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„Vorbild für uneigennützige Hilfe“

Beeindruckende Feier mit Festgottesdienst für Tutzings Feuerwehr zu ihrem 150-jährigen Bestehen

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Bestes Ambiente bot die Lindlwiese für den Festgottesdienst und die Jubiläumsfeier der Tutzinger Feuerwehr

Ganz in blau und rot getaucht war die Lindlwiese am Wochenende: Zum 150-jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr Tutzing fand am Samstagabend mitten im Ort ein Festgottesdienst statt, mit anschließender Segnung des neuen Löschfahrzeugs LF 20, das das 34 Jahre Tanklöschfahrzeug TLF 16/25 ersetzt hat, und das zum Katastrophenschutz gehörende Mehrzweckboot des Landkreises, das in Tutzing stationiert ist.

Viele Mitglieder der Feuerwehren aus Tutzing, den Löschgruppen Diemendorf und Monatshausen sowie von Feuerwehren aus Traubing und Nachbargemeinden nahmen in ihren Uniformen teil. Sichtlich beeindruckt bekannte Landrat Stefan Frey: „Ich bin geblendet von soviel Blau.“ Mit Blumen geschmückt standen nebendran die roten Feuerwehrfahrzeuge.

Als auf einmal auch noch ein Regenbogen auftauchte und für längere Zeit wie ein Glückssymbol über die Veranstaltung zu begleiten schien, verharrten die Redner für eine kurze Zeit ehrfürchtig. „Ich habe mir angewöhnt, immer ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken, wenn ich die Sirene höre“, sagte der katholische Pfarrer Peter Brummer. Er zeigte viel Respekt vor der Arbeit der Rettungskräfte und generell den vielen ehrenamtlich tätigen Menschen. „Der Barmherzige Samariter sah und hatte Mitleid“, sagte er. Das Wort Mitleid gebe es in der biblischen Geschichte öfter. Mitleid zu haben, mitzufühlen, das bedeute, nicht einfach taub und abgestumpft zu sein.

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Wie ein Glückssymbol tauchte plötzlich ein Regenbogen auf
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Ermutigende Arbeit, aber auch große Belastungen

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Applaus für die vielen, die sich bei der Feuerwehr engagieren: Pfarrer Peter Brummer, links Boris Wolff, der Vorsitzende des Tutzinger Feuerwehrvereins

„Manche sagen, wir sind privilegiert in Tutzing und in Deutschland“, sagte der Pfarrer und fragte: „Was gibt uns das Recht, hier geboren worden zu sein und nicht in Marokko, Afghanistan oder Syrien? Umso mehr müssen wir etwas teilen von unserem Wohlergehen.“ Er wisse nicht, ob die Gesellschaft wirklich sozialer geworden sei und wie es um die Bereitschaft stehe, nicht nur zu reden, sondern zu handeln: „Aber ich will nicht nur das Negative sehen - ich sehe auch das andere, das Ermutigende.“ In Tutzing seien viele Menschen da, wenn sie gebraucht würden. Beispielhaft verwies er auf die Tafel „Tischlein deck dich“, die während der Corona-Pandemie die ganze Zeit über geöffnet gewesen sei, und auf die vielen Helfer der in diesem Jahr 100 Jahre alt gewordenen Ambulanten Krankenpflege, die mit ihren 17 roten Autos sieben Tage die Woche unterwegs seien.

