Verkehr
15.10.2024
Von Lorenz Goslich

Déjà-vu in Unterzeismering

Eine „Beradlung“ brachte kritische Verkehrsthemen zur Sprache, die schon oft angeprangert worden sind

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Viele Wünsche, aber auch viel Wenn und Aber: Die Teilnehmer der "Beradlung" in Unterzeismering

Besprechungen über Verkehrsprobleme werden oft von frustrierenden Erkenntnissen begleitet: Vieles wäre ja eigentlich nötig und sinnvoll, aber aus diesem und jenem Grund ist es doch nicht so einfach. So waren auch am Montag bei einer „Beradlung“ von Unterzeismering und der Strecke von Tutzing bis zu diesem Ortsteil zahlreiche Wünsche zu hören, es wurde aber auch viel Wenn und Aber erwartet, besonders von den diversen Behörden, die zuständig sind und ihre Ermessensspielräume, wie ein Kenner aus dem Gemeinderat anmerkte, teils recht unterschiedlich nutzen. Bürgermeister Ludwig Horn, der ebenso wie mehrere Gemeinderatsmitglieder an der Besichtigung teilnahm, zieht daraus diese Konsequenz: Eine Änderung könne um so schneller umgesetzt werden, je weniger bauliche Maßnahmen mit ihr verbunden seien. Kurzfristig mögliche „Ad-hoc-Maßnahmen“ wurden deshalb immer wieder als sinnvoll bezeichnet. Die Tutzinger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC, die die „Beradlung“ organisiert hat, wurde sogar aufgefordert, solche „Ad-hoc-Maßnahmen“ in ein vorgesehenes Protokoll aufzunehmen.

"Vieles ist recht uneindeutig in Tutzing"

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Hindernis auf dem Parkplatz des Würmseestadions: Eine Ecke mit Baum

Die Teilnehmergruppe war nicht allzu groß. Vom ADFC waren Ortssprecher Martin Held und sein Stellvertreter Claus Piesch dabei, der auch Gemeinderat der Freien Wähler ist, außerdem der Kreisvorsitzende Anton Maier. Auch mehrere Tutzinger Gemeinderatsmitglieder haben sich auf ihre Räder geschwungen, um mitzumachen: Flora Weichmann von den Grünen, Rolf Bäck und Thomas von Mitschke-Collande von der CSU.

Start war zunächst nicht in Unterzeismering, sondern in Tutzing am Kreisverkehr. Gesprochen wurde dort unter anderem über Möglichkeiten einer Fortführung der Radschutzstreifen und eine Verlängerung des Gehwegs. Radwege sollten möglichst ohne Lücken sein, erklärte Bettina Twiehaus, die selbst eine erfahrene Verkehrsplanerin ist. Nach ihrer Meinung wird der Schutzstreifen wohl in einen kombinierten Geh- und Radweg überführt werden.

Eine Ansammlung von Problemstellen fiel den Teilnehmern beim Würmseestadion auf: Da führt der Radweg im Südbereich des Parkplatzes um eine Ecke herum, die entfernt werden sollte, meinte Mitschke-Collande. Drüben auf der anderen Straßenseite verläuft der Weg recht unübersichtlich, so dass ihn nicht wenige Radfahrer gleich ganz meiden und die Straße nutzen. Wer auf dem Weg bleibt, kommt wegen eines nur kurz durch eine Absenkung unterbrochenen Bordsteins kaum auf die Straße hinunter, und vorn an der Einmündung gelangen Radfahrer nicht auf die Straße, sondern entlang einer Leitplanke hinunter auf die Seestraße. „Vieles ist recht uneindeutig in Tutzing“, kommentierte ADFC-Sprecher Held.

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Der Weg neben der Staatsstraße in Richtung Tutzing wird zum Gehweg, bevor er sich teilt: rechts führt eine Treppe hinab, links geht es zur Seestraße hinunter. Nicht wenige Radfahrer meiden den Weg gleich ganz und ziehen die Straße vor.

Trotz Weg ziehen viele, die mit dem Rad fahren, die Straße vor

An der südlichen Gröschlstraße machte die Gruppe ihren nächsten Halt. Da gab es Diskussionen über die dortige Bushaltestelle, bei der eine optische Verbesserung angemahnt wurde, und über die beste Radwegführung. Den geteerten Weg neben der Staatsstraße halten viele für zu schmal und eine Verbreiterung für sinnvoll. Fahren kann man mit dem Rad aber unterschiedlich.

