Vor kurzem wurden die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2022 veröffentlicht. Er wird alle zwei Jahre vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert und will herausfinden, wie zufrieden die Menschen in Deutschland mit dem Radfahren sind. In Tutzing haben diesmal 79 Personen an dem Test teigenommen. Die Bewertung entspricht dem gängigen Schulnotensystem mit 1 = fahrradfreundlich bis 6 = nicht fahrradfreundlich. Die Ergebnisse werden ortsspezifisch ausgewiesen und im Ranking nach Ortsgrößenklassen eingeteilt. Damit werden die Tutzinger Ergebnisse im Vergleich zu den Ergebnissen bundesweit und in Bayern in Orten bis zu 20 000 Einwohnern eingeordnet. Wir haben die Tutzinger Ortsgruppe des ADFC Tutzing zu den Tutzinger Ergebnissen befragt.
vorort.news: Tutzing steht nach den Ergebnissen des Fahrradklimatests unter den Kommunen relativ gut da. Mehr als 50 % der Teilnehmer meinen, in Tutzing sei schon viel für den Radverkehr getan worden (Note 2 oder 3). Ist die Lage für Radfahrer in Tutzing aus Ihrer Sicht tatsächlich schon recht gut?
ADFC Tutzing: Zuerst wollen wir uns sehr herzlich bei allen Tutzinger Radler:innen bedanken, die am Fahrradklimatest 2022 teilgenommen haben. Sie haben sich zum Ausfüllen des Tests Zeit genommen und ermöglichen damit ein differenziertes Stimmungsbild zur Entwicklung der Bedingungen des Radelns in Tutzing. Tutzing wurde im Fahrradklimatest mit einer Gesamtnote von 3,8 bewertet. Dieses Ergebnis ist insbesondere im Vergleich zu den vorangehenden Tests interessant. 2018 war die Gesamtbewertung 4,1 und 2020 war sie 3,9. Der positive Trend ist erfreulich. Hinter dieser zusammenfassenden Bewertung steckt eine Vielzahl von Einzelfragen. Zu vermuten ist, dass die Gesamtverbesserung mit zwei Entwicklungen zusammenhängt. Einerseits hat das Fahrradfahren in Tutzing in den vergangenen Jahren weiter zugenommen und findet zunehmend öffentliche Beachtung. Andererseits wurde in den vergangenen Jahren auch mehr für den Radverkehr gemacht. Ein Beispiel dafür ist die relativ positive Einzelwertung für die Frage „Öffnen von Einbahnstraßen in Gegenrichtung“ mit 2,7. Zugleich spiegelt sich in Einzelergebnissen wie etwa zur Führung an Baustellen für Radler:innen die aktuelle Situation aufgrund der Baustelle in der Hauptstraße wider (Bewertung 4,8). Andere Einzelergebnisse beispielsweise zum Sicherheitsgefühl – Bewertung 4,4 – verdeutlichen noch ein erhebliches Verbesserungspotenzial.
vorort.news: Bei der „Wichtigkeit der Themen“ fallen Unterschiede zu ähnlichen Orten auf. Z.B. Konflikte mit Kfz gibt es nach dem Test in Tutzing oft, anderswo weniger. Ähnlich stehen das Sicherheitsgefühl und die Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer bei den Tutzinger Radfahrern ganz oben in der Liste der wichtigen Themen, in anderen Orten wird ihnen nicht ganz so hohe Bedeutung beigemessen. Warum, glauben Sie, ist in Tutzing so Vieles anders?
