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Ein Venezianerpfahl in Tutzing

Seeeinbauten-Spezialist Brennauer bei der Arbeit - ein Schauspiel für Einheimische und Gäste

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Ein kleines Paradies: Das Tutzinger Ufergrundstück während der Pfahlarbeiten

Die meisten Tutzinger kennen das Grundstück unten an der Marienstraße 12 nur vom Vorbeigehen. Nicht wenige halten das schön gepflegte private Areal zwischen dem Dampfersteg und dem Restaurant Santorini für eines der schönsten am Ufer des Starnberger Sees. Am Donnerstag aber durften einige Einheimische und Gäste dieses Kleinod besuchen. Anlass war der Austausch eines so genannten Venezianerpfahls im Wasser.

Solche meist weiß-blau lackierten Pfähle markieren zwischen Unterzeismering und Brahmspromenade die Zufahrten zu etlichen Seegrundstücken im Wasser - eine Anlehnung an die Tradition der Prunkschifffahrt.

Brennauer erledigt Seeeinbauten in der Nachfolge der Zimmerei Gregor Müller

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Recht marode: Der alte Pfahl, kurz nachdem er aus dem Wasser gezogen wurde

Der legendäre „Bucentaur“ der bayerischen Kurfüsten war in der Mitte des 15. Jahrhunderts nach venezianischem Vorbild des Bucintoro, des Staatsschiffs des Dogen von Venedig, gebaut worden. Auch bei den Pfählen wurde das italienische Vorbild "ins Bayerische übersetzt“, sagte Florian Brennauer. Er hat den recht marode gewordenen alten, vor etwa 25 Jahren gesetzten Pfahl am Donnerstag mit seiner Zimmerei Brennauer aus Haunshofen entfernt und durch einen neuen ersetzt.

Brennauers Unternehmen ist auf Seeeinbauten spezialisiert. Dieses Fachgebiet hat der Inhaber einst bei der Tutzinger Zimmerei Gregor Müller erlernt, die in dieser Sparte über Jahrzehnte guten Ruf genoss. Seit sie geschlossen wurde, führt er diesen wichtigen Zweig in der hiesigen Gegend fort.

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Der Pfahl saugt sich im Seegrund an

Dass die Pfahlarbeiten am Donnerstag zu einer kleinen Attraktion wurden, lag an der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (gwt). Sie präsentiert mit einer Reihe „Region | Wasser | Identität“ die Vielfalt der „Wasserregion StarnbergAmmersee“. Da reicht die Palette von Fischräucherworkshops über Tauchausbildungen bis zu Wasserski, Kanutouren und Wasserfahrrädern - und eben auch zum Stegebau. Der Pfahl-Austausch in Tutzing war in diesem Rahmen die erste Veranstaltung des Jahres 2020.

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"Das machen wir wie die Schildbürger": Jörg Dietrich prüft den installierten Pfahl

Brennauers Team arbeitete von zwei Holzflößen aus, die mit einem Arbeitsboot zum Ort des Geschehens gebracht worden waren. Von Balkons und vom Steg aus beobachteten Bewohner und Gäste das alles, als wäre es ein Schauspiel. Je nach Situation könne es schon mal zwei bis drei Stunden dauern, bis man so einen alten Pfahl aus dem Wasser heraus bringe, erklärte Brennauer. Wenn ein Dampfer vorbeifährt, warten die Zimmerer meist, wegen der oft recht hohen Wellen.

Aber diesmal lief alles wie geschmiert. Der alte Pfahl war relativ schnell draußen. Dann wurde der neue Pfahl aus widerstandsfähigem Lärchenholz aufgerichtet und mit einer so genannten Pfahlramme Stück für Stück in den Untergrund gestoßen (Bilder oben), und zwar so, dass er unter Wasser die gleiche Länge aufweist wie über der Oberfläche.

