Verkehr
16.11.2017
Von vorOrt.news

"Kreisel-Entscheidung wird nicht einstimmig"

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Kreisverkehr oder Einmündung? © L.G.

Zur Sanierung der Hauptstraße sollen bereits am 5. Dezember im Gemeinderat wichtige Entscheidungen getroffen werden. Noch keineswegs sicher scheint der Kreisverkehr an der Lindemannstraße zu sein. Bei einem Ortstreffen des Fahrradclubs ADFC am Mittwoch im Tutzinger Hof bezeichnete die Verkehrsexpertin Bettina Twiehaus einen vorliegenden Plan für eine Einmündung statt eines Kreisels regelrecht als gefährlich.

Sie warnte vor drohenden Konflikten zwischen Autos und die Straße überquerenden Fußgängern und Radfahrern. Dabei verwies sie auch darauf, dass in diesem Bereich zu bestimmten Zeiten "pulkweise" Schüler zur Dreifachturnhalle unterwegs sein würden. Sie gab sich sicher: "Ein Kreisverkehr würde das Problem lösen." Man könne dies sicher gestalten, indem Fußgänger und Radfahrer getrennt außen herum geführt würden.

Auch Dr. Martin Held vom ADFC, der in nationalen und internationalen Gremien als Fahrradexperte anerkannt ist, bezeichnete einen Kreisverkehr an dieser Stelle als die einzig sinnvolle Lösung. Ein Besucher der ADFC-Veranstaltung sprach jedoch die Vermutung aus, dass der Tutzinger Gemeinderat einem Kreisverkehr an der Einmündung der Lindemannstraße in die Hauptstraße mehrheitlich ablehnend gegenüberstehe. Der bei dem Treffen anwesende Gemeinderat und Bürgermeisterkandidat Bernd Pfitzner von den Grünen äußerte sich dazu zwar nicht konkret, bestätigte aber, die Entscheidung über Kreisverkehr oder Einmündung werde im Gemeinderat „nicht einstimmig sein“.

Wenige Tage vor der Gemeinderatssitzung, am 29. November, soll eine Bürgerversammlung stattfinden. Wegen der am 5. Dezember vorgesehenen Entscheidungen dränge die Zeit, sagte Pfitzner. Gleichzeitig verteidigte er, dass die Thematik Hauptstraße vor wenigen Tagen vom Gemeinderat in einer nicht-öffentlichen Sitzung behandelt worden ist. Da einem "Arbeitskreis Hauptstraße'" nur einige Gemeinderäte angehörten und deshalb nicht alle die bisher letzte Sitzung verfolgt hätten, habe der Planer am Dienstag den gesamten Gemeinderat über den aktuellen Stand informiert: „Da war nichts geheim, es waren auch ein paar Zahlen dabei, die nicht-öffentlich behandelt werden mussten.“

Audit-Verfahren zur Prüfung der Sicherheit angemahnt

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Der Plan zur Einmündung © L.G.

In Hinblick auf die Pläne der Einmündung sprach sich Bettina Twiehaus für ein so genanntes Audit-Verfahren aus, in dem externe Experten die Planung unter dem Sicherheitsaspekt für Radler und Fußgänger beurteilten. Bei einem Kreisverkehr stelle das Gefälle zwar ein Problem dar, sagte Held, doch der Johannishügel würde von einem Kreisel nicht tangiert. Pfitzner erklärte sich zu einem „Fan des Kreisels“, sah aber die Gefahr, „dass man den Johannishügel schrammt“.

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"Tempo 30 vor Schulen ist die Regel, nicht die Ausnahme"

Zur kontrovers diskutierten Thematik einer Geschwindigkeitsbeschränkung gab sich Held sicher, dass „Tempo 30“ vor Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern nach der neuen Rechtslage die Regel sei, und zwar „auch in Bayern“. Tempo 30 sei die Regel, nur in Ausnahmefällen könne davon abgewichen werden, sagte er. Diese Ausnahmen seien negative Auswirkungen auf den öffentlichen Personennahverkehr und drohende Verkehrsverlagerungen auf Nebenstraßen - und beide Fälle seien in Tutzing nicht gegeben. Damit widersprach er Angaben des Landratsamts Starnberg, nach denen eine Geschwindigkeitsbegrenzung nur dann angeordnet werden darf, „wenn eine atypische, konkrete und besondere Gefahrenlage vorliegt". Tempo 30 vor Schulen: Grüne machen Druck Pfitzner kündigte entschlossen an: „Wir werden den Druck hochhalten.“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wurde damit zitiert, dass er Tempo 30 als Regel vor solchen Einrichtungen nicht akzeptieren, sondern jeden Fall einzeln geprüft wissen will. Gerhard Sening konnte es kaum glauben: Ob tatsächlich die gesamte Planung für die Hauptstraße auf Tempo 50 aufgebaut werde? Das bestätigte der ADFC-Kreisvorsitzende Anton Maier, dritter Bürgermeister von Feldafing: „Die Hauptstraße ist offenbar mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von 50 geplant zu bauen.“ Damit werde „Angst-Raum“ geschaffen, warnte er. Mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von 30 hätte man nach seiner Überzeugung zudem „sehr viel größere Gestaltungsfreiheit im Ort“.

"Die im Landratsamt wissen, dass das die Rechtslage ist"

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Nah beieinander: Realschule und Gymnasium. Quelle des Luftbilds: www.bayernatlas.de/Bearb. Claus Piesch © L.G..

Held gab sich aber sogar überzeugt, dass zurzeit von den zuständigen Behörden bereits eine generelle Tempo-30-Regelung für die betreffenden Zonen in Tutzing - also etwa vor dem Gymnasium und der Realschule - vorbereitet wird: „Die im Landratsamt wissen, dass die Rechtslage so ist.“ In der Hauptstraße und in der Bahnhofstraße werde „gern 70 gefahren“, sagte Claus Piesch vom ADFC, der die Zeitvorteile bei alternativen Geschwindigkeiten detailliert darlegte. Sie seien „überhaupt nicht relevant“. Vor der Realschule gebe es „täglich Unfälle oder Beinahe-Unfälle“, sagte Held. Gymnasium und Realschule seien so nah beieinander, dass eine zusammenhängende Tempo-30-Zone für beide sinnvoll erscheine.

An die bisherige Lage allzu sehr gewöhnt

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Interessierte Zuhörer bei der Präsentation von Dr. Martin Held (rechts) © L.G.

Wesentliche weitere Aspekte sind für Held die Einbindung in das überörtliche Radwegenetz, für das die Zuständigkeit bei Susanne Münster im Landratsamt liegt, sowie die Einbindung des Umfeldes mit den angrenzenden Straßen. „Man kann die Hauptstraße nur im Zusammenhang sehen“, sagte er.

Generell glaubt Held zu wenig Veränderungsbereitschaft zu erkennen, auch in der Bevölkerung. Der bisherige Zustand, an den man sich gewöhnt habe, präge das Bild für viele Tutzinger so sehr, dass die meisten gar nicht an mögliche Änderungen glaubten. Doch: „Man baut und plant heute anders“, sagte Held, „da könnte man in Tutzing noch deutlich mehr verbessern.“

Quelle Titelbild: L.G.
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