ADFC Tutzing: Die Unterschiede zwischen den Orten sind insgesamt enorm auch in der gleichen Ortsgrößenklasse. Ein Teil der Unterschiede erklärt sich vermutlich durch die Rahmenbedingungen, wie insbesondere Infrastruktur, aber auch die Topografie. Beispielsweise ist die Bewertung einer Frage zum
Fahrrad- und Verkehrsklima „… fahren alle Fahrrad – egal, ob alt oder jung / fahren nur bestimmte Gruppen Fahrrad (z.B. Kinder, Radsportler*innen)“
in Tutzing 3,6 und im Durchschnitt vergleichbar großer Orte 3,1. Tatsächlich ist die Sicherheit in Tutzing bisher nur in Einzelstrecken für Radler:innen gut. Es gibt jedoch noch kein Radwege-Gesamtnetz. Die geplanten Radschutzstreifen im Zuge des Umbaus der Hauptstraße im Bauabschnitt Nord, Tempo 30 in Tutzing Mitte, der Ausbau des Rad-/Gehwegs nach Unterzeismering und ein Geh-/Radweg entlang der Staatsstraße Richtung Weilheim bis zum Beginn des Rad-/Gehwegs ab dem Ortsschild (Lindemannstraße) sind dafür wichtige Maßnahmen. Zugleich ist der Unterschied zu einer Frage auffällig zum
Stellenwert des Fahrradfahrens „… wurde in jüngster Zeit besonders viel für den Radverkehr getan / … wurde in jüngster Zeit kaum etwas für den Radverkehr getan.“ In Tutzing gab es dafür im Durchschnitt 3,3, während in vergleichbar großen Orten die Bewertung bei 4,3 lag. Auch im Vergleich der Tutzinger Ergebnisse zu den Jahren 2018 und 2020 kann man hier eine deutliche Verbesserung erkennen.
vorort.news: Die Bewertung von Stärken und Schwächen ist sehr detailliert. Wo ist aus Sicht des ADFC Lob angebracht, wo sind Verbesserungen erforderlich?
ADFC Tutzing: Wir sind als ADFC nicht in der Rolle desjenigen, der Lob und Tadel zu verteilen hat. Die Ergebnisse des Fahrradklimatests spiegeln die Situation und Entwicklung der Bedingungen für das Radfahren in Tutzing ganz gut wider, obgleich es ja keine repräsentative Umfrage ist. An einigen Beispielen zu Einzelergebnissen haben wir bereits einige Einschätzungen illustriert. Positiv ist insgesamt, dass Radeln stärker zum Thema gemacht wird und zunehmend in die Planung einfließt. Hier macht sich sicherlich auch bemerkbar, dass im Gemeinderat seit dieser Wahlperiode ein Arbeitskreis Mobilität eingerichtet wurde, der auch sehr aktiv ist. Die Bewertungen zum Sicherheitsgefühl und Konflikten mit Kfz sind ebenfalls ganz plausibel und unterstreichen, wie viel noch zu tun ist.
Interessant sind auch die relativ positiven Einschätzungen und Trendverbesserungen. So wurde beispielsweise das Öffnen von Einbahnstraßen für Radler:innen in Gegenrichtung als verbessert eingeschätzt. Die neue Gesetzesregelung, nach der das Öffnen in Gegenrichtung der Normalfall ist und nur in begründeten Ausnahmefällen nicht angewandt werden soll, ist in Tutzing noch nicht vollständig umgesetzt. Ebenso wurde die Verfügbarkeit von Fahrradabstellanlagen 2018 mit 4,4, 2020 mit 4.2 und 2022 mit 3,8 eingestuft. Diese Tendenz entspricht der Entwicklung. Zugleich sieht man, welche weiteren Verbesserungspotenziale noch zu realisieren sind.
vorort.news: Tutzing hat beim Fahrradklimatest die Gesamtnote 3,8. Wo sollte die Zielmarke sein?
ADFC Tutzing: Der positive Trend sollte weiterhin deutlich sein – eine weitere kontinuierliche Verbesserung. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Förderung des klimafreundlichen und gesundheitsförderlichen Radfahrens sondern auch für die Schaffung und Aufwertung von Plätzen, die Aufwertung des öffentlichen Raums, mehr Grün in der Hauptstraße und mehr Ruhemöglichkeiten für Fußgänger:innen.
Wir danken Sonja Bonneß, Martin Held, Dörte Peschke, Claus Piesch, Silvia Stelzer von der Ortsgruppe des ADFC Ortsgruppe Tutzing herzlich für das Interview.
Kontakt: adfc-tutzing@online.de
Ergebnisse Fahrradklimatest 2022
https://fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse#c119415
Detailergebnisse Fahrradklimatest 2022 Tutzing
https://fkt.object-manager.com/data/2022/Tutzing_9188141_FKT2022.pdf
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