Von Unterzeismering nach Tutzing direkt an der Straße sei es am schnellsten, über die Gröschlstraße am sichersten, meinte Horn. Bettina Twiehaus weiß, wie sich die meisten Radfahrer verhalten: „Es wird immer der kürzeste Weg gesucht.“ Auf der Straße, die diesem Anspruch gerecht wird, dürfte das Radfahren jedenfalls nicht verboten werden, meinte Horn. Man kann zwar mit dem Rad auch auf dem geteerten Streifen neben der Straße fahren, doch viele, die mit dem Rad - besonders mit dem Rennrad - fahren, ziehen die Straße vor. Generell ist die Staatsstraße Sache des Staatlichen Bauamts und die Optimierung der „Zuläufe“ Sache der Gemeinde, sagte Bettina Twiehaus.

Vor Unterzeismering wurde der Gruppe die Weiterfahrt verboten

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Hier erging es den Teilnehmern der Gruppe wie vielen, die mit dem Rad unterwegs sind: Ein Fußgängerschild verbot ihnen die Weiterfahrt. Die meisten ignorierten es, es gab auch die Empfehlung, dasSchild zu entfernen.

Kurz vor dem Ortsbeginn von Unterzeismering standen die Teilnehmer der Gruppe vor einem Schild, das ihnen die Weiterfahrt auf dem bisherigen Radweg verbot: Nur für Fußgänger ist dort die Benutzung des weiteren Wegs erlaubt. Das führte zu einigen launigen Bemerkungen, bis Mitschke-Collande meinte, man solle das Schild einfach wegnehmen. Vielleicht wird das geschehen, aber vorerst bleibt es dort stehen – was die meisten Teilnehmer der Gruppe nicht davon abhielt, an ihm vorbei weiter in Richtung Unterzeismering zu fahren. Polizisten waren ja nicht dabei.

Etwas weiter vorn wartete schon Nicole Stempinsky. Sie ist dort Mieterin in einem Haus direkt neben der Straße. Wenn es dunkel ist, donnerten die Autos auf der Straße mit 80 oder 100 Sachen durch, berichtete sie. „Da muss dringend geblitzt werden“, folgerte sie, „oder ich wünsche mir ein Smiley.“ Bürgermeister Horn erwähnte eine Prioritätenliste für Blitzer, auf der Unterzeismering vielleicht ein wenig nach vorn rücken könnte, und die Möglichkeit vorangehender verdeckter Geschwindigkeitsmessungen. Das werde aber noch etwas dauern, wahrscheinlich bis Ende November. „Ich hab schon gesagt, ich kauf mir selbst einen“, witzelte die Einheimische in Sachen Smiley.

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Anwohnerin Nicole Stempinsky (rechts) liebäugelt schon damit, selbst einen Smiley anzuschaffen

Auch Einheimische geben gelegentlich schon im Ort "Vollgas"

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Im "Bauerngirgl" einkehren konnten die Teilnehmer der Gruppe nicht - der ist schon seit Jahren keine Gaststätte mehr. So diskutierten sie nebendran auf der Straße.

Im Zentrum von Unterzeismering machte die Gruppe neben dem „Bauerngirgl“ halt. Da mussten die Teilnehmer ein paar Mal eng zusammenrücken, um Autos die Durchfahrt zu ermöglichen. Wie am Stachus gehe es da zu, meinte jemand. „Und dann auch noch eine Wirtschaft hier, das wär’s…“, meinte Bürgermeister Horn lächelnd. Die einst beliebte Gaststätte Bauerngirgl, deren Name immer noch das längst als Wohnhaus dienende Gebäude ziert, vermissen viele. Auch für solche Diskussionen wie bei der „Beradlung“ hätte das Lokal wahrscheinlich ein gemütliches Ambiente geschaffen. Aber die Zeiten haben sich in vieler Hinsicht geändert. So gab es keinen Treff im Wirtshaus, sondern Diskussionen auf der Straße über die vielen Verkehrsgefahren in Unterzeismering: Kurvenreiche Straße, an vielen Stellen ohne Gehweg, schlechte Sicht, schnelle Autos. „Deswegen holen und bringen wir unsere Kinder häufig, denn für sie allein ist es viel zu gefährlich“, berichtete eine Einheimische erkennbar besorgt.

Gerade die von Süden, aus Richtung Bernried kommenden Autos reduzierten ihre Geschwindigkeit viel zu wenig, kritisierte Dr. Frank Schleyerbach, der in dieser Gegend wohnt und sich zur Gruppe gesellte: „Am Ortsschild haben viele noch 70 drauf.“ Dort fahren nach seinen Beobachtungen auch viele Radfahrer auf der Straße. „Irgendwann passiert da was“, warnte er. Vielen Radfahrern sei zudem nicht klar, ob sie auf dem Weg bleiben oder auf der Straße fahren sollten. In der anderen Richtung, nach Süden, geben nicht wenige Einheimische nach Schleyerbachs Worten schon vor Erreichen des Ortsschilds „Vollgas“. Dort fahre niemand 50.

