Satire
21.11.2025
Von Lorenz Goslich

Campingplatz

Probieren wir’s doch mal mit einer dialektischen Erörterung, so wie damals in der Schule.

Thema: „Bauvoranfrage zur Errichtung eines Campingplatzes in Obertraubing, Fl. Nrn. 1165, 1166, 1167 und 1170, Gemarkung Tutzing.“

Gliederung:

A. Einleitung
Ein Investor hat die Errichtung eines Campingplatzes im Tutzinger Ortsteil Obertraubing beantragt. Für die Gemeinde stellt sich die Frage, ob so eine Anlage sinnvoll ist oder nicht.

B. Hauptteil

I. Vorteile

1. Nutzung örtlicher Handels- und Dienstleistungsbetriebe
a) Lebensmittelhandel
b) Sport- und Freizeitgeschäfte
c) Campingausstattung und anderer technischer Bedarf
d) Geschenkartikel, Spielwaren, Bücher, Blumen und weitere Angebote
e) Handwerksbetriebe

2. Zusätzlicher Umsatz in der lokalen Gastronomie
a) Tutzinger Restaurants
b) Imbissstände und ähnliche Einrichtungen

3. Besuch lokaler Besonderheiten
a) Angebote von Vereinen und Gemeinde
- Heimat und Brauchtum
- Kino
- Sport- und Freizeitanlagen
- Wassersport
- Bäder
- Kultureinrichtungen

4. Nutzung von Angeboten auf dem Campingplatz durch die einheimische Bevölkerung
a) Pool
b) Weitere Freizeiteinrichtungen
c) Kiosk

4. Finanzielle Vorteile für die Gemeinde Tutzing
a) Gewerbesteuer-Einnahmen durch den Betrieb des Campingplatzes
b) Mittelbar höhere Gewerbesteuer-Einnahmen durch Umsätze des örtlichen Gewerbes aufgrund von Besuchen der Campingplatz-Nutzer


II. Nachteile

1. Hoher Schutzstatus des Grundstücks
a ) Planungsrechtlicher Außenbereich
b) Landschaftsschutzgebiet

2. Schwierige Erschließung
a) Keine Kanalisation in Obertraubing – Schmutzwasserbeseitigung ungelöst
b) Vorhandene Wasserleitung möglicherweise unzureichend

3. Problematische verkehrliche Zuwegung
a) Unübersichtliche Verbindung zu naher Bundesstraße
b) Hohes Verkehrsaufkommen auf enger, gefährlicher und kurvenreicher Kustermannstraße – auch im ortsnahen unteren Bereich

4. Zu erwartende Widerstände in der Obertraubinger Bevölkerung


C. Schluss
Wenn man sich näher mit dem Plan eines Campingplatzes in Obertraubing befasst, kann man Vor- und Nachteile eines solchen Vorhabens erkennen. Eine sinnvolle Abwägung ist bisher wegen einer unzureichenden Informationslage nicht möglich. Hilfreich wären dabei zum Beispiel Angaben von Tutzinger Gewerbebetrieben und des Tutzinger Gewerbevereins ATG, detaillierte Kenntnisse über die Rentabilitätsberechnungen und Prognosen über die mittelbar und unmittelbar erzielbaren Gewerbesteuer-Einnahmen. Vor einer Entscheidung sollten noch sehr viel konkretere Informationen eingeholt werden.

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Die überflüssige Abwägung von "pro" und "contra"

Nun, das mit der Erörterung war nur so eine Idee, wie man sich einem solchen Thema nähern könnte. Es erscheint ja bei vielen Themen durchaus sinnvoll, erst einmal "pro" und "contra" abzuwägen, bevor man eine Entscheidung trifft.

Man kann so eine Abwägung natürlich auch für überflüssig halten und es anders machen: Alle Vorteile weglassen, nur die Nachteile einbeziehen und alles von vornherein ablehnen. Das wäre dann keine dialektische, sondern eine lineare Erörterung. Diese Methode hat der Bau- und Ortsplanungsausschuss des Tutzinger Gemeinderats kürzlich in seiner öffentlichen Sitzung gewählt. Durchaus clever: Niemand kam auch nur in Versuchung, über Vorteile eines Campingplatzes nachzudenken - und es eröffneten sich, ohne dass sachlich argumentiert werden musste, auch gleich Spielräume für süffisante Anmerkungen. Wenn der 1. April wäre, spottete ein Ausschussmitglied, könnte man es für einen Aprilscherz halten.

ID: 8292
Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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