Politik
6.1.2025
Von vorOrt.news

„Tutzing – Destillat bayerischer Lebenskunst“

Zum CSU-Neujahrsempfang bringt Minister Markus Blume eine bemerkenswerte KI-Beschreibung mit

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Gut gelaunt waren Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (rechts) und Tutzings Bürgermeister Ludwig Horn beim CSU-Neujahrsempfang in Traubing. Hinten links der CSU-Bundestagsasbgeordnete Michael Kießling.

„Wenn Oberbayern die Steigerung von Bayern ist, dann ist Tutzing die Essenz davon – quasi das Destillat bayerischer Lebenskunst. Hier treffen bayerische Gemütlichkeit, wissenschaftlicher Tiefgang und kulturelle Hochkultur aufeinander. Ein Ort, an dem man große Ideen denkt, während man den schönsten Blick auf den Starnberger See genießt. Oder anders gesagt: Tutzing ist Bayern in seiner feinsten Ausführung – quasi Bayern, aber mit Seeblick und einem intellektuellen Stammtisch!“

Diese Beschreibung hat Bayerns Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume am Sonntag zum Neujahrsempfang der Tutzinger CSU in den Traubinger Buttlerhof mitgebracht. Erstellt hat die bemerkenswerten Worte über Tutzing nach seinen Worten eine "Künstliche Intelligenz", kurz KI. „Wenn die KI schon so von Tutzing denkt, reicht die natürliche Intelligenz aus, um es zu bestätigen“, kommentierte der CSU-Politiker, der nach eigenen Worten „irgendwann in diesen Tagen“ Vater werden wird. Für den Tutzinger Empfang, seinen ersten politischen Termin in diesem Jahr, war aber noch Zeit, da war er sich mit seiner Frau einig: „Kreißsaal oder Tutzing – da haben wir uns für Tutzing entschieden.“

Blume war der Hauptredner bei diesem Empfang, aber noch viel mehr politische Prominenz war dabei. Grußworte sprachen der CSU-Bundestagsabgeordnete und -kandidat des hiesigen Wahlkreises, Michael Kießling, die CSU-Landtagsabgeordnete Dr. Ute Eiling-Hütig aus Feldafing, der Starnberger Landrat Stefan Frey und die erst 21 Jahre alte Tutzingerin Juliana von Brühl-Störlein, die kurz vor Weihnachten zur Listenkandidatin der CSU gewählt worden ist. Sie gab sich sicher: „Jung, modern, weiblich und konservativ schließen sich nicht aus.“

Zweitstimme wichtiger als Erststimme

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Ludwig Horn moderierte die Veranstaltung unterhaltsam und inhaltsreich

Der Tutzinger Bürgermeister und CSU-Ortsvorsitzende Ludwig Horn, auch erst 28 Jahre alt, moderierte die Veranstaltung inhaltsreich und auf unterhaltsame Weise, führte mit eleganter Themenwahl von einem Redner zum anderen – und er machte klar, wie wichtig die Bundespolitik auch für Kommunen wie Tutzing ist. So musste die Planung für die Sanierung der Tutzinger Mittelschule nach seinen Worten wegen der Vorschriften des Gebäudeenergiegesetzes „umgeschmissen“ werden: „Monate Planung waren auf einmal weg.“ Eine sehr gute, „hochinnovative“ Lösung sei dabei zwar herausgekommen: „Aber unter welchen Schmerzen!“ Für das Projekt erhält die Gemeinde zwar eine ansehnliche staatliche Förderung von 55 Prozent der Gesamtkosten, doch das eine oder andere Förderprogramm, sagte Horn, sei der Gemeinde im Zuge dieses Prozesses durch die Lappen gegangen. Unter anderem wird es nun eine Heizung mit einem Eisspeicher im ehemaligen Schwimmbad geben.

Bei diesem Neujahrsempfang waren aber alle vor allem auf den Bundestagswahlkampf eingestellt. „Wir brauchen beide Stimmen für die CSU“, betonte der Bundestagsabgeordnete Michael Kießling. „Beide Stimmen für die Union“, sagte Minister Blume, „nur das schafft Stabilität, Klarheit und einen Kurs der bürgerlichen Mitte.“ Auf die Bedeutung der "Zweitstimme" wurde bei dem Empfang immer wieder hingewiesen. Nach einer verbreiteten Meinung ist in der Bevölkerung noch zu wenig bekannt, dass die Zweitstimme trotz ihres Namens wichtiger ist als die Erststimme, weil die Zweitstimme über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag entscheidet. Erhält eine Partei bei der Wahl mehr Direktmandate, als ihr durch die Zweitstimmen zustehen, dann fallen die Direktmandate mit den niedrigsten Stimmenanteilen weg - die so genannte Zweitstimmendeckung. Mit Leihstimmen für andere funktioniere es nicht mehr, sagte Kießling, der die CSU als „die einzige bayerische Partei“ bezeichnete.

