Von Ferdinand Goslich

Klagen über den „Fuitäimtschopp“

Der englische Sprachforscher Anthony Rowley erläutert die feinsten Unterschiede bairischer Dialektformen

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Das Münchnerische weiß neuerdings sogar Donald Duck zu schätzen © obs/Egmont Ehapa Media GmbH

Als „bajuwarisierten Engländer“ begrüßte Pfarrer Peter Brummer den Sprachwissenschaftler Professor Dr. Anthony Rowley. Der Saal im Roncallihaus war am Freitag gesteckt voll – so begierig waren die Zuschauer, einen Mann aus Großbritannien bayerische Dialektformen erklären zu hören. Der Referent spricht zwar perfekt deutsch. Aber dass er den Tutzingern den Unterschied zwischen Beule und Binkl oder zwischen Diandl, Deandl und Mädle erläutern kann - das machte schon Staunen. Selbst diese Mundart-Nuancen akkurat zu formulieren, gelang ihm mühelos.

Da muss einer wie er schon lange in Bayern leben! Rowley brachte viele Beispiele, etwa dass das Junge der Sau a Fakl ist. Oder die Hagebutte nenne man zuweilen auch Arschkitzel. Die Münchner seien immer schon ein bisschen feiner gewesen. Als Lena Christ nach München gekommen sei, habe sie lernen müssen, dass man die Hand nicht zum „Mei“, sondern zum „Mund“ führe.

Auch die Fremdwörter verrieten, so der Dialektforscher, dass sich die Münchner feiner ausdrücken wollten. So sei bei ihnen der Nachttopf zum Potschamperl, Blumenkohl zum Karfiol, Pflaumenmus zum Powidl und Meerrettich zum Kren geworden. Selbst das in Bayern so wichtige Wort Bier komme aus dem mittellateinischen biber (Getränk), was nichts anderes heiße als „was z’m drinka“. Die Anpassung der Fremdwörter an den Alltagsgebrauch sei durchaus spürbar, meinte Rowley. So habe kürzlich jemand schriftlich über seinen „Fuitäimtschopp“ geklagt, was natürlich schallendes Gelächter auslöste.

„Hauptsach‘, es is koa Preiß!“

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Bayerisch oder bairisch? Auf alle Fälle schön geschmückt war das Rathaus zum 1275-jährigen Jubiläum von Tutzing © L.G.

Der Vortragsabend zum Thema „Host mi? Bayerisch – Bairisch? Zum Dialekt in Tutzing“ wurde gemeinsam von der Pfarrei St. Joseph und der Gemeinde Tutzing durchgeführt. Die Kulturrefentin Brigitte Grande kündigte Professor Anthony Rowley als Leiter der Redaktion des Bayerischen Wörterbuchs an, das von der Kommission für Mundartforschung an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben werde. Grande sagte, Rowley kommentiere seine damalige Berufung gern mit dem Satz: „Vielleicht hat sich die Jury gedacht: ,Hauptsach‘, es is koa Preiß!‘ “

Freilich wundert man sich, dass ein in Nordengland Geborener die feinsten Unterschiede bairischer Dialektformen landauf-landab durchs Bayernland deuten und analysieren kann. Klar wird’s allerdings, wenn man erfährt, dass Rowley seit 1975 an der Universität Regensburg Germanistik studierte. 1981 promovierte er in Bayreuth, 1987 habilitierte er sich und seit 1989 lehrt er Germanistik an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.

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Bairisch ist „am meisten sexy“

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Eine ansehnliche Dialekt-Auswahl wird auch alljährlich auf der Wiesn präsentiert © L.G.

Natürlich wurden an diesem Abend historische Dialekt-Aufzeichnungen geschildert vom britischen Schbrochwissnschoftla (unter dem Stichwort Anthony Rowley nennt ihn so das Boarische Wikipedia!). Die ersten Texte in bayerischer Mundart seien 1650 in Landshut entstanden. Bald darauf, 1689, sei das Glossarium bavaricum erschienen. Und das von ihm, Rowley, betreute Bayerische Wörterbuch knüpfe an das gleichnamige Werk Johann Andreas Schmellers an, der die bayerische Dialektforschung erst begründet habe. Schon Schmeller (1785-1852) habe gesagt, Dialekt sei der „vollständigste Lebensausdruck eines Volkes“.

