Verkehr
26.2.2019
Von vorOrt.news

Tutzing hofft auf Bike-and-Ride-Offensive

Geld aus der „Nationalen Klimaschutzinitiative“ für Fahrradanlagen

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Eine Rail-Abstellanlage am Münchner Marienhof © L.G.

Eine neue „Bike+Ride-Offensive“ soll am Tutzinger Bahnhof bessere Fahrrad-Abstellmöglichkeiten bringen. Das vor wenigen Monaten vom Bundesumweltministerium und von der Deutschen Bahn vorgestellte Programm soll den Ausbau von Radabstellanlagen an Bahnhöfen voranbringen.

Der Umwelt- und Verkehrsausschuss des Gemeinderats hat sich gestern mit diesem Thema befasst. Bürgermeisterin Marlene Greinwald hofft auf Zuschüsse aus dem Programm, wie sie kürzlich im Gemeinderat gesagt hat. Die Bike+Ride-Offensive soll an deutschen Bahnhöfen bis zum Jahr 2022 bis zu 100 000 neue Fahrradstellplätze schaffen.

Das Bundesumweltministerium fördert seit Anfang dieses Jahres im Rahmen der Kommunalrichtlinie der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) die Errichtung von Fahrradparkhäusern und Fahrradbügeln, und zwar nicht nur an Bahnhöfen, sondern auch an anderen Orten in der Stadt. Das Bundesumweltministerium stellt über diese Kommunalrichtlinie nach eigenen Angaben eine anteilige Finanzierung in Höhe von 40 Prozent zur Verfügung. Die Deutsche Bahn soll gleichzeitig dabei helfen, geeignete Standorte im Bahnhofsumfeld zu finden, die Anlage zu planen und zu montieren.

Über Gestattungsverträge soll die Deutsche Bahn die freie Nutzung von Flächen hierfür ermöglichen, die sich in ihrem Eigentum befinden. Um die Verfügbarkeit attraktiver Flächen zu erhöhen, kann eine Zwischennutzung von Flächen gestattet werden. In diesem Fall soll der Gestattungsvertrag eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren haben, um die Zweckbindungsdauer des Förderprogrammes zu berücksichtigen.

ADFC sieht etliche Problemstellen für Radfahrer in Tutzing

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Wenig begeistert war der ADFC-Kreisvorsitzende Anton Maier bei einer Besichtigungstour von den Fahrradständern am Tutzinger Bahnhof © Fotos: ADFC/Gerhard Westrich - L.G.

Die im vorigen Jahr gegründete Tutzinger ADFC-Ortsgruppe plädiert nachdrücklich für bessere Fahrradmöglichkeiten generell und auch der Fahrrad-Abstellmöglichkeiten. Im Zuge einer Radtour hat sie mit interessierten Bürgern im April 2018 eine Reihe von Tutzinger Verkehrs-Brennpunkten genau unter die Lupe genommen. Bei den Radständern am Schönmoosweg neben dem Bahnhof beispielsweise wurden diverse Problempunkte kritisiert. So seien die Halterungen zu hoch, so dass man den Drahtesel mühevoll emporhieven müsse, die Abstände zwischen den Ständern seien zu gering, so dass man sich leicht beschmutze, wenn man sein Rad einstele. Auch Rost an einem Rohr über den Ständen fiel auf. Vermisst wurde zudem ausreichende Beleuchtung.

Viele weitere Problemstellen für Radfahrer in Tutzing wurden bei der Radtour besichtigt. So gab es Diskussionen über das abrupte Ende des relativ neuen Radwegs Kampberg-Tutzing. Bei den in Bau befindlichen 70 neuen Wohnungen des Zweckverbands Wohnen wurden Planungen für Radfahrer vermisst. Als sich die Gruppe von Süden aus dem Würmseestadion näherte, hatte sie Schwierigkeiten damit, am Ende des Radwegs weiter zu kommen. Um in die kleine Unterführung zu gelangen, die zum Stadion hinüberführt, mussten die Teilnehmer erst einmal auf die Straße hinunter, was wegen eines hohen Bordsteins nicht so leicht ist. Engstellen wurden vor der Realschule und vor dem Gymnasium beklagt. Dort ist Monate später eine Tempo-30-Zone eingerichtet worden, doch an der engen Situation hat sich nichts geändert. Erwartungen werden nun mit Verbesserungen im Zuge der Hauptstraßen-Sanierung verbunden. Wie innerorts das Miteinander von Autos, Radfahrern und Fußgängern organisiert werden soll, war den Tourteilnehmern damals allerdings nicht klar.