Pfarrer Brummer erwähnte aber auch die Belastungen, die mit all dem verbunden sind, etwa für die Einsatzkräfte der Feuerwehr, wenn sie wieder mal nachts ausrücken müssen. Er selbst hat solche Erfahrungen aus dem Kriseninterventionsteam und der Notfallseelsorge. Auch psychisch gebe es enorme Anspannungen, sagte er, weil die Feuerwehrleute oft unmittelbar mit sehr tragischen Ereignissen konfrontiert würden, so wie kürzlich bei einem Unfall auf der B2 in der Nähe von Obertraubing, als ein Motorradfahrer ums Leben kam. "Ich glaube, wir machen uns oft nicht klar, welchen Anforderungen Sie als Feuerwehrler ausgesetzt sind", sagte Tutzings evangelische Pfarrerin Beate Frankenberger mit großem Respekt: "Löschen, Eigentum schützen, Ölspuren beseitigen, Leben retten, aber auch Unfalltote bergen, Überschwemmungen eindämmen und einiges mehr - Sie müssen dann hinterher auch noch mit dem fertig werden, was Sie gesehen und gehört haben." Brennend im Geist „Das sind Einsätze, die Sie alle belasten und wo Sie eigentlich auch selbst psychische Hilfe bekommen müssten“, sagte auch Landrat Frey.

Glückwünsche für Christoph Knobloch - Markus Kuisl zum Ehrenkommandanten ernannt

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Die Feuerwehr ist dem TSV Tutzing durch eine Patenschaft verbunden: Der TSV-Vorsitzende Mark Habdank (links) und Vorstandsmitglied Andreas Hollwich nahmen an der Feier teil

Dass so eine Feier nach der langen Pause wegen der Corona-Pandemie wieder möglich war, schienen alle zu genießen. Endlich könne man wieder in so einer Runde zusammenkommen, sagte der Landrat:„Ich bin seit einem Jahr im Amt, ich kenne mein Büro, jedes Projekt und jede Akte - aber Sie sehe ich hier zum ersten Mal.“ Auch mehrere Vertreter der Kreisbrandinspektion waren gekommen, ebenso die Tutzinger Bürgermeister und Gemeinderäte. Die Veranstaltung gab ihnen allen die Möglichkeit, dem jungen neuen Kommandanten Christoph Knobloch in größerer Runde zu seiner Wahl zu gratulieren. Sie hatte im Februar zwar als erste des Landkreises Starnberg in der Corona-Zeit wieder in Präsenz stattgefunden, doch nur in kleinem Rahmen und mit digitaler Übertragung.

Noch einen weiteren wichtigen Aspekt hatte die Veranstaltung: Der Feuerwehrverein unter dem Vorsitz von Boris Wolff hat Markus Kuisl zum Ehrenkommandanten ernannt, und die Auszeichnung wurde ihm bei dieser Gelegenheit verliehen. 24 Jahre war Kuisl Feuerwehrkommandant – so lange wie vor ihm niemand in Tutzing. Wie das alles war vor 150 Jahren, darüber vermittelte er dann selbst in einer Festrede einen mitreißenden historischen Einblick.

„Der ‚Urknall‘ für die Feuerwehr Tutzing erfolgte bereits im Jahr 1864“, berichtete Kuisl in seinem Festvortrag, „dem Jahr, in dem die Brauerei im Schloss der Grafen von Vieregg niederbrannte.“ Die Gründungsversammlung fand dann doch erst sieben Jahre später statt, im März 1871. Von den 44 Feuerwehren im heutigen Landkreis Starnberg wurden 34 noch vor 1900 gegründet. Die Freiwillige Feuerwehr Tutzing war 1871 die dritte, nach Starnberg 1862 und Oberalting 1869.

In der Feuerwehr kamen von Anfang an alle Gesellschaftsschichten zusammen

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Viel Anerkennung gab es bei der Feier für den langjährigen Feuerwehrkommandanten Markus Kuisl, der die Auszeichnung zum Ehrenkommandanten erhielt. Links Bürgermeisterin Marlene Greinwald, neben ihr Kreisbrandrat Peter Bauch, am Pult der neue Kommandant Christoph Knobloch, neben ihm der Feuerwehrvereinsvorsitzende Boris Wolff und links Kuisl, rechts Pfarrer Peter Brummer

Bei der Gründungsversammlung der Tutzinger Feuerwehr wurden 80 ordentliche und sieben außerordentliche Mitglieder ins Geschäftsbuch eingetragen, wie Kuisl sagte - das seien etwa zehn Prozent aller Einwohner gewesen.

