Politik
6.2.2025
Von Lorenz Goslich

Kritisch, sachlich, höflich

Diskussion unter Bundestagskandidaten ohne Streit: Tutzings Jugendbeirat macht’s möglich

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Spannende Diskussion im Kulturtheater: (von links) Tobias Hartmann, Christian König, Rolf Jürgen Hoffmann, Paul Friedrich, Juliana von Brühl-Störlein, Carmen Wegge und Tobias Möller

Einige Plätze waren noch frei, aber das Kino Kulturtheater war gut besucht am Dienstag bei der Podiumsdiskussion mit hiesigen Bundestagskandidaten. Dass es vor der Wahl am 23. Februar zu der in dieser Form einzigen Debatte mit Vertretern mehrerer Parteien in Tutzing kam, dafür sorgte der Tutzinger Jugendbeirat. Er hat sich um so eine Veranstaltung gekümmert und damit abermals belegt, wie aktiv er sich mit dem politischen Geschehen befasst. So hatte er beispielsweise auch vor der Bürgermeisterwahl 2023 eine Podiumsdiskussion mit der damaligen Rathauschefin Marlene Greinwald und dem Kandidaten Ludwig Horn organisiert oder eine Unterschriftensammlung beim Volksbegehren „Vote16“ zur Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Zwar waren bei der Podiumsdiskussion im Kino nicht alle dabei, die im hiesigen Wahlkreis für den Bundestag kandidieren. Einige Parteien – AfD, Linke, ÖDP und andere - waren gar nicht vertreten, Michael Kießling von der CSU hatte etwas anderes vor, Verena Machnik von den Grünen hatte 40 Grad Fieber und war lieber daheim geblieben. Es war aber trotzdem eine recht illustre Runde: Christian König von den Grünen kam aus dem Nachbarwahlkreis Weilheim dazu, Rolf Jürgen Hoffmann von den Freien Wählern aus dem Landkreis Landsberg, Paul Friedrich von der FDP und Juliana von Brühl-Störlein von der CSU wohnen beide in Tutzing, Carmen Wegge von der SPD lebt in München.

Ansonsten gibt es vor der Bundestagswahl in Tutzing kaum einen Austausch zwischen den Parteien. Das politische Informationsangebot beschränkt sich auf Einzelaktionen, wenige Veranstaltungen einzelner Parteien und einige Stände, an denen Akteure für Gespräche bereitstehen, so samstags auf dem Wochenmarkt beim Rathaus. Wohl auch aus diesem Grund kamen etliche Ältere ins Kino – die jungen Leute waren in der Minderheit.

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Großes Interesse an der einzigen Tutzinger Diskussion zur Bundestagswahl: Das Kino war gut besucht © L.G.
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Aufschlussreiche Ja-Nein-Fragerunde

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Zwei aus Tutzing, die für den Bundestag kandidieren: Paul Friedrich (FDP) und Juliana von Brühl-Störlein (CSU) © L.G.

Die Podiumsdiskussion lief recht forsch und unterhaltsam ab. Die Mitglieder des Jugendbeirats hatten sich einiges einfallen lassen. Zwei von ihnen, der Student Tobias Möller und der Gymnasiast Tobias Hartmann, moderierten das Gespräch. Sie saßen links und rechts, rahmten die anderen damit sozusagen ein und leiteten die Diskussion behutsam, aber durchaus erfolgreich. So hatten sie für eine kurze Vorstellungsrunde am Anfang einen Timer am Tablet vorbereitet, das Hartmann hochhielt: Die jeweiligen Ausführungen sollten nicht länger als eine Minute dauern. Dass das ganz schön kurz sei, bemerkte nur einer, Rolf Jürgen Hoffmann, aber auch er überschritt die Zeitgrenze nur kurz, alle anderen blieben drunter.

Als hilfreich erwies sich auch die Idee einer Fragensammlung online vorab. Nicht zuletzt daraus hatten sich interessante Themen ergeben, die die beiden Moderatoren zur Diskussion stellen konnten. Kurz, bündig und aufschlussreich war eine Ja-Nein-Fragerunde, in der keine Antworten gewünscht waren, sondern lediglich grüne oder rote Karten hochgehalten werden sollten.

Ob der Staat weiterhin ein günstiges Deutschland-Ticket anbieten soll? Alle zeigten grün, also ja. Ob Gendern sinnvoll ist? Drei zeigten rot, zwei grün (König und Wegge). Wie die Haltung zur Legalisierung von Cannabis ist? Dreimal grün (König, Friedrich, Wegge), zweimal rot. Ob sie beim Zustrombegrenzungsgesetz mit der CDU gestimmt hätten? Alle nein außer Hoffmann, Juliana von Brühl-Störlein grün-rot. Für ein Tempolimit? Friedrich und Brühl-Störlein nein, die anderen ja. Ein Parteiverbot der AfD anstreben? Hoffmann nein, Brühl-Störlein unentschlossen, alle anderen ja. Waffenlieferungen an die Ukraine sinnvoll? Alle grün. Frauenquote in der Politik? König und Wegge ja, die anderen nein. Wahlalter auf Bundesebene auf 16 herabsetzen? Brühl-Störlein nein, die anderen grün. Atomkraft für die Energieversorgung wieder einführen? Alle rot, Brühl-Störlein rot-grün.