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Verrostet: Fahrradanlage am Tutzinger Bahnhof
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Der ADFC will "Mobilitäts-Hubs" an Bahnhöfen

Weiterentwicklung von Bahnhöfen zu "Mobilitäts-Hubs" gefordert

Ob die „Bike+Ride-Offensive“ ausreicht, ist umstritten. Generell haben sowohl der Fahrradclub ADFC als auch die Allianz pro Schiene die Bike+Ride-Offensive begrüßt. Zwei außerordentlich umweltverträgliche Verkehrsmittel würden politisch endlich miteinander verknüpft, so die Allianz pro Schiene. Der ADFC hat allerdings darauf hingewiesen, dass an den Bahnhöfen Millionen Fahrradparkplätze fehlten. Die Bahn habe das Fahrradparken jahrzehntelang links liegen gelassen, die angestrebten 100 000 Fahrradabstellplätze seien höchstens „zwei Tropfen auf den heißen Stein“.

Wenn der Bund zum Ziel habe, dass die Menschen häufiger das Auto stehenlassen und mit Bahn und Rad zum Ziel kommen, müsse er das „multimodale Pendeln“ sehr viel leichter und attraktiver machen, fordert der ADFC. Während in den Niederlanden 46 Prozent der Pendler das Fahrrad als Zubringer zur Bahn benutzten, kombinierten in Deutschland nur sechs Prozent Fahrrad und Bahn. Die Gründe werden in schlechten Radwegen und fehlenden Fahrrad-Parkplätzen gesehen. An fast allen Bahnhöfen gebe es erhebliche Kapazitätsengpässe beim diebstahlsicheren Abstellen von Fahrrädern. Nur wenige Bahnhöfe verfügten über moderne Radstationen oder diebstahlsichere Fahrrad-Abstellboxen.

Der ADFC plädiert für die Weiterentwicklung von Bahnhöfen zu „Mobilitäts-Hubs“, in denen die Alternativen zum Privatauto - also Bahn, Carsharing und öffentliche Leihräder - eng und komfortabel miteinander verzahnt sind. Beispielhaft verwiesen wird auf ein neues Fahrradparkhaus in der niederländischen Stadt Utrecht. Dort gebe es mehr als 12 000 Stellplätze, eine große Leihrad-Flotte und einen Komfort, den man in Deutschland vergeblich suche. Deutschlands größtes Fahrradparkhaus stehe in Münster, umfasse rund 3000 Plätze und platze aus allen Nähten. Der Berliner Hauptbahnhof verfügt über gar keine Dauerparkplätze für Fahrräder.

Vom Bundesverkehrsministerium fordert der ADFC deshalb ein 40-Millionen-Investitionsprogramm für Fahrradparkhäuser und Radstationen an Bahnhöfen. Selbst bei den Top-Bahnhöfen gebe es in der Regel zu wenig Fahrradstellplätze, kritisiert auch die Allianz pro Schiene. Deswegen sei die Offensive überfällig. Die Allianz will flankierend zum Förderprogramm des Bundes der Frage nachgehen, wie die Abstellsituation für Fahrräder an Bahnhöfen nutzerorientiert und kosteneffizient verbessert werden kann. Die Einrichtung von Fahrradabstellanlagen allein wird nicht als ausreichend betrachtet. Die Anlagen müssten auch den Anforderungen der Nutzer entsprechen und über die Jahre vernünftig in Schuss gehalten werden.

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