so stark sein konnte, weil sie bis kurz vor der aktuellen Demonstrationswelle von den rechtskonservativen Parteien CSU/CDU/FDP/FW in Wortwahl und Duktus imitiert und dadurch indirekt gestützt wurde.

Eine Frage drängt sich noch auf: Ist es nicht ein wenig gemein, den "bekannten ukrainischen Sänger Sergey Babkin" bei dieser Veranstaltung singen zu lassen, ohne dass in der Ankündigung der Veranstaltung der zweite Aggressor wider die Demokratie klar benannt wird? Der Angriffskrieg des autokratisch geführten Russlands gegen die demokratische Ukraine stellt ganz unzweifelhaft die zweite große Gefahr für die Demokratie in Europa dar. Was ist so schwer daran, das auszusprechen?