Ein Brand sieben Jahre zuvor war die Initialzündung für die Gründung der Tutzinger Feuerwehr im Jahr 1871. An dieses und viele andere Ereignisse aus der Zeit bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs hat der langjährige Tutzinger Kommandant Markus Kuisl erinnert, als das 150-jährige Bestehen der Feuerwehr auf der Lindlwiese gefeiert wurde. Seine bei der Veranstaltung aus Zeitgründen etwas gekürzte Festrede hat uns Markus Kuisl freundlicherweise für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt, ebenso historische Aufnahmen aus dem Tutzinger Feuerwehr-Archiv. Wir bedanken uns herzlich dafür.
Die Tutzinger Feuerwehr war die dritte im heutigen Landkreis Starnberg
Die erste bayerische Feuerwehr entstand 1848 in Speyer, das damals noch zu Bayern gehörte. Im heutigen Bayern ist die älteste Feuerwehr die Augsburger, gegründet 1849.
Von den 44 Feuerwehren im heutigen Landkreis Starnberg wurden 34 noch vor 1900 gegründet. Die Freiwillige Feuerwehr Tutzing war 1871 die dritte, nach Starnberg 1862 und Oberalting 1869.
1864: Die Brauerei brannte nieder
Der „Urknall“ für die Feuerwehr Tutzing erfolgte bereits im Jahr 1864, dem Jahr, in dem die Brauerei im Schloss der Grafen von Vieregg niederbrannte. Zum Schloss-Inventar gehörte zwar schon lange vorher eine Druckspritze, aber die war wohl ziemlich vernachlässigt worden und funktionierte nicht. Vielleicht haperte es auch eher an der Bedienung, denn es ist überliefert, dass es ein rechtes Durcheinander gewesen sei und man dem Feuer deshalb keinen Einhalt gebieten konnte.
Im selben Jahr ist Graf Carl Theodor Matheus von Vieregg (1798-1864) mit 66 Jahren an einem Lungenödem gestorben. Ob dies mit dem Brand zusammenhing ist nicht überliefert. Sein Sohn und Erbe Friedrich Maximilian starb nur zwei Jahre später an den Folgen eines Feldzugs in Oberitalien. Das Schloss ging an dessen Schwester Fürstin Helene von Wrede, die uns vor allen unter ihrem Beinamen „Ilka“ geläufig ist. Sie verkaufte 1869 den gesamten Tutzinger Besitz an den Stuttgarter Verleger Eduard Hallberger (1822-1880).
1864 war die Eisenbahn im Bau, aber noch nicht in Betrieb. Das Gleis endete seit 1854 in Starnberg. Die Strecke Starnberg-Tutzing wurde am 1. Juli 1865 in Betrieb genommen, die Strecke Tutzing-Penzberg am 16. Oktober 1865 und die Strecke Tutzing Weilheim-Unterpeißenberg am 1. Februar 1866. Den Weiterbau zu den Kohlebergbauzentren Unterpeißenberg und Penzberg finanzierte die Stadt Weilheim.
Am 10. März 1864 bestieg König Ludwig II. (1845-1886) als 18-Jähriger den Thron. Am 13. April 1868 gründete Ludwig Jung, der zweite Vorstand der Münchner Feuerwehr, den Bayerischen Feuerwehrverband. Jung widmete sein Leben dem Feuerlöschwesen. 1881 verlieh König Ludwig II. ihm den Titel „Königlicher Rat“. Jung besaß auch ein Haus in Feldafing, das er als Sommersitz nutzte und in dem er am 12. September 1906 mit 71 Jahren starb.
1871: Reichsgründung und Tutzinger Feuerwehr
1871 war König Ludwig II. 25 Jahre alt und regierte Bayern. Schloss Neuschwanstein war seit gut einem Jahr im Bau, Linderhof und Herrenchiemsee waren gerade erst in Planung. Die Bayerische Armee hatte gerade ein Jahr lang an der Seite des Norddeutschen Bundes und der anderen süddeutschen Staaten Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt siegreich gegen Frankreich gekämpft. Die erfolgreiche Allianz führte noch vor der offiziellen Kapitulation Frankreichs zur Gründung des deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871.