Kießling zählte drei zentrale Aufgaben auf: die Wirtschaft stärken, die Sicherheit stärken, die Migration steuern. Ute Eiling-Hütig freute sich darüber, dass das Thema Bildung im Land „verankert“ sei, also nicht von der Bundespolitik beherrscht wird. Auswirkungen von Bundesentscheidungen auf die Bildung gebe es aber dennoch. So würden die Volkshochschulen umsatzsteuerpflichtig: „Sie werden nicht mehr als Bildungseinrichtungen, sondern als Dienstleister gesehen – das ist ein großer Fehler.“ Die Dozenten würden jetzt quasi alle scheinselbstständig: „Welche Volkshochschule kann sich das leisten?“ Scharf kritisierte Eiling-Hütig auch beim Thema Migration die Kürzung der Bundesausgaben für Integrationskurse um die Hälfte, von einer Milliarde auf 500 Millionen Euro. „Wenn die Leute hier leben wollen, müssen sie integriert werden“, sagte sie, „und das geht nur über die Sprache.“

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Blume: "Wir müssen Deutschland wieder in Ordnung bringen"

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Wer bestellt, muss auch bezahlen: Der Starnberger Landrat Stefan Frey - hier im Gespräch mit Richard Schottenhaml aus Monatshausen - pocht auf das Konnexitätsprinzip

Der Starnberger Landrat Stefan Frey nutzte die Gelegenheit seines Grußwortes nochmals zum Plädoyer in Sachen Krankenhausreform: „Vergesst unsere Krankenhäuser nicht!“ Was von der bisherigen Bundesregierung als Krankenhausreform “verkauft“ werde, sei „eine riesige Mogelpackung“, die die Probleme des Gesundheitswesens nicht löse, sondern verschäfe, kritisierte er. Seine Forderung an die nächste Bundesregierung: „Schnürt dieses Paket nochmal auf!“ Auch zur Finanzierung der Kommunen äußert sich Frey. Wenn man ihnen schon Vorgaben mache, dann müsse man sie auch mit dem nötigen Geld versehen, sagte er unter Hinweis auf das „Konnexitätsprinzip“, nach dem derjenige, der etwas bestellt, es auch bezahlen muss.

Nach Meinung von Minister Blume ist ohnehin in Deutschland allzu viel in Unordnung geraten „Wir müssen Deutschland wieder in Ordnung bringen und dem Land wieder eine Richtung geben“, sagte er. Der Ampelregierung warf er „eine Politik nach Gutsherrenart“ vor. So habe es in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern, deren Vorsitzender er ist, fast keine Abstimmung und Koordination gegeben. Er erinnerte an das Wort des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl von einer „geistig-moralischen Wende“. Ein „Kompass“ sei notwendig. „Wir wollen auf die bürgerliche Mitte des Landes setzen“, rief Blume aus. Es müsse eine Rolle spielen, was die Mehrheit des Volkes will: „Die vergangenen drei Jahre sind nach Minderheiten ausgerichtet worden.“

Erforderlich seien mehr konkrete Ziele und weniger Ideologie, sagte Blume. Und man müsse damit aufhören, die Menschen umerziehen zu wollen. Es gehe darum, sie zu befähigen, aber nicht darum, sie zu bevormunden. Eine verlässliche Mehrheit könne es nur mit einer starken Union geben, sagte er. Damit verband er auch ein Plädoyer für demokratische Stabilität. „Das Vertrauen habe aber dramatisch abgenommen, kritisierte er und fügte mit Blick auf AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht hinzu, nur so hätten Parteien groß werden können, die nicht konstruktiv, sondern destruktiv seien. Ohne sie werde es vielleicht gar nicht mehr möglich sein, eine Regierung zu bilden. Dabei verwies er auf Österreich, wo am selben Tag die Koalitionsverhandlungen geplatzt sind und eine Regierungsbeteiligung mit der teils rechtsextremen FPÖ als wahrscheinlich gilt. „Ein Wahlzettel sollte nie ein Experimentierteld sein“, warnte Blume. Vier Jahre mit Rechtsradikalen, mit Kommunisten und mit Leuten, „die jeden Abend von Putin träumen“, seien „das Falsche für unser Land“.

"Wir leben von den Erfindungen der Vergangenheit"

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Zuwanderung ja - aber nur mit Bekenntnis zu unserer Leitkultur, sagt Minister Markus Blume

Blume sprach sich auch dafür aus, selbstbewusster von den Werten zu sprechen, die hier zu Lande lange wichtig gewesen seien, wie Respekt vor dem anderen, