Von vorOrt.news / Akademie für politische Bildung

Äußerst private Fragen

Tutzinger Gymnasiasten weisen auf Tagung sorglosen Umgang mit persönlichen Informationen nach

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Ertappt: Tutzinger Gymnasiasten wiesen Tagungsteilnehmern sorglosen Umgang mit privaten Informationen nach

Ganz schön sorglos gehen viele Menschen mit Informationen über sich um. Dabei haben sie Schüler des Gymnasiums Tutzing ertappt. Bei einer bemerkenswerten Tagung in der Akademie für politische Bildung haben sie sich mit Datensicherheit im Internet beschäftigt.

Dabei haben sie den Teilnehmern gleich zu Beginn Bögen mit äußerst privaten Fragen vorgelegt. Später bekamen die Schülerinnen und Schüler anhand der daraus entstandenen Persönlichkeitsprofile personalisierte Werbeangebote.

Viele stellten erst im Nachhinein fest, wie freigiebig sie mit persönlichen Informationen umgegangen waren. Welche Macht das Sammeln von Daten im Internet hat, zeigte außerdem Kriminalhauptmeister Paul Sepp von der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, der als IT-Forensiker durch digitale Spurensuche Verbrechen aufklärt.

Die Tagung stand unter dem Motto „Zehn für Zukunft“. Es handelte sich um eine Kooperation der Akademie für Politische Bildung mit der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Oberbayern-West und dem Gymnasium Tutzing. Etwa 70 Schüler haben dabei am Wochenende an Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft gearbeitet. Es war eine Veranstaltung von Schülern für Schüler. Vier Vorbereitungsteams der Gymnasien Starnberg, Tutzing, Planegg und Markt Indersdorf hatten im Vorfeld Workshops zu den Themen Propaganda, Populismus, Plastikmüll und Datensicherheit im Netz organisiert.

Die Themen des öffentlichen Diskurses werden jünger

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Rezo & Co.: Das Video des YouTubers musste als Anschauungsobjekt zu den Grenzen von Meinungsäußerung und Propaganda herhalten - ebenso wie eine eigens angefertigte Skulptur

Fridays For Future, der Protest gegen die Urheberrechtsreform der EU, das Video des YouTubers Rezo: Die Themen des öffentlichen Diskurses werden jünger, wie sich dabei zeigte. Eine Generation von „Digital Natives“, von denen manche vermutet hatten, sie würden sich ausschließlich für das eigene Instagram-Profil interessieren, politisiert sich. Schon der Titel des Schülerforums „Zehn für Zukunft“ erinnere sofort an die Fridays for Future, sagt Susanne Raab von der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Oberbayern-West. Der Name der Ideenwerkstatt stand zwar schon vor dem Klimastreik fest. Doch auch hier steht die Mitbestimmung und Gestaltung der eigenen Zukunft im Mittelpunkt. Deshalb haben die Zehntklässler die Organisation der Tagung selbst in die Hand genommen.

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Rezo und personifizierte Propaganda

Die Gymnasiasten aus Starnberg betrachteten Propagandaformen im 20. Jahrhundert und verglichen sie mit Phänomenen des Internets. Johannes Uschalt von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit lieferte mit dem „Zerstörungsvideo“ des YouTubers Rezo gegen die CDU ein Anschauungsobjekt, anhand dessen die Grenzen von Meinungsäußerung und Propaganda kontrovers diskutiert wurden.

Die Schüler schufen schließlich die Skulptur einer personifizierten Propaganda, die die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht bringt und die Individualität des einzelnen zunichtemacht. Das Kunstwerk wandert in den kommenden Wochen von der Akademie für Politische Bildung an die Gymnasien in Tutzing und Starnberg.

Manifest mit Forderungen zur Abfallvermeidung

Populismus war das Thema des Workshop des Gymnasiums Markt Indersdorf. Das Vorbereitungsteam hatte die beiden Redakteurinnen Maraike Mirau und Janina Zillekens zu Gast. Zum Abschluss durften die Schüler auf deren Instagram-Kanal jamsnews selbst Inhalte zum Thema veröffentlichen.

Beim Workshop der Gruppe des Feodor-Lynen-Gymnasiums Planegg drehte sich alles um das Problemthema Plastikmüll. Die Schülerinnen hatten die Autorin Manuela Gaßner eingeladen, die als Zero-Waste-Aktivistin für Abfallvermeidung eintritt. Neben der Frage, wie jeder für sich Plastikkonsum reduzieren kann, beschäftigte sich die Gruppe mit den politischen Zusammenhängen: So erarbeiteten die Schüler ein Manifest mit Forderungen wie dem Aufstellen von Trinkwasserspendern, das sie vor Landtagsabgeordneten verlasen.

Ministerialbeauftragter hätte gern Befreiung der Schüler für Klimastreiks

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Sollten die Schüler für Klimastreiks vom Unterricht befreit werden? Der Ministerialbeauftragte Henzler (2.v.l.) würde es begrüßen © Fotos: Akademie für politische Bildung

Die Abgeordneten nahmen die Wünsche der Schüler positiv auf. Florian Ritter (SPD) trat dafür ein, beim Mikroplastik „auch einmal den Weg des Verbots zu gehen". Weniger einig waren sich die Politiker, als die Schüler bei der Podiumsdiskussion nachhakten, warum dennoch gerade auf dem Gebiet des Umweltschutzes so wenig Fortschritt zu erkennen sei.

Susann Enders von den Freien Wählern wies auf die Notwendigkeit zum Kompromiss in einer Koalition hin. Ritter forderte die Schüler aber auf, durch den „Druck von der Straße“ Veränderungen herbeizuführen.

Christoph Henzler, Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Oberbayern-West, bedauerte sogar, dass die Schüler angesichts der Betreuungspflicht nicht für die Klimastreiks befreit werden könnten. Enders entgegnete jedoch, dass das Bildungsministerium die Entscheidungsgewalt den Schulen überlasse.

"Die über 60 haben's eh bald geschafft"

Auch über die Idee der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre wurde intensiv debattiert. Benjamin Adjei (Grüne) warf den Freien Wählern vor, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu blockieren. Sie sieht das Problem bei der älteren Generation: „Manche tun sich eben schwer damit, Macht abzugeben.“

Einigkeit herrschte unter den Abgeordneten dagegen im Lob auf die politisch interessierten Schüler. Enders forderte sie auf, sich weiterhin für die Gestaltung ihrer Zukunft zu engagieren: „Denn die über 60 haben's eh bald geschafft.“

Quelle Titelbild: Akademie für politische Bildung
ID: 1907
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Kommentare

Das Engagement der jungen Generation ist sehr zu begrüßen - danke an vorOrt.news für den Bericht - die Aussage von Frau Enders empfinde ich als diskriminierend und habe ihr meine Meinung hierzu per E-Mail zukommen lassen, denn auch die über 60 haben noch eine Stimme.