Gemeindeleben
29.1.2024
Von vorOrt.news

„Am wirksamsten sind Projekte am Ort“

Energischer Einsatz für die Demokratie – Initiativen stellen sich in Tutzing vor

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Wie kann man sich für die Demokratie einsetzen? Dafür wurden am Sonntag in der Evangelischen Akademie Tutzing viele Möglichkeiten gezeigt - und das Interesse war groß © L.G.

Voller Menschen war der Musiksaal der Evangelischen Akademie Tutzing am Sonntag. Der „Markt der Möglichkeiten“ stieß auf großes Interesse. Es sei ein gutes Zeichen, sagte Studienleiterin Dr. Nadja Bürgle, dass derzeit vielerorts tausende Menschen auf die Straße gehen, um sich für die Demokratie einzusetzen. „Aber Demonstrationen allein werden die Demokratie nicht retten“, fügte sie hinzu. Der „Markt der Möglichkeiten“ sollte Wege zeigen, wie sich alle Menschen gemeinsam für die Demokratie engagieren können.

Elf verschiedene Initiativen stellten sich vor, deren Vertreter eigens aus diesem Grund nach Tutzing gekommen waren. Mucksmäuschenstill war es im Saal, als sie sich am Anfang vorstellten und ihre unterschiedlichen Ziele erläuterten, die sie alle mit sichtlicher Leidenschaft verfolgen. Viele angeregte Gespräche ergaben sich anschließend an den Ständen, die die Organisationen im Saal aufgebaut hatten. Die zahlreichen Ideen und kreativen Aktivitäten, die da präsentiert wurden, zogen die Anwesenden regelrecht in ihren Bann.

Da schilderte ein Mitarbeiter des „Theaters Eukitea“ aus Diedorf, wie mit Aufführungen Erlebnisräume insbesondere für junge Menschen geschaffen werden sollen, wo sich Angst in Zuversicht und Freude verwandeln kann. Ein anderes Projekt, das vorgestellt wurde, ist „YouthBridge“. Entstanden ist diese Initiative in New York, weil es dort zwischen Jugendlichen zu vielen Konflikten kam, die ethnische und religiöse Gründe hatten. Es sollen Brücken gebaut werden, ein vielfältiges, packendes und lehrreiches Programm soll die Jugendlichen zusammenbringen und verbinden. Ähnliche Ziele hat sich „Youthbridge“ auch für München gesetzt.

Das ist in München - also von hier aus nicht ganz so einfach zu erreichen. Ein Vertreter des Vereins "München ist bunt! e.V." in der Evangelischen Akademie Tutzing über eine Lesung mit dem Zwickauer Klima- und Antifaaktivisten Jakob Springfeld am 12. März

"Wir brechen mit dem verbreiteten Stereotyp der harmlosen, liebevollen, aber unpolitischen Oma

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"Alt sein heißt nicht stumm sein", erklären die "Omas gegen rechts" © L.G.

Am Stand der „Omas gegen Rechts“ machten ehrenamtliche Mitarbeiterinnen dieser 2017 in Wien gegründeten Organisation ihre Motivation deutlich: „Nach dem Motto ‚Alt sein heißt nicht stumm sein‘ brechen wir mit dem verbreiteten Stereotyp der harmlosen, liebevollen, aber unpolitischen Oma.“ Wichtig seien Respekt und Achtung gegenüber allen Menschen, unabhängig von ihrer Religion, Weltanschauung, Herkunft oder sexuellen Identität. In der Organisation gab es Diskussionen darüber, ob die Verwendung des Begriffs „rechts“ statt „rechtsradikal“ oder „rechtsextrem“ richtig ist, wie eine Mitarbeiterin berichtete. Eine Änderung wäre aber nach ihren Worten organisatorisch schwierig gewesen. Für sie selbst sei alles rechts von der CSU gemeint, sagte sie.

