Peter Gauweiler kam aus dem Schwärmen kaum heraus. Man hätte das Gefühl haben können, der frühere bayerische Minister habe sich ein wenig in Königin Therese von Bayern verliebt, als er dieser Tage in der Evangelischen Akademie Tutzing über sie sprach.
„Sie war die populärste, beliebteste bayerische Königin“, sagte der kunsthistorisch bewanderte Politiker, der im vorigen Jahr ein Buch „Evangelisch in Bayern“ veröffentlicht hat (Claudius Verlag, München, 158 Seiten, 15 Euro). Anlass seines Besuchs im Tutzinger Schloss, dem Sitz der Akademie, war ein Bild der Königin, das im Musiksaal der Akademie aufgehängt worden ist - an prominenter Stelle, ganz vorn an der Stirnseite.
Eigens zur Enthüllung des Gemäldes kam sogar Seine Königliche Hoheit Herzog Franz von Bayern nach Tutzing, das Oberhaupt der Wittelsbacher. Er ist der Urururenkel von Königin Therese, nach der die „Wiesn“, die Münchner Theresienwiese, benannt ist, „die berühmteste Wiese der Welt“, wie Gauweiler sagte, auch wenn es sich längst eher um eine „Asphaltn“ handelt, wie der Ur-Münchner Schriftsteller Siegfried Sommer einmal witzelte.
Die Vermählung des bayerischen Kronprinzen Ludwig, des späteren Königs Ludwig I. von Bayern, mit Therese von Sachsen-Hildburghausen am 17. Oktober 1810 mit mehrtätigen Feiern und einem Pferderennen war das, was man heute als Traumhochzeit bezeichnen würde, und markierte den Auftakt zum weltberühmten Oktoberfest.
Das "evangelische Gesicht Bayerns" in der Evangelischen Akademie
Eine Dame war an der Stirnseite des Tutzinger Akademie-Musiksaals auch bisher schon zu sehen gewesen: Die Gäste der Akademie blickten über viele Jahre auf das Porträt einer englischen Gräfin namens Granville. Aber plötzlich tauchte die Frage auf, warum gerade sie so prominent in einer evangelischen bayerischen Einrichtung präsentiert wurde.
Das war im Stiftungsrat der „Stiftung Schloss Tutzing“, dem Gauweiler angehört. Weitere Mitglieder sind der bayerische Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser, die Architektin Mechtild Friedrich Schoenberger, der Tutzinger Gemeinderat und Senior-Direktor von McKinsey Thomas von Mitschke-Collande, der Präsident des Internationalen Rats für Denkmalpflege (ICOMOS), Michael Petzet, der Tutzinger Unternehmer Richard von Rheinbaben, Ministerialdirektor Dr. Friedrich Wilhelm Rothenpieler und der frühere CSU-Chef und Bundesfinanzminister Theo Waigel. Sie beschlossen, die Britin zwar nicht aus der Akademie, aber von ihrem bisherigen Platz zu entfernen. Im Schloss wurde für sie ein anderer Ort gefunden.
Im Musiksaal aber entstand damit Bedarf an einem anderen Bild. Das war gar nicht so einfach, denn es musste eine Reihe von Wünschen erfüllen. So musste es ansehnliche Dimensionen aufweisen. Und natürlich sollte es sich nicht um irgendein Motiv handeln, sondern Bezugspunkte zu Bayern, zur evangelischen Kirche und am besten auch zum Starnberger See aufweisen. Eine Bündelung dieser Anforderungen wurde in Königin Therese (1792-1854) gefunden. Sie sei „das evangelische Gesicht Bayerns“, sagte Akademiedirektor Udo Hahn, der auch Vorsitzender des Stiftungsrats ist. Auch die gusseiserne Bavaria neben der Theresienwiese soll ihre Züge tragen, was als zusätzlicher Beleg für diese These gewertet wird.
Ein osteuropäischer Künstler hat das Gemälde für Tutzing kopiert
Ein bekanntes Porträt der Königin gibt es, gemalt von Joseph Karl Stieler (1781-1858), der zur Zeit von König Ludwig I. bayerischer Hofmaler war. Doch das 1826 entstandene Originalgemälde, das Ludwig 1827 erworben hat, befindet sich heute im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Die hätten es wohl kaum zur Verfügung gestellt. So wurde mit Finanzierungshilfe von Stiftungsräten eine Kopie in Auftrag gegeben.
Für so etwas gibt es Spezialisten. Einer von ihnen ist der Münchner Galerist Daniel Cid Gómez. Er kennt zahlreiche Künstler und deren Fähigkeiten. Viele von ihnen sind (noch) nicht so bekannt, dass sie vom Verkauf ihrer eigenen Werke leben können, beherrschen aber ihr Handwerk exzellent und können auch perfekt berühmte Originalgemälde kopieren.
Das ist erlaubt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. In Deutschland darf ein Bild nachgeahmt werden, wenn sein Urheber vor mehr als 70 Jahren gestorben ist. Regional gibt es da Unterschiede: In den USA sind es nur 50 Jahre.
Die Kopie muss auch als solche kenntlich gemacht werden, doch dafür reicht zum Beispiel ein Hinweis auf der Rückseite aus, sagte Goméz in Tutzing.
Bayern durch protestantische Einflüsse veredelt: Herzog Franz lauschte interessiert
Mit Hilfe des Galeristen wurde ein Künstler in Osteuropa gefunden. Er hat Stielers Gemälde für die Tutzinger Akademie nachgemalt - so perfekt, dass wohl selbst Kenner genau hinschauen müssen, um es als Kopie zu entlarven. Der Name des Kopisten wurde nicht erwähnt: In solchen Fällen bleiben die Nachahmer anonym. „Das Gemälde ist ein Produkt unserer Tage“, sagte Akademiedirektor Hahn. Doch der Rahmen stammt immerhin aus dem 19. Jahrhundert. Der Restaurator Christian Götz aus Schöngeising hat ihn instand gesetzt.
Sichtlich gerührt war Herzog Franz, als er mit Akademiedirektor Udo Hahn einen orangefarbenen Stoff vom Bild seiner Urururgroßmutter wegzog. Anschließend lauschte er höchst interessiert Gauweilers Ausführungen. Dass der frühere Vizevorsitzende der CSU immer wieder die „Veredelung“ Bayerns durch protestantische Einflüsse betonte, schien den Katholiken nicht zu stören. Später bekannte der Wittelsbacher, er habe bei dieser Gelegenheit Vieles erfahren, was er noch nicht gewusst habe.
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