Verkehr
5.4.2019
Von vorOrt.news

Morgens verdeckt ein Lieferant die Ampel

Hauptstraße: Plädoyers für Ladezonen, Tempo 30 und Grün - Debatte zu Aufenthaltsqualität und Parkplätzen

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"Ganz unterschiedliche Ansprüche": (v.li.) Günter Schorn, Claus Piesch, Martin Held, Marlene Greinwald und der ADFC-Kreisvorsitzende Anton Maier vor Plänen zur Hauptstraße

Eine neue Chance für die Tutzinger Ortsmitte sehen die Organisatoren einer Veranstaltung zum Thema „Umgestaltung der Hauptstraße“, die am Mittwoch im Roncallihaus stattgefunden hat. Diese Chancen werden allerdings recht unterschiedlich beurteilt, wie an diesem Abend deutlich wurde. Eingeladen hatten die Tutzinger Ortsgruppen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) und des Bundes Naturschutz. Zu den Besuchern gesellten sich auch etliche Tutzinger Geschäftsleute.

„Es gibt ganz unterschiedliche Ansprüche und Interessen“, sagte der ADFC-Ortsprecher Martin Held. „Wir alle übernehmen verschiedene Rollen im Straßenverkehr - als Fußgänger, Autofahrer, Radfahrer“, ergänzte sein Stellvertreter Claus Piesch. Hinzu komme ab 1. September dieses Jahres die neue Buslinie zur Luswiese und nach Feldafing. Held mahnte deshalb, jeweils im Einzelfall zu überlegen: „Wofür kann man einen Platz verwenden?“

Held mahnte auch besonders Ladezonen für die Hauptstraße an, die bisher fehlten. Beispielhaft für die Problematik sagte Piesch: „Morgens zwischen 7.15 und 7.45 Uhr verdeckt ein Lieferant die Ampel vor der Hofpfisterei.“

Der ADFC will sich zudem für eine Geschwindigkeitsbegrenzung im Ortszentrum einsetzen. Er präferiert ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern, hält aber, wenn man sich darauf nicht einigen könne, auch 40 Stundenkilometer für denkbar.

"Wir kleine Gewerbetreibende sind auf die Parkplätze angewiesen"

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Parkplätze für Tutzing: Die Pläne waren im Roncallihaus zu besichtigen

Als wichtige Bausteine der künftigen Gestaltung nannten die ADFC-Vertreter unter anderem gute und sichere Fahrrad-Abstellanlagen, Sitzelemente, Bepflanzungen sowie Absicherungen wie etwa Querbügel vor Schulen. Piesch, der auch Vorsitzender des Starnberger Kreisjugendrings ist, mahnte bei all diesen Besprechungen eine stärkere Beteiligung der Jugend an. „Vielleicht sind wir mit der Planung auf dem Holzweg“, sagte er, „vielleicht sind E-Scooter die Zukunft.“

Für die Gewerbetreibenden äußerte sich Alexander de Brenco erfreut über einen mit der Gemeinde gefundenen Kompromiss, nach dem an der Hauptstraße weniger Parkplätze wegfallen sollen als früher vorgesehen. Der Unternehmer Michael Lanio verwies darauf, dass 53 von 68 Parkplätzen übrig bleiben sollen: „Weitere werden wir nicht hergeben.“ De Brenco dankte Bürgermeisterin Marlene Greinwald ausdrücklich für diese Lösung. „Wir kleine Gewerbetreibende sind auf die Parkplätze angewiesen“, sagte de Brenco, der das Konzept als „wirklich ausgewogen“ lobte und vor der Ansiedlung von Konzernen auf Flächen geschlossener kleiner Geschäfte warnte.

Auch Dr. Ernst Lindl, der Wirtschaftsreferent des Gemeinderats, sprach sich dafür aus, jetzt mit dem Kompromiss zu starten. „Aufenthaltsqualität und Gewerbetreibende sind nicht unbedingt ein Gegeneinander“, mahnte er.

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Fußläufige Distanzen zu Parkplätzen in Nebenstraßen

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Platz zum Parken rund um die Hauptstraße: Hier die Traubinger Straße. Auch andere Straßen bieten sich an, meint Claus Piesch.