Als Teil des „kommunalen Netzwerks“ in München stellte sich die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus in München (firm) vor, die aktuelle Entwicklungen in der regionalen extrem rechten Szene beobachtet und analysiert. Das von der Landeshauptstadt München geschaffene kommunale Netzwerk besteht aus verschiedenen Angeboten gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Radikalisierung, Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. In Tutzing vorgestellt hat sich auch der gemeinnützige Verein „München ist bunt!“, der sich gegen Rassismus und Menschenverachtung sowie für eine demokratische und tolerante Stadtgesellschaft einsetzt. Seine Überzeugung: „Wir glauben, dass man gegen Rechtsextremismus am wirksamsten mit Initiativen und Projekten vor Ort angehen kann.“

Mit dabei war in Tutzing auch das Team „Zivilcourage für alle“, das die Menschen befähigen will, Wissen über Zivilcourage zu erlangen und sich in kritischen Situationen kompetent zu verhalten. Auslöser für die Gründung des Vereins war der Tod des Geschäftsmanns Dominik Brunner am 12. September 2009 nach einer Prügelei mit zwei Jugendlichen am Münchner S-Bahnhof Solln. Er hatte vier Schüler vor den beiden gewalttätigen Jugendlichen beschützen wollen. In Trainings will der Verein vermitteln, wie man in Notsituationen handeln kann, ohne sich selbst zu gefährden.

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„Gewalt kommt nicht in die Tüte“

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An den Ständen kam es zu vielen angeregten Gesprächen © L.G.

Ebenfalls vertreten war in Tutzing der „Weiße Ring“, die einzige bundesweit in Deutschland tätige Organisation der Opferhilfe. Sie wird von der Idee getragen, Menschen zu helfen, die von Straftaten betroffen sind. „Wir sind unabhängig von staatlicher Finanzierung und nehmen Partei für Kriminalitätsopfer“, erklärt die Organisation. Dazu gehöre auch der schnelle direkte Zugang zu Spezialisten wie Rechtsanwälten, Therapeuten, Traumatologen und Rechtsmedizinern – „ohne Angst vor Kosten“.

An einem Stand präsentierte sich der Verein „One Billion Rising München e.V.“, der gegen die Gewalt an Frauen kämpft. „Weltweit ist jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens von sexueller oder sexualisiertger Gewalt betroffen“, so die Initiatoren. Am 14. Februar gehen weltweit Menschen auf die Straße und weisen auf die Missstände hin. Viel Aufsehen erregt regelmäßig die gemeinsam mit Bäckern organisierte Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“.

Zu den Mitwirkenden in Tutzing gehörte auch das Bundesnetzwerk Zivilcourage, eine Interessensgemeinschaft unterschiedlicher Beteiliger, die sich für eine respektvolle und zivilcouragierte Gesellschaft stark machen. In einem Flyer, der in der Akademie verteilt wurde, gibt die Organisation Tipps für Zivilcourage. In Tutzing vertreten war ebenso der Verein „Lichterkette e.V.“, der seit 30 Jahren gegen Ausgrenzung kämpft. Eines seiner Projekte ist die Kampagne „Mensch.Deutschland“, bei der in zahlreichen Videoclips Menschen über regelmäßige Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung berichten. Die Botschaft: Nein zu Diskriminierung und Ja zu Vielfalt.

Preis für Medienkompetenz an den Schulen

Noch weitere Initiativen waren vertreten, so beispielsweise „Inner Wheel“, die größte Frauen-Service-Organisation, die sich aktuell mit dem „Zivilcourage-Preis 2024“ für mehr Medienkompetenz an den Schulen einsetzt. „Hass und Hetze, Mobbing, Gewalt, Missbrauch und Rassismus im Netz, wie können wir unsere Kinder dafür schützen?“ fragt die Organisation. Obwohl seit vielen Jahren die Forderung von Eltern und Lehrern nach mehr Medienkompetenz an den Schulen gefordert werde, sei dieser Begriff bis heute in vielen Schulen und Familien noch ein Fremdwort. Viele bayerische Schulen beteiligen sich aber an dem „Zivilcourage-Preis“. Im Juni findet die Preisverleihung statt.

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