Die Zuschauer bombardierten Florian Brennauer mit vielen Fragen, und er erläuterte geduldig sämtliche Details. Am Westufer des Starnberger Sees sei der Boden verhältnismäßig weich, sagte er, am Ostufer dagegen viel härter. Ob man sicher sein kann, dass der Pfahl im weichen Boden stabil bleibt? „Er saugt sich im Seegrund an“, sagte Brennauer, „nach zwei bis drei Tagen ist er bombenfest.“

Wie der genaue Platz des Pfahls markiert wird? Da war die Stunde von Jörg Dietrich gekommen. „Das machen wir wie die Schildbürger - da wird eine Kerbe ins Boot gemacht“, witzelte der Tutzinger, einer der erfahrenen Mitarbeiter. In der Zimmerei Gregor Müller war Florian Brennauer einst sein Lehrling, heute ist er sein Chef. Kein Problem: Das persönliche Verhältnis ist herzlich, das merkten alle Umstehenden sofort.

Wie die weißblaue Spirale richtig gedreht ist

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Die gelbe Spitze wartetet neben einem anderen Venezianerpfahl auf ihren Einsatz

Die Pfähle sind meist drei bis sechs, manchmal acht Meter lang. Der bisher längste, den Brennauer gesetzt hat, war 13 Meter lang. Für den habe man einen Autokran benötigt. Er erzählte auch die Entstehungsgeschichte einer gelben Spitze, die den Pfahl nun krönt: Gedrechselt hat sie eine Münchner Werkstatt, in der auch schon mal eine Folge der Fernsehserie „Meister Eder und sein Pumuckl“ gedreht worden ist.

Da gab es auch gleich Fragen nach der weiß-blauen Bemalung des Pfahls, die an einen Maibaum erinnert: Verläuft die Drehung von links nach rechts oder anders herum? „In Bayern geht jeder Maibaum nach rechts rum“, sagte Brennauer. In Erläuterungen von Heimatpflegern kann man nachlesen, dass ein „richtig geschnürter“ Baum die blau-weiße Spirale von links nach rechts oben gedreht zeigt.

Bei den Venezianerpfählen gibt es aber durchaus Unterschiede. Wenn beispielsweise an einer Hafeneinfahrt oder einem Steg zwei von ihnen stehen, ist manchmal der eine links herum und der andere rechts herum gedreht.

Im Garten an der Marienstraße lag neben der gelben Spitze, bevor sie auf ihren neuen Platz kam, ein anderer Venezianerpfahl, der für ein Nachbargrundstück vorgesehen ist. Bei dem verläuft die Spirale links herum.

Für viele Arbeiten an den Dampferstegen sorgt die Seenschifffahrt selbst

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Links herum und rechts herum: Mit Venezianerpfählen schaut ein Steg gleich ganz anders aus © Fotos: Brennauer / L.G.

An der Verlängerung des Tutzinger Dampferstegs war Brennauer nicht beteiligt. Für solche Aufträge benötige man Spezialmaschinen, sagte er, und viele Arbeiten an ihren Anlagen erledige die Bayerische Seenschifffahrt sowieso selbst. Für den Umbau des Dampferstegs hat, wie ein auffallendes Plakat unübersehbar unterstrich, ein österreichisches Unternehmen gesorgt. Der darüber verwunderte Gemeinderat Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg (Tutzinger Liste) zitiert auf der Webseite seiner Gruppe einen Vertreter der Seenschifffahrt mit der Bemerkung, nur das österreichische Unternehmen sei in der Ausschreibung übrig geblieben, nachdem ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland wegen Terminschwierigkeiten abgesagt habe.

Doch Brennauer und seine Mitarbeiter haben mit Seeeinbauten wie Stegen, Bootshäusern, Plattformen oder Pfählen zurzeit ohnehin alle Hände voll zu tun. Etwa 80 Prozent der aktuellen Geschäfte entfallen auf diesen Zweig, schätzt der Chef. Von Januar bis September seien immer drei Leute von ihm am See beschäftigt. 2012 hat sich Brennauer selbstständig gemacht. Zu seiner Angebotspalette gehört aber ebenso die klassische Zimmerei mit Dachstühlen und -gauben, Carports, Terrassen, Zäunen, Gartenhäusern und auch manchen ausgefallenen Arbeiten. Da lässt sich mancher Kunde schon mal ein Spielhaus in Schiffsform anfertigen.

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Ich bewundere diese Seeeinbauten. Mein Respekt vor diesem kleinen Unternehmen. Weiter so.
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