Gleichzeitig wurde erstmals die Mark zu 100 Pfennigen als deutsche Reichsmünze eingeführt. Sie löste nach und nach den Gulden ab, dem 60 Kreuzer entsprachen. Die Umsetzung der neuen Reichsmünze zog sich aber noch paar Jahre hin, denn auch drei Jahre später bezahlte der Komponist Johannes Brahms sein Zimmer in Tutzing bei Gastwirt Konrad Amtmann noch in Gulden.
Ganz so schnell ging das bei der Freiwilligen Feuerwehr Tutzing nicht, denn der Brand, auf den sie bezogen wird, lag bei ihrer Gründung bereits sieben Jahre zurück.
Ein wichtiger Wegbereiter: Carl-Friedrich Ritter von Heintz
Eine treibende Kraft war dabei der königliche Staatsrat Dr. Carl-Friedrich Ritter von Heintz (1802-1868). Nach der Märzrevolution 1848 wurde er Staatsminister für Justiz, zum Reichsrat auf Lebenszeit ernannt und in den persönlichen Adelsstand erhoben. Als Minister trat er aber schon nach einem Jahr zurück, weil er die konservativen Tendenzen von König Maximilian II. missbilligte.
1863 ließ sich von Heintz eine Villa in Tutzing bauen, deren Kern heute noch vorhanden ist, nämlich im nördlichen Teil der Villa Stolberg, dem derzeitigen Nebenwohnsitz des thailändischen Königs Maha Vajiralongkorn.
Von Heintz, den sein Spezl Franz Graf von Pocci aus Ammerland wegen seiner Feuerwehrambitionen mit ein paar lustig gemeinten Feuerwehr-Karikaturen 1865 ziemlich aufgezogen hat, wird heute oft als Gründer der Feuerwehr Tutzing gehandelt, was jedoch nicht zutrifft. Zweifelsfrei war er aber ein wichtiger Wegbereiter und Unterstützer. Die Gründung der Feuerwehr erlebte er allerdings nicht mehr. Er starb zweieinhalb Jahre vorher, im August 1868, im Alter von 66 Jahren.
Die Gründungsversammlung der Tutzinger Feuerwehr fand am 19. März 1871 statt- so geht es aus einem Schreiben des Vorstands vom 23. September 1871 hervor. In einem Verzeichnis des Bezirksfeuerwehrverbandes ist dagegen der 26. März 1871 genannt. Dieses Datum findet man auch wieder als Eintrittsdatum der Gründungsmitglieder in einer Stammliste, die jedenfalls noch während derer aktiven Zeit erstellt wurde.
Der erste Vorstand: Georg Kalb
Eine wesentliche Rolle dürfte auch ein gewisser Georg Kalb (1818- 1883) gespielt haben. Er war zum Zeitpunkt des Brandes bereits in der Brauerei angestellt, und er war es auch, der gemäß einem Dokument vom 17. März 1867 bereits eine Art Ablauforganisation für zukünftige Brandfälle erstellte. Bei der Gründungsversammlung wurde Kalb, damals 52 Jahre alt, zum Vorstand gewählt. Der Vorstand hatte damals mehr Bedeutung als der Kommandant. Über die Herkunft „unseres“ ersten Vorstand ist bekannt, dass er aus Weilheim nach Tutzing kam, und dass er - dank Heirat mit der wohlhabenden Ökonomentochter Hilaria Greithner aus Arnried - nicht unvermögend war.
