Wirtschaft
19.4.2022
Von Lorenz Goslich

„Von arbeitenden Firmen leben wir“

Tutzing will mehr Wirtschaft ansiedeln – Mehr Gewerbesteuereinnahmen als erwartet

Die Gemeinde Tutzing will mehr Gewerbe anlocken. Das hat Bürgermeisterin Marlene Greinwald kürzlich bei der Einweihungsfeier des Unternehmens W.A.F. gesagt, dessen Zentrale im Ortsteil Kampberg in relativ kurzer Zeit deutlich erweitert worden ist.

Für Tutzing sei dieses Unternehmen auch in finanzieller Hinsicht wichtig, sagte Greinwald. Dabei verwies sie erfreut darauf, dass die Wirtschaftskrise und auch Corona die Tutzinger Gewerbesteuereinnahmen nicht etwa gesenkt, sondern sogar erhöht habe. Für das ganze Jahr 2021 waren die Gewerbesteuer-Einnahmen mit 4,3 Millionen Euro eingeplant worden, doch tatsächlich sind sie auf 5,7 Millionen Euro gestiegen. Das ist ihr bisheriger Höchststand in Tutzing.

W.A.F., ein auf die Fortbildung von Betriebsräten spezialisierter Seminarveranstalter, hatte vor der Corona-Krise allein rund 1,2 Millionen Euro Gewerbesteuer bezahlt. Und auch in diesem Jahr sieht es in dieser Hinsicht nicht schlecht aus: Vorstandsmitglied Christian Lütgenau rechnet mit einem Wachstum um rund 20 Prozent auf etwa 55 000 Seminar-Teilnehmer gegenüber dem letzten Jahr vor Corona, 2019.

Bürgermeisterin Greinwald betonte die Bedeutung des Gewerbes für die Gemeinde Tutzing: „Das ist unser Brot.“ Denn der Anteil der Kommunen bei der Lohn- und Einkommensteuer sei gedeckelt: „Von arbeitenden Firmen, Betrieben und Geschäften leben wir – das können wir weitergeben für Schulen und andere Pflichtaufgaben, und wenn noch etwas übrigbleibt, auch für andere Aufgaben.“

Die schnell Erweiterungsbauten von W.A.F. an der Blumenstraße in Kampberg sind innerhalb von nur einem Jahr errichtet worden. Die Kosten von 15 Millionen Euro konnte das Unternehmen nach Angaben des Aufsichtsratsvorsitzenden Rüdiger Marquardt gut finanzieren: Die Eigenkapitalquote betrage 100 Prozent, sagte er bei der Einweihungsfeier stolz. Viel Anerkennung zollten die Verantwortlichen der Firma der Gemeinde Tutzing und dem Landratsamt wegen schneller Genehmigungen. „Sie haben hier in kürzester Zeit Baurecht geschaffen“, sagte Marquardt anerkennend.

Es war allerdings ein Lob mit Einschränkungen. Beim Landratsamt Starnberg, sagte Marquardt, hänge über der Tür ein unsichtbares Schild: „Da steht ‚nein‘ drauf.“ Wegen der zunächst ablehnenden Haltung habe man den Starnberger Wirtschaftsförderer Christoph Winkelkötter um Hilfe gebeten. Das war offenbar genau zu der Zeit, als Stefan Frey zum neuen Landrat des Landkreises Starnberg gewählt worden ist. Winkelkötter wandte sich an Frey, der sich der Kampberger Angelegenheit sofort persönlich angenommen hat, erzählte Marquardt den Einweihungsgästen. Für den neuen Landrat war das offenbar eines der ersten Projekte in seinem neuen Amt. Ein weiteres Problem konnte aber auch Frey nicht lösen: Zusätzlich zur Firmenerweiterung wollte W.A.F. auch noch Wohnungen errichten – für seine Mitarbeiter, vielleicht auch für andere. Aber bei dem Areal handelt es sich um ein reines Gewerbegebiet – und das Landratsamt hat dieses Ansinnen abgelehnt, wie Unternehmensvorstand Christian Lütgenau bei der Einweihungsfeier bedauernd mitgeteilt hat.

Mit der Genehmigung für die Gewerbebauten aber ist alles sehr schnell gegangen. Das liege nicht nur an der Gemeinde und den Behörden, sagte Tutzings Bürgermeisterin Greinwald. „Es liegt auch an Ihnen“, rief sie den Verantwortlichen des Unternehmens zu. Ein wesentliches Problem sieht sie in anderen Fällen darin, dass manche Bauwerber mit immer neuen Wünschen kämen. „Man darf nicht gegeneinander arbeiten, es muss ein Miteinander sein“, betonte sie. Ähnlich urteilte Christoph Winkelkötter, der Chef der für den Landkreis Starnberg zuständigen Wirtschaftsfördergesellschaft gwt: „Wenn alle an einem Strang ziehen – Bauwerber, Gemeinde, Kreisbauamt -, dann passt es.“ Der Bauunternehmer Dieter Glass war sichtlich neidisch auf Tutzing und den ganzen Landkreis Starnberg. Anderswo werde Vieles von Bürokratie beherrscht. Der Landkreis Starnberg und Tutzing, sagte Glass, seien in dieser Hinsicht Vorbilder.

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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