Auch denkbare andere Möglichkeiten fürs Parken wurden präsentiert. Piesch zeigte Luftaufnahmen mit Zirkelkreisen um die Hauptstraße herum in Entfernungen von 100 und 150 Metern. In diesem Bereich - westlich etwa bis zur Oskar-Schüler-Straße und zur Kirchenstraße sowie auf der Ostseite - gebe es zahlreiche Parkmöglichkeiten. Derartige Distanzen seien fußläufig gut zu bewältigen. Andere fragten nach der alten Idee einer Hochgarage auf dem ehemaligen TSV-Grundstück zwischen Greinwaldstraße und Traubinger Straße. Darüber wären die Anwohner „nicht so richtig glücklich“, erwiderte Bürgermeisterin Greinwald. Auch wegen des nahen Schulhofs wäre dies aufgrund der Abgase ungünstig. Lanio widersprach: „Der Parkplatz ist doch ein Opfer der Umbaumaßnahmen bei der Mittelschule geworden.“

Piesch berief sich auf Aussagen aus der unter anderem von Geschäftsleuten getragenen „City Initiative Starnberg“, die für Aufenthaltsqualität plädiere und deren Vorteile für den Einzelhandel anerkenne. Jetzt gebe es die Chance, den Ort „zu Fuß lebenswert zu machen“, sagte Susanne Stolzenberg-Hecht, stellvertretende Sprecherin der ADFC-Ortsgruppe. „Die Planung, die wir jetzt machen, ist nicht für uns, sondern für unsere Kinder“, fügte sie hinzu. Sie schlug vor, Schilder mit den fußläufigen Entfernungen beispielsweise zum See oder zum Bahnhof aufzustellen.

Kirchenmusikerin Helene von Rechenberg wunderte sich über relativ wenige Radfahrer in Tutzing. „Wir müssen alles dafür tun, dass viel mehr Tutzinger mit dem Fahrrad unterwegs sind“, sagte sie.

Für Autos sei nicht unbedingt jeder heute dem Parken dienende Platz notwendig, sagte Günter Schorn, der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz. Für Piesch geht es nicht um Parkplätze, sondern um Aufenthaltsqualität. Held sprach sich für Grün jeweils zwischen zwei oder drei Parkplätzen aus: „Dann ist die Gesamtsituierung ganz anders.“

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Bei der Oskar-Schüler-Straße hält Gerhard Sening auf der Hauptstraße eine Querungsinsel für sinnvoll

Querungsinseln auf beiden Seiten des Ortszentrums?

Gerhard Sening bewertete eine bei der Graf-Vieregg-Straße geplante Querungsinsel sehr positiv, weil die Fußgänger sicherer über die Straße kämen, weil für die Autofahrer der beginnende Ort signalisiert werde und weil eine solche Mittelinsel auch eine sehr effektive Geschwindigkeitsbremse darstelle. Sening sprach sich für eine Querungsinsel auch auf der anderen Seite des Zentrums, bei der Kreissparkasse, aus. Dafür könne man auch auf ein paar Parkplätze verzichten.

"Tutzing ist grün - aber die Hauptstraße fehlt"

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"Eine der schönsten Ecken von Tutzing": Parkplatz am Schloss © Fotos: L.G.

Für den Bund Naturschutz überraschte Günter Schorn manch einen mit der Aussage: „Tutzing ist grün - grüner als vor Jahrzehnten.“ Er wollte damit aber keineswegs den Bedarf von noch mehr Grün anzweifeln. Auf einer Luftaufnahme von Tutzing hatte er „grüne Achsen“ im ganzen Ortszentrum markiert.

Alle von der Hauptstraße abzweigenden Nebenstraßen, sagte Schorn, seien „relativ gut begrünt.“ Die Traubinger Straße sehe "echt gut aus", an der Marienstraße sehe man viel Grün, das Fischergassl sei ein wunderbarer Weg mit einem blühenden Obstbaum und einer Esche mit viel Efeu, der Parkplatz der Evangelischen Akademie an der Schlossstraße sei "eine der schönsten Ecken von Tutzing".

Dann aber kam das ‚Aber’: „Die Hauptstraße fehlt.“ Bürgermeisterin Greinwald erwiderte, die Details wie Bäume, Grünanlagen und Mobiliar seien an der Hauptstraße noch gar nicht geplant. Dies werde noch geschehen.

Schorn beklagte auch ein paar eher unschön begrünte Ecken an der Hauptstraße und meinte, die betreffenden Stellen hätten bessere Bepflanzungen verdient. Seine Präsentation endete mit einem Aufruf: „Was Tutzing in Zukunft braucht, sind Plätze zum Verweilen, Ausruhen, Wohlfühlen“.

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