Anschaulich schilderte der Ex-Kommandant Begebenheiten aus jenen Jahren. Er berichtete über für die Feuerwehr wichtige Menschen aus den ersten Jahrzehnten wie Carl-Friedrich Ritter von Heintz, Georg Kalb, Hippolyt von Klenze junior, Otto Wörsching oder Mathias Bäck. In der Feuerwehr seien alle Gesellschaftsschichten zusammengekommen: Fischer, Ökonomen, Gastwirte, Gärtner, Handwerker und Taglöhner, aber auch zahlreiche wohlhabende und hochgestellte Persönlichkeiten, Adelige, Staatsbeamte, Künstler und Privatiers.

„Die Mitgliederlisten früherer Jahre gleichen dem heutigen Straßennamenverzeichnis“, meinte Kuisl. Beispielhaft erwähnte er Ludwig Neustätter, Heinrich Vogl, Martin Greinwald, Peter Bockmayr, Lorenz Pauli, Anton Thoma, Max Kustermann, Georg Beringer, Georg Ebers, Hans Beisele, Monsignore Simon Schmid, Karl Bleicher, Georg Roth, Josef Fiederer, Oskar Schüler, Josef Drummer und zahlreiche Mitglieder der Familie Pischetsrieder.

"Der Feuerwehrverein ist der Kitt zur Gemeinde"

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Pfarrer Peter Brummer segnete das neue Löschfahrzeug und das in Tutzing stationierte Mehrzweckboot des Landkreises Starnberg

„Unsere Feuerwehren sind ein herausragendes Vorbild für uneigennützige Hilfe“, sagte Bürgermeisterin Marlene Greinwald: „Ohne Gemeinsinn und Mitverantwortung hätte unserere Gesellschaft keinen Bestand. Landrat Frey äußerte sich auch besonders anerkennend über die starke Tutzinger Jugendfeuerwehr: „Da kann man sehr stolz sein.“ Als „Kitt zur Gemeinde“ bezeichnete er den Feuerwehrverein, der stark im Ortsleben verwurzelt sei, wie viele seiner Aktivitäten vom Stefaniritt übers Maibaum-Aufstellen bis zur Fischerhochzeit belegten. Beeindruckend engagierten sich die Feuerwehrleute auch immer wieder bei Anforderungen auf Kreisebene, vom Katastrophenschutz bis zur Hilfe in der Corona-Pandemie wie mit Austeilen von Masken und Desinfektionsmitteln oder durch Unterstützung beim Imfptag im Landratsamt.

Seit der ersten Zeit habe sich der Gemeinschaftsgeist nicht verändert, doch die Aufgaben hätten sich stark gewandelt, sagte Bürgermeisterin Greinwald. Von reinen Löschmannschaften seien die Feuerwehren zu modernen Rettungstrupps geworden. Kommandant Knobloch belegte das mit beeindruckenden Daten zum Löschfahrzeug und zum Boot, das laut Landrat Frey sei das leistungsstärkste Boot auf dem Starnberger See ist. Knobloch berichtete über schnelle Einsatzmöglichkeiten zu Wasser wie zu Land. Wenn es um Rettungsaktionen auf dem See geht, nutze die Feuerwehr die öffentliche Bootslände oder einen Kran im Deutsche Touring-Yachtclub. Die Gemeinde Tutzing unterstütze die Arbeit trotz ihrer sehr angespannten finanziellen Lage nach Kräften, verrsicherte Bürgermeisterin Greinwald. Die Ausschreibung für einen neuen Rüstwagen laufe bereits. Und sie fügte hinzu „Das Feuerwehrhaus kommt auch noch.“

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Nach der Feier auf der Lindlwiese gab es noch einen Festzug zum Feuerwehrhaus, wo die Veranstaltung ausklang © Fotos: L.G.

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Ein Brand in der Brauerei war der "Urknall"
Brennend im Geist

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