Das Ehepaar Kalb war vor 1855 nach Tutzing gekommen, hatte von Graf Vieregg den alten Zehentstadel erworben, ihn abreißen und an derselben Stelle ein Landhaus bauen lassen. Zehn Jahre später verkaufen sie das Gebäude an Johann Nepomuk von Ringseis. Heute ist das Anwesen als Ringseishaus bekannt. Die Floriansstatue am Gebäude ist schon wesentlich älter, sie ist wohl um 1700 entstanden. Es ist unklar, wer sie dort angebracht hat, aber es wäre eine schöne Geschichte, wenn der allererste Vorstand unserer Feuerwehr das gewesen wäre.
Die Kalbs besaßen um 1860 auch die „Hoftaverne“ - später Seehof - und erbauten 1864 den Gasthof „Zur Eisenbahn“, der dann zum Hotel Simson wurde. Ab 1869 war Georg Kalb auch Pächter und Braumeister der neu errichteten Schlossbrauerei an der heutigen Lindemannstraße, deren neuer Eigentümer von diesem Zeitpunkt an bereits Eduard Hallberger war. Dieser Kontakt hat sicher auch eine Rolle dabei gespielt, dass Hallberger der Feuerwehr seine mit dem Schloss erworbene Druckspritze und auch die Remise, die als Spritzenhaus diente, zur Verfügung stellte.
Zehn Prozent der Tutzinger Bevölkerung wurden Mitglieder
Bei der Gründungsversammlung der Tutzinger Feuerwehr wurden 80 ordentliche und sieben außerordentliche Mitglieder in das Geschäftsbuch eingetragen. Das waren damals rund zehn Prozent aller Einwohner. In der Feuerwehr kamen alle Gesellschaftsschichten zusammen: Fischer, Ökonomen, Gastwirte, Gärtner, Handwerker und Taglöhner, aber auch zahlreiche wohlhabende und hochgestellte Persönlichkeiten, Adelige, Staatsbeamte, Künstler und Privatiers.
Die Mitgliederlisten früherer Jahre gleichen dem heutigen Straßennamenverzeichnis: Kunstmaler Ludwig Neustätter (1829-1899), Kammersänger Heinrich Vogl (1845-1900), Ökonom und Fischer Martin Greinwald (1849-1923, Bürgermeister 1894-1919), Metzgermeister Peter Bockmayr (1848-1930), Ökonom Lorenz Pauli (1852-1927), pensionierter Lehrer Anton Thoma, Commerzienrat Max Kustermann (1825-1901), Telegrapheninspektor Georg Beringer (1829-1919), Professor Georg Ebers (1837-1898), Dr. med. Hans Beisele (1859-1911), Monsignore Simon Schmid (1863-1945), Ökonom Karl Bleicher (1884-1958, Bürgermeister 1945-1958), Gastwirt Georg Roth (1873-1953), Gastwirt Josef Fiederer (1877-1940), Pelzfabrikant Oskar Schüler (1884-1946), Schriftsteller Josef Drummer (1887-1959), zahlreiche Pischetsrieders. Unter den Gründungsmitgliedern war übrigens auch der Feldafinger Maurermeister Johann Biersack, der ein Jahr später maßgeblich bei der Gründung der Feldafinger Feuerwehr war. Bürgermeister Michael Lidl übernahm die Führung des Steigerzugs und den Posten des stellvertretenden Vorstands.
Kommandant mit 21 Jahren: Hippolyt von Klenze junior
Zum Kommandanten gewählt wurde der 21-jährige Hippolyt von Klenze junior (1849-1892), Student an der landwirtschaftlichen Schule zu Weihenstephan und Enkel des berühmten Baumeisters Leo von Klenze (+1864). Sein Vater, Hippolyt von Klenze senior (1814-1888) war bis 1864 ein hochdekorierter Offizier der bayerischen Armee, kam dann nach dem Tod seines Vaters Leo nach Tutzing und führte den begonnenen Bau der Villa Buchensee zu Ende.