Querungshilfen und Mittelinseln wurden gefordert. Querungshilfen werden aber von öffentlichen Bereichen auf beiden Straßenseiten abhängig gemacht – bei Privatgrund auf einer Seite klappt es nicht, wie Horn zu bedenken gab. Funktionieren könnte es vielleicht mit Radschutzstreifen. Die Verkehrsabteilung der Gemeinde prüft offenbar Möglichkeiten einer Ausweitung der Straße an bestimmten Stellen, so beim südlichen Ortseingang, um solche Streifen zu ermöglichen.

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Ortsschild hin oder her: Da fährt niemand 50, sagen Einheimische. Von Höhenried herunter kommen viele recht rasant, wie sie beobachten - in Unterzeismering bremsen sie nicht ab. © Fotos: L.G.

Insel, Smiley, Blitzer: Das Erfolgstrio?

Nach Meinung von Bettina Twiehaus würde eine Mittelinsel wohl im Kurvenbereich angelegt werden, weil man möglichst viel Sicht auf sie haben sollte. Mitschke-Collande hält eine Querungshilfe auch bei der Einfahrt zum Bauernhof Vogl südlich von Unterzeismering für denkbar. Auch am nördlichen Ortseingang hätten viele gern so eine Übergangshilfe. Für Schutzstreifen auf beiden Seiten werde die Straßenbreite im Ort nicht ausreichen, sagte Horn. Die Möglichkeiten fasste er zu einem Trio zusammen: „Insel, Smiley, Blitzer - ich weiß nicht, was sonst noch hilft.“ Alle größeren Maßnahmen, das weiß Bettina Twiehaus, setzen jedenfalls eine umfangreiche Planung voraus, die die „Machbarkeit“ nachweist.

Der lange Weg zu Verkehrsverbesserungen

Erstaunlich wenige Einheimische aus Unterzeismering haben sich an der „Beradlung“ beteiligt. Darin dürfte auch eine gewisse Ernüchterung zum Ausdruck kommen: Viele haben wohl den Eindruck gewonnen, dass bei solchen Treffen doch nicht allzu viel herauskommt. Tatsächlich brachte die Besichtigungstour am Montag manches Déjà-vu für diejenigen, die schon bei anderen Veranstaltungen mit diesem Thema dabei waren.

Die meisten kritischen Aspekte, gefährlichen Verkehrspunkte und für erforderlich gehaltenen Änderungen sind nämlich bei den diversen anderen Gelegenheiten schon oft angeprangert worden. Die Grünen haben Ende Juni vorigen Jahres in Unterzeismering eine Ortsbesichtigung organisiert, daraufhin haben sie eine Liste von Verbesserungsvorschlägen erarbeitet. Sie standen im September vergangenen Jahres im Verkehrsausschuss des Gemeinderats zur Debatte. Dort wurde beschlossen, sie mit den zuständigen Fachbehörden zu prüfen, sie im Arbeitskreis Mobilität des Gemeinderats abzuwägen und dann zur weiteren Klärung eventuell eine Begehung von Unterzeismering zu organisieren. Dann hörte man über dieses Thema über Monate nichts mehr.

Eine Ortsteilbürgerversammlung im September dieses Jahres förderte die Sorgen der Einheimischen und ihre Anregungen für mehr Verkehrssicherheit erst recht wieder zu Tage. Sichtlich verdrossen bemerkte bei dieser Gelegenheit Dr. Schleyerbach, die kommunalen Verantwortlichen in der Nachbargemeinde Bernried setzten ihre Verkehrswünsche erfolgreicher durch als die Tutzinger: "Die haben alles durchgekriegt, was sie wollten", sagte er. Der nächste Schritt war nun am Montag die „Beradlung“. Ob sie mehr bringen wird als all die anderen Diskussionen, daran schienen die wenigen anwesenden Einheimischen eher zu zweifeln.

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Ja die Ecke am Stadion ist wirklich sehr störend (Sarkasmus).
Österreichische Polizisten können - so heißt es - Kraft Amtes und sicherlich auch besonderer Befähigungen die gefahrenen Geschwindigkeiten allein durch ihre persönlichen opto-akustischen Wahrnehmungen korrekt einschätzen. Absolut beeindruckend!

Da uns Piefkes diese Ausbildungen & speziellen genetischen Fähigkeiten der österreichischen X-Men fehlen, sollten wir die diskreten Geschwindigkeitsmeßanlagen nutzen, die unsere Gemeinde meines Wissens im Bestand hat oder über andere Kanäle nutzen kann; dann bekommen auch wir Gewissheit über das allgemeine Verkehrsverhalten an den kritisierten Stellen.
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