In einer anderen Runde waren vorgebene Sätze zu vervollständigen:
• Ein verpflichtendes gesellschaftliches Jahr nach der Schule ist...
• Um Bildungsgerechtigkeit in Deutschland zu gewährleisten, muss der Staat...
• Die Schuldenbremse ist...
• Um dem Erstarken populistischer Meinungen entgegenzuwirken, muss die Politik....
• Ein fairer Mindestlohn sollte aktuell betragen: ....

Planungen für mehr E-Ladesäulen in Tutzing?

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Wenige E-Ladesäulen stehen in Tutzing zur Verfügung, so wie hier auf dem Parkplatz beim Kino - und über die eine oder andere gibt es immer wieder Klagen, dass sie nicht funktionieren. Gibt es bald ein besseres Lade-Angebot? Bei der Podiumsdiskussion waren entsprechende Andeutungen zu hören © L.G.

Von der Energieversorgung über das Steuersystem und die Schuldenbremse bis zu Mobiliät, Fachkräftemangel, Migrationspolitik und Generationengerechtigkeit kamen im weiteren Verlauf der Diskussion etliche Themen zur Sprache. Im Zusammenhang mit der heftigen Debatte um den Antrag der Union im Bundestag für strengere Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, dem auch die AfD zugestimmt hat, sorgte gerade das Thema Migrationspolitik für kritische Beiträge. Friedrich zweifelte an der Bereitschaft des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, sich um Kompromisse in der demokratischen Mitte zu bemühen. Viel Interesse zeigte sich durch die Fragestellungen auch an der Generationengerechtigkeit: Das Dilemma wurde so formuliert: Die "Alten" werden entscheiden, wer die Bundestagswahl gewinnt, sie bestimmen auch die Wahlkampfthemen - doch die Jungen werden viel länger mit den Folgen, zum Beispiel im Bereich des (mangelnden) Klimaschutzes leben müssen. Wie da Generationengerechtigkeit aussehen könne?

In der Diskussion ging es nicht immer so flott wie in der Ja-Nein-Fragerunde, aber die Atmosphäre war trotz aller Differenzenb bei den verschiedenen Themene ausgesprochen sachlich. Das hatte wohl auch mit der guten Vorbereitung und der ebenso zurückhaltenden wie deutlichen Gesprächsführung zu tun. Tobias Möller hatte dafür gleich zu Beginn die Richtung klargemacht und um „respektvollen Umgang“ gebeten, worauf das Publikum sofort mit Beifall reagiert hatte. Zwar ging es durchaus kritisch zu, und die fünf, die für den Bundestag kandidieren, brachten immer wieder recht deutlich ihre unterschiedlichen Meinungen zum Ausdruck. Doch niemand von ihnen wurde ausfällig oder gar gegenüber den anderen beleidigend. Im Ton blieben sie die ganze Zeit höflich und verbindlich.

Das ermöglichte eine Diskussion, bei der man das Gefühl hatte: Hier steht nicht der Streit, nicht die persönliche Profilierung im Vordergrund, sondern das Bemühen um möglichst gute Lösungen, mit denen alle leben können. So blieb zwischendurch sogar immer wieder Platz für launige Bemerkungen. Damit ergab sich eine informative, spannende und kontroverse, aber auch unterhaltsame Debatte, bei der alle den anderen genau zuhörten und detailliert auf andere Meinungsäußerungen eingingen - so, wie man es sich in einer funktionierenden Demokratie wünscht.

Obwohl es nicht um Tutzing ging, ließ auch die eine oder andere lokalpolitische Anmerkung aufhorchen. Als Hoffmann darauf verwies, dass es in London „an jeder Laterne“ Lademöglichkeiten für Elektroautos gebe, warf Paul Friedrich ein: „Da sind wir in Tutzing in der Planung, dass es genauso kommt.“

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Lautes Bravo und meinen Dank an unseren Jugendbeirat, dass Ihr wieder für uns Tutzinger solch eine Infoveranstaltung trotz der knappen Vorbereitungszeit organisiert habt; immerhin mit Kandidatinnen & Kandidaten von 5 Parteien.
Danke auch an unsere neuen Kinobetreiber als Gastgeber.
Insgesamt eine sehr gute und auch sachlich-informative Veranstaltung.

Allerdings: das doch sehr wichtige Wohnungsthema und wie unterscheidliche Lösungspläne konkret für Hochpreisregionen wie Tutzing aussehen sollen?
Das kam leider erst ganz zum Schluss zur Sprache und wurde dann - für mich - viel zu knapp abgehakt.
(Bearbeitet)