Satire
1.10.2024
Von Lorenz Goslich

Schwer verständlich

Bericht aus dem Alltag des Gemeinderats: Eines von zwei Mikrofonen nach wie vor kaum verwendet

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Typische Mikrofon-Position: Auf dem Tisch im Sitzungssaal und ungenutzt © L.G.

Hallo, liebe Leute in Tutzing, ich bin’s wieder, das Mikrofon aus dem Rathaus-Sitzungssaal. Neulich habe ich Euch ja schon einmal mein Leid geklagt, vielleicht erinnert Ihr Euch. Ich dachte, dass sich etwas ändern würde. Aber da habe ich mich getäuscht. Ich liege bei den Sitzungen nach wie vor fast immer völlig unbenutzt auf dem Tisch. Das zweite Mikrofon, das es im Sitzungssaal gibt, hat es viel besser. Der Bürgermeister und die anderen, die an der vorderen Seite des im Rechteck aufgebauten Sitzungstischs sitzen, sprechen immer dort hinein und reichen es weiter, wenn andere an der Reihe sind. Was sie sagen, kann man dann sehr gut überall im Saal verstehen.

So gut habe ich es nicht. Ich bin für diejenigen zuständig, die an den anderen drei Seiten - also seitlich und hinten - sitzen. Von denen nimmt mich nur ganz selten jemand in die Hand und spricht in mich hinein. Dann freue ich mich immer wie ein Schneekönig. Ich übertrage das dann alles zu den Lautsprechern, und alle können gut verstehen, was gesagt worden ist. Aber das kommt wirklich nur ganz, ganz selten vor. Meistens werde ich, nachdem ich benutzt worden bin, gleich wieder zur Seite gelegt. Da liege ich dann und werde vergessen. Die meisten, die im Gemeinderat sind, ignorieren mich.

Ich frage mich oft, ob sie überhaupt nicht verstanden werden wollen. Hinten im Raum ist nämlich häufig Publikum. Weil ich fast immer ungenutzt herumliege und deshalb Zeit habe, bekomme ich mit, was da hinten so läuft. Die Leute, die da sitzen, fragen oft ganz verzweifelt die neben ihnen Sitzenden, ob sie genau verstanden hätten, was da gesagt worden ist. Denn häufig sind ja die Details wichtig, da kann es auf jedes Wort ankommen. Aber die anderen haben meistens auch nicht alles verstanden. Manche im Gemeinderat reden ja klar, deutlich und gut verständlich. Aber für alle gilt das wirklich nicht.

Im hinteren Bereich des Sitzungssaals sind auch die Plätze der Presseleute. Von denen erwarten eigentlich alle, die dem Gemeinderat angehören, dass sie über das, was gesagt worden ist, möglichst korrekt berichten. Aber wie sollen sie das, wenn sie Manches nicht verstehen? Denen im Gemeinderat müsste ja eigentlich an richtigen Berichten gelegen sein. Doch das scheint ihnen völlig egal zu sein.

Nicht nur, dass sie mich, das Mikrofon, ignorieren. Sie wenden sich auch, wenn sie etwas sagen, eigentlich immer nach vorn, zum Bürgermeister - und damit vom Publikum weg. Sie verhalten sich so, als seien sie unter sich. Einige kehren dem Publikum sowieso den Rücken zu, da ist es hinten besonders schwer, etwas zu verstehen.

Das wirkt tatsächlich so, als sei der Gemeinderat nur für sich selbst da, denke ich mir manchmal - als ginge das alles das Publikum nichts an. Aber eigentlich kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass die Mitglieder des Gemeinderats wirklich dieser Meinung sind. Doch warum ignorieren sie mich dann nach wie vor so hartnäckig, obwohl ich als Mikrofon doch ganz einfach für gute Verständlichkeit sorgen könnte? Das ist und bleibt schwer verständlich für mich. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Mehr zum Thema:
Das einsame Mikrofon

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Comments

Danke Herr Goslich für Ihre Beharrlichkeit bei diesem Thema.
Ganz Ähnliches habe ich mir zuletzt bei meinen Besuchen auf den Zuhörerstühlen auch immer wieder gedacht.
Hoffentlich höhlt auch hier steter Tropfen den Stein.

Ja, so ein Mikrofon zu benutzen mag ungewohnt sein, und man muss auch erst mal ein paar Sekunden warten, bis es an den eigenen Platz weitergereicht wurde, aber das lohnt sich.
Auch aus Sicht der Gemeinderäte, die mit Hilfe des Mikrofons ihre Politik und ihre Argumente der Presse und den extra anwesenden Bürgern direkt erklären können.
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