Hippolyt von Klenze junior gab das Kommandantenamt bereits nach einem Jahr wieder ab. Er verließ die elterliche Villa Buchensee und Tutzing, machte Karriere in landwirtschaftlichen Wissenschaften, verfasste mehrere Fachbücher und wurde später auch als Schriftsteller und Tiermaler bekannt. Er lebte und wirkte ab 1879 in der Gemeinde Mittelberg im Walsertal (Vorarlberg), wo er sogar Ehrenbürger wurde und 1892 mit nur 43 Jahren starb, also nur vier Jahre nach seinem Vater in Tutzing.
Auch Georg Kalb war nur vier Jahre lang Vorstand. Dann überwarf er sich wohl mit Eduard Hallberger, verkaufte seinen Besitz und verließ Tutzing. Am 1. September 1875 kaufte er das Gut Großhesselohe und belebte die Großhesseloher Brauerei wieder. Er starb am 16. Oktober 1883. Georg jun., geboren am 11. Juni 1855 in Tutzing, trat in die Fußstapfen seines Vaters. Er kaufte zusätzlich Gaststätten in Forstenried, Baierbrunn, Pullach und Grünwald. Um 1900 begann er, landwirtschaftlichen Grund zu parzellieren und an Bauwillige zu verkaufen. Das war der Ursprung der so genannten Landhaussiedlung Großhesselohe. Er beabsichtigte, den Ort zu einer eigenständigen Villenkolonie auszubauen. Er initiierte und finanzierte eine Kirchen- und Pfarrstiftung. Die von ihm angelegten Erschließungsstraßen benannte er nach seiner Mutter (Hilariastrasse), seinem Vater (Georgenstrasse) und seiner Frau (Marienstrasse). Die heutige Anschrift der Waldwirtschaft Großhesselohe ist Georg-Kalb-Straße 3. Georg Kalb jun. engagierte sich auch in der Politik, wurde sogar Landrat von Oberbayern (vergleichbar mit einem Regierungspräsidenten). Er starb 57-jährig am 19. Juli 1912.
Damals wie heute das schwierigste Thema: die Finanzierung der Ausrüstung
In der ersten Ausgabe des „Bayerischen Feuerwehrkalenders“ für 1872 sind bei der Feuerwehr Tutzing eine Druckspritze und 82 freiwillige Mitglieder verzeichnet. Schon 1873 kam eine neue Saugspritze dazu, über die leider nichts Näheres bekannt ist.
Damals war das schwierigste Thema wie auch heute die Finanzierung der Ausrüstung. Die Gemeinde hatte sowieso kein Geld und die Spenden der „hochwohlgeborenen“ Villenbesitzer reichten auch nicht aus. Am 6. Februar 1875 gründete die Feuerwehr Tutzing unter dem neuen Vorstand Otto Wörsching und seinem Stellvertreter, Bürgermeister Michael Lidl, ein Gesellschaftstheater. Fischer Mathias Bäck leistete eine Anschubfinanzierung von 100 Gulden und die Mitglieder der Feuerwehr verpflichteten sich vertraglich zur solidarischen Haftbarkeit im Falle eines „ungünstigen Resultats“.
Das Theater entwickelte sich unter der Leitung des Barons von Hofnaß aber recht gut und war 18 Jahre lang sehr erfolgreich. Ab 1894 litt es aber zunehmend unter der Konkurrenz durch die neue TSV-Theatergruppe, und 1911 wurde es aufgegeben.
Rund um Tutzing entstanden weitere Feuerwehren
Ein Jahr vor dem Tutzinger Feuerwehrtheater war am 12. Januar 1874 die Feuerwehr Traubing und am 1.1 November 1874 die Feuerwehr Garatshausen gegründet worden.
Jenseits der Hofmarksgrenze wurden am 15. Januar 1875 die Feuerwehr Pähl, 1876 die Feuerwehr Haunshofen und 1877 die Feuerwehr Bernried gegründet. Am 1. Mai 1879 gründete sich die Feuerwehr Monatshausen. Vorstand Lorenz Klammer, geboren 1839, war acht Jahre zuvor auch schon bei der Feuerwehr in Tutzing dabei gewesen. Kommandant der Feuerwehr Monatshausen wurde Jakob Wöll, geboren 1843. Am 23. Juni 1885 wurde auch in Oberzeismering eine Feuerwehr gegründet.