Die allerwenigsten Menschen sprächen reines Hochdeutsch, sagte der Literaturwissenschaftler, nicht einmal die Leute in der Gegend von Hannover. Aus Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes leitete Rowley ab, dass die Sprache, also auch die Dialekte schutzbedürftig seien. Es wäre verfassungswidrig, Leute wegen ihrer Mundart zu benachteiligen. Schon Schiller und Goethe seien Dialektsprecher gewesen. "Jede Provinz liebt ihren Dialekt: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft", habe Goethe in "Dichtung und Wahrheit" gesagt. Hierzulande sei man viel nüchterner eingestellt, erläuterte Rowley süffisant: Das Bairische werde gern als „am meisten sexy“ beschrieben.

Tutzinger Dreigsang als Begleitung

Passend zum Thema „Bayerisch – Bairisch?“ wurde der Vortrag musikalisch vom Tutzinger Dreigsang unterbrochen: Toni Müller, Hermann Suttner und Horst Liwowsky sangen nette bairische Liadl. Matthias Nöhmeier begleitete die drei Mannsbilder einfühlsam auf seiner Zither.

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Host mi? (Von li.) Pfarrer Peter Brummer, Brigitte Grande, Hermann Suttner, Horst Liwowsky, Anthony Rowley, Toni Müller, Bürgermeisterin Marlene Greinwald, Matthias Nöhmeier und Roswitha Duensing © Rita Niedermaier

„An Papa sei Auto“

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Immaterielles Kulturgut Dialekt: Dieses Stück hat die Tutzinger Heimatbühne im vorigen Jahr aufgeführt © L.G.

Zur geographischen Abrundung erklärte Professor Rowley, im Norden Deutschlands handle es sich um den niederdeutschen Dialekt, in der Mitte um den mitteldeutschen und im Süden um den oberdeutschen Dialekt, der bis nach Österreich, die Schweiz und Südtirol hineinreiche. Der Lech bilde die Grenze zwischen Altbayern und dem Schwäbischen. Bayern wiederum gliedere sich in den nord-, mittel- und südbayerischen Dialekt, wobei der letztere bis Südtirol gehe.

Oberbayern zähle zur mittelbayerischen Mundart und Tutzing sowie der Landkreis Starnberg gehörten konkret zum Westmittelbayerischen. In diesen Bereichen gebe es viele feine Sprachunterschiede, wie „vui z’vui Gfui“ oder „vüi z’vüi Gfüi“. Der Literaturwissenschaftler berichtete auch, wie das von ihm geleitete Bayerische Wörterbuch ständig aktualistert werde. Die Redaktion beschäftige im altbayerischen Sprachraum 400 Korrespondenten, die die neuesten Informationen zulieferten. So zeigte er auf der Leinwand etwa ein Informationsformular einer Dame aus Pöcking, die ihm zuarbeitet. Auch Grammatikalisches steuerte Rowley schließlich bei, zum Beispiel zum Thema „Fälle“.

Da dem Bayern der Dativ grundsätzlich fremd sei, heiße es etwa „an Papa sei Auto“ oder „mit die Leit“. Beispiele für die sprachliche Vergangenheitsform seien „i bin kumma“ oder „i hab g’sehn“. Das sprachliche Zäpfchen-R sei eigentlich französisch und habe sich von Frankreich kommend nach Deutschland ausgebreitet. Bayern dagegen habe sich das rollende Zungen-R bewahrt.

Zum Abschluss hob Rowley fast beschwörend die Hände und sagte, der Dialekt sei ein immaterielles Kulturgut. „Leit, red’s boarisch, na stirbt’s ned aus!“ . . . Originalton eines nach Bayern eingemeindeten Engländers.

Bei „Fuitäimtschopp“ handelt es sich übrigens um den Fulltimejob.

"Leit, red’s boarisch" - für die Heimatbühne eine Selbstverständlichkeit

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© L.G.
Quelle Titelbild: obs/Egmont Ehapa Media GmbH
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