Verkehr
7.12.2023
Von Lorenz Goslich

„Äußerst geringe Kapazitäten“

Kein Schienenersatzverkehr: Wie die Bahn das begründet – Nach dem Schnee nun Streik

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Anzeige am Tutzinger Bahnhof gestern © L.G.

Irgendwann gestern begannen die S-Bahnen der Linie 6 wieder zu fahren. Zuvor konnte man viele frustrierte Menschen am Tutzinger Bahnhof sehen. Sie blickten auf die Anzeige, die ihnen mitteilte, dass es keinen Zugverkehr gibt - und auch keinen Schienenersatzverkehr.

Warum eigentlich kein Schienenersatzverkehr? Das fragten viele sichtlich verständnislos. Denn die Straßen waren alle frei – weshalb da keine Busse fahren konnten, dafür war kein Grund erkennbar, zumal ja die anderen Busse, beispielsweise die des MVV, offenkundig problemlos ihre Aufgaben erfüllen konnten.

Erst: "Kein Zugverkehr möglich" - dann plötzlich fuhren die S-Bahnen wieder pünktlich ab

Wir haben gestern gegen Mittag bei der Deutschen Bahn in München nachgefragt und gegen 14 Uhr diese Antwort erhalten: „Aufgrund der Dimension der betroffenen Strecken kann nach aktuellem Stand leider nur sehr punktuell und mit äußerst geringen Kapazitäten ein Busnotverkehr organisiert werden.“ Warum das alles so schwierig ist, wurde nicht näher erläutert. Die Bahn verwies auf wenige „bereits bestehende Ersatzverkehre“, die planmäßig verkehrten: Penzberg - Kochel und Garmisch-Partenkirchen - Mittenwald. Tutzing war nicht dabei, die Bahn machte auch keine Ankündigungen, wann in und um Tutzing wieder Züge oder ersatzweise Busse fahren würden. Auf allen Strecken der Werdenfelsbahn sei aktuell leider kein Zugverkehr möglich, teilte sie mit.

Aber auf einmal zeigte die Fahrplansuche der Bahn im Internet dann doch ganz normal verkehrende S-Bahnen an. Darauf hatte uns die Bahn nicht hingewiesen – wahrscheinlich wusste sie es am frühen Nachmittag selbst noch nicht. Eine Überprüfung am Tutzinger Bahnhof bestätigte es aber tatsächlich: Absolut pünktlich fuhr die S6 in Richtung Ebersberg auf Gleis 2 ab.

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Sie fuhr wieder - und sogar sehr pünktlich: S6 gestern um 22.24 Uhr © L.G.

Nach dem Wintereinbruch Streik: "Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr massiv beeinträchtigt"

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Wo es zum Schienenersatzverkehr - kurz "SEV" - geht, ist am Tutzinger Bahnhof gut gekennzeichnet. Aber gestern war er "nicht möglich". Möglich waren dagegen der normale Bus und das Taxi.

Die Bahn verwies auch noch auf jederzeit aktualisierte Informationen per Internet unter https://regional.bahn.de/regionen/bayern/fahrplan/aktuelle_betriebslage. Über die S6 ist dort heute diese Mitteilung zu lesen:

„GDL-Streik angekündigt: Der Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr der DB wird ab 7.12. abends, bis 8.12. massiv beeinträchtigt sein!“ Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der in den letzten Tagen witterungsbedingt aufgetretenen Schäden an Infrastruktur und Fahrzeugen versuche DB Regio Bayern einen Notfahrplan mit einem stark begrenzten Zugangebot zu realisieren. Die Bahn rät: „Bitte beachten Sie, dass es bereits vor dem Streikbeginn ab ca. 18:00 Uhr und auch nach dem Streik-Ende bis voraussichtlich 09.12., 03:00 Uhr, zu Ausfällen und Verspätungen kommen wird. Bitte sehen Sie von nicht notwendigen Reisen während des GDL-Streiks ab und verschieben Sie Ihre Reise auf einen anderen Zeitpunkt.“

Na also. Der Schnee ist doch nicht an allem schuld.

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Drei Züge, aber keiner von ihnen fuhr: Gestern tagsüber am Tutzinger Bahnhof © L.G.
ID: 6406
Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Früher fuhr ein Zug nach Nirgendwo …Heute fährt Nirgendwo ein Zug
Die Tatsache, dass die Bahn bis auf ein klapperdürres Gerüst runtergespart wurde, das kaum noch funktional ist, geht auf das Wahlverhalten der Bürger zurück. Dort liegt also die erste Verantwortung. "Die Deutsche Bahn AG ist ein bundeseigener Mobilitäts- und Transportkonzern und befindet sich vollständig im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr", so erklärt die Wikipedia. Und im Bundesverkehrsministerium liegt somit die vom Wähler delegierte Verantwortlichkeit. Hier nun die Liste der deutschen Bundesverkehrsminister :

2009 - 2013 Dr. Peter Ramsauer (CSU)
2013 - 2017 Alexander Dobrindt (CSU)
2017 - 2018 Christian Schmidt (kommissarisch, CSU)
2018 - 2021 Andreas Scheuer (CSU)
2021 - Volker Wissing (FDP)

Diese Verkehrsminister haben durchweg enorm viel Geld in den Bau von (zumeist bayerischen) Straßen investiert und die Bahn sowie den ÖPNV so kurz gehalten, wie es nur ging.
Danke Ihnen für Ihren Artikel und Ihre Recherche! Jetzt wurde den ganzen Sommer über die Oberleitung neu gemacht aber vermutlich hat keiner daran gedacht, auch die Bäume und Sträucher zu schneiden. Das ist für mich die einzige Erklärung warum die Schäden so immens sind, dass immer noch kein Zug bis/von Tutzing fährt. Schade, dass die DB die Gründe warum sie nicht fährt fast nie erläutert. Man fühlt sich mit der Strecke ja dann doch verbunden:-) Es bleibt spannend.
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