Viel später, am 19. Mai 1908 gründeten auch die Diemendorfer eine eigene Feuerwehr. Vermutlich in Ermangelung von Gerätschaften schlossen sie sich der bereits bestehenden Feuerwehr Monatshausen an, trennten sich aber 1929 „wegen Unstimmigkeiten und Streitereien“ wieder von ihr.
Königliches Bezirksamt rügte „um sich greifenden Unfug der Vereinsmeierei“
Feuerwehrstandarten mit roten Laternen an der Spitze dienten dem Zweck, die Befehlsstelle am Brandort für alle erkennbar zu machen. Die Feuerwehr Tutzing hatte so eine Standarte beschafft. Es ist jedoch nicht zweifelsfrei geklärt, wann sie beschafft wurde. Im Gegensatz zu den Standarten hatten die allerorten beschafften prächtigen Vereinsfahnen keine Funktion im Einsatz. Sie dienten von Anfang an als Symbol der Kameradschaft und Stärke und sollten auch nach außen hin die Bedeutung des Vereins demonstrieren.
Der Obrigkeit waren die Vereinsfahnen eher ein Dorn im Auge. 1901 sah sich das Königliche Bezirksamt sogar veranlasst, die Feuerwehren zu ermahnen, „den um sich greifenden Unfug der Vereinsmeierei und des Festefeierns, sowie die Anschaffung kostspieliger Vereinsfahnen einzuschränken und die Gelder für die ernsteren Aufgaben der Feuerwehr zu verwenden“.
Für Tutzing wäre diese Ermahnung ohnehin vier Jahre zu spät erfolgt: Unsere erste Vereinsfahne war am 22. Mai 1887 eingeweiht worden. Die Feuerwehr Pähl hatte damals die Patenschaft für die Fahne übernommen. Zuvor war die Feuerwehr an den Jungfrauenbund mit der Bitte herangetreten, „das beschwerliche Geschäft einer Sammlung zur Anschaffung dieser Fahne zu übernehmen“.
1887: Erstmals Entnahme von Löschwasser aus Hydranten
Im selben Jahr, am Sonntag, dem 18. Juni 1887, wurde die Wasserleitung von der Quelle in Kerschlach nach Tutzing eingeweiht. Die Feierlichkeiten wurden um 9 Uhr mit der Alarmierung der Feuerwehr und einer Übung mit Benützung der Hydranten eröffnet.
Erstmals war jetzt auch die Entnahme von Löschwasser aus Hydranten möglich. Dafür war ein Hydrantenwagen mit einer großen, fest montierten Schlauchtrommel sowie Standrohr, Verteiler und Strahlrohren - alles aus massivem Messingguss - angeschafft worden.
Verantwortliche aus Tutzing auf Bezirksebene
Schon früh übernahmen Feuerwehrführer aus Tutzing auch Verantwortung auf Bezirksebene. 1876 wurde der Malermeister Otto Feldhütter (1846-1908) als erster Tutzinger zum Bezirksfeuerwehrauschussmitglied gewählt, was dem heutigen Kreisbrandmeister entspricht. Fünf Jahre lang, von 1878 bis 1883, war er auch Vorstand der Tutzinger Feuerwehr.
Von 1883 bis 1886 saß Heinrich Westermeier (1844-1912) im Bezirksausschuss. In Tutzing war Westermeier zuvor fünf Jahre lang, von 1877 bis 1882, Kommandant und dann erneut neun Jahre von 1885 bis 1894.
Mit Nikolaus Bleicher war sechs Jahre von 1889 bis 1895 ein weiterer Tutzinger im Bezirksausschuss. Bleicher war in Tutzing 13 Jahre lang Vorstand von 1885 bis 1898.
Tutzing war die zweitgrößte Gemeinde im Bezirk Starnberg
Bewegend ist die Geschichte von Johann Gebhardt (1853-1944). Der aus Unterzeismering stammende Fischer ist als 18-Jähriger im Gründungsjahr in die Feuerwehr eingetreten. 1884 wurde er mit 31 Jahren Bezirksfeuerwehr-Auschussmitglied und 1898 im Alter von 45 Jahren auch Kommandant in Tutzing. Beide Ämter übte er bis zum Ende des Ersten Weltkriegs aus, 34 Jahre im Bezirksfeuerwehrverband und 21 Jahre als Kommandant. In seiner Amtszeit erfolgte im Jahr 1904 der Kauf einer fahrbaren „Patent-Leiter“ von der Firma Carl Dietrich Magirus.
1908 wurden alle aktiven Mitglieder mit Uniformen nach Vorschrift ausgestattet. Das Tuch und die Knöpfe bezahlt der Verein. Die Anfertigung der 78 Joppen nach Maß für neun Mark Macherlohn je Stück übernahmen die Schneidermeister Georg Pauli und Michael Scharr, beide Mitglieder der Feuerwehr.
1909 war Tutzing im Bezirk Starnberg mit 1900 Einwohnern die zweitgrößte Gemeinde vor Gauting (1428) und weit vor Gilching (868) oder Herrsching (583). So ändern sich die Zeiten.
Im Ersten Weltkrieg traf das Schicksal die Familie Gebhardt sehr hart. Der jüngere Sohn Georg ist mit nur 23 Jahren im ersten Kriegsjahr 1914 gefallen und der ältere, Hans, starb ein Jahr nach Kriegsende im Alter von 31 Jahren an den Folgen einer Giftgasverletzung. Johann jun., geboren 1889, hatte kurz vor seinem Tod noch eine gewisse Maria Huber geheiratet, die spätere Großmutter des bei der Feuerwehr sehr engagierten Tutzingers Hans-Christoph Greif.
Die Nachfolge von Johann Gebhardt trat der Wagnermeister Lorenz Bäck, geboren 1873, an, 1919 im Alter von 46 Jahren als Kommandant der Feuerwehr Tutzing und drei Jahre später, 1922, auch als Bezirksfeuerwehr-Ausschussmitglied. Weitere vier Jahre später, 1926, wurde er zum Bezirksfeuerwehr-Ersatzvertreter berufen, das entspricht einem Kreisbrandinspektor. Lorenz Bäck war der Urgroßvater des heutigen Gemeinderatsmitglieds Florian Schotter. Bäck übte seine beiden Ämter bis 1938 aus, also fast die ganze Zeit zwischen den beiden Weltkriegen - und diese war alles andere als einfach.
1923 kostete ein Liter Milch 360 Milliarden Mark
Der bis dahin unvorstellbar brutale und grausame Erste Weltkrieg (1914-1918) endete in der Zerschlagung des deutschen Kaiserreichs und führte das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise. Kriegsschulden, Reparationszahlungen und eine kurzsichtige Finanzpolitik führten zur Entwertung der Mark.
1922 waren auch die Ersparnisse der Feuerwehr komplett verloren, die Kasse leer. 1923 kam es zur Hyperinflation. Am 2. Dezember 1923 kostete ein Liter Milch 360 Milliarden Mark. Nach der Einführung der Rentenmark Ende 1923 und schließlich der Reichsmark im Oktober 1924 stabilisierte sich zwar die Währung, aber die weltweite Wirtschaftskrise führte zu weiter steigender Arbeitslosigkeit und Armut in weiten Teilen der Bevölkerung.
In Tutzing wurde der einsetzende Aufschwung von mehreren größeren Bauprojekten getragen. So wurde unter anderem 1925 das Rathaus fertiggestellt und 1926 war die bereits 1911 begonnene Elektrifizierung in Tutzing weitgehend abgeschlossen. Damit konnte 1927 auch der Kauf der ersten elektrischen Sirene für die Feuerwehr erfolgen. Zum Standort wurde das Anwesen von Friseur und Bader Georg Eckerl (geboren 1880), Feuerwehrmitglied in zweiter Generation und Kassier, in der Hallbergerallee bestimmt, denn dort gab es schon einen Telefonanschluss (Nr. 81). Zum ersten Mal ertönte die Sirene zur Frühjahrsübung am 8. Mai 1927. Am 22. Juni 1929 konnte auch die neue Pfarrkirche St. Josef nach 42 Jahren Planung und eineinhalb Jahren Bauzeit eingeweiht werden.
Die Reichstagswahlen am 14. September 1930, bei denen die Nationalsozialisten aufgrund ihrer markigen Versprechungen zur zweitstärksten Partei erstarkten, bedeuteten für Deutschland den Anfang vom Ende. Die Feuerwehr in Tutzing war von der großen Politik jedoch weit genug entfernt, um sich über die erste Motorspritze zu freuen, die im November 1930 samt Armaturen und Transportwagen für 4445 Reichsmark bei der Firma Irlbeck und Rieder, München gekauft wurde. Die Motorspritze brachte es auf 600 Liter pro Minute, was der dreifachen Leistung der bisherigen Handruckspritze entsprach.
Bau des Feuerhauses 1937: Beginn im März - im November war alles fertig
Sämtliche Gerätschaften der Feuerwehr waren seit der Gründung immer im so genannten Spritzenhaus auf dem Schlossgelände untergebracht. Auch die auf Hallberger folgenden Schlossbesitzer Gräfin Gabriele von Landberg (1880-1916), der Gynäkologe Ernst Schoen von Wildegg (1917-1919) und der ungarische Adelige Marczell von Nemes (1921-1930) änderten daran nichts. Der Gemeinde war das natürlich recht, denn so konnte sie die Gesuche der Feuerwehr für ein Feuerhaus immer gut ablehnen.
Doch 1936 erstand der knallharte Industrielle Dr. jur. Dr. phil. Albert Hackelsberger das Schloß und kündigte das 65 Jahre lang bestandene „Servitut“ ohne lange Vorwarnung auf. Die Gemeinde musste so schnell wie möglich selbst ein Feuerhaus bauen. Ein geeignetes Grundstück konnte auf der Barbarabreiten an der seit 1924 bestehenden Oskar-Schüler-Straße erstanden werden. Baubeginn war am 1. März 1937, und bereits am 21. November 1937 wurde das Gebäude feierlich seiner Nutzung übergeben. Einundzwanzig Firmen aus Tutzing und eine aus Starnberg waren mit der Bauausführung beauftragt. Neben den Feuerwehr-Gerätschaften zogen auch die Sanitätsbereitschaft, eine Freibank und die Polizeistation in das Feuerhaus ein.
Fast genau ein Jahr später, am 23. November 1938, wurden die Feuerwehrvereine von der NS-Reichsregierung aufgelöst und in die Feuerlöschpolizei umgewandelt. Damit endete die 19-jährige Amtzeit des Kommandanten Lorenz Bäck und auch die 16-jährige des Vorstands Hans Lettner.
Weitere Berichte zum Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Tutzing:
„Vorbild für uneigennützige Hilfe“
Brennend im Geist
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Kommentare
Ihnen gebührt ein großer und sehr herzlicher Dank für Ihren großartigen Bericht über die 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr in Tutzing! War bereits Ihr Vortrag auf der Lindlwiese sehr beeindruckend, so erfreuen umso mehr nun auch Ihre beigegebenen wahrhaft historischen Fotografien! Den geneigten Lesern seien auch die beiden am Ende angeführten Berichte sehr empfohlen - sie unterstreichen die wertvollen und unverzichtbaren Dienste der freiwilligen Feuerwehr gerade in der augenblicklichen (Wetter-)Situation. Herzliche und dankbare Gratulation für Ihre langjährigen verdienstvollen Leistungen in unserer und in den Nachbargemeinden und die besten Wünsche für die Zukunft!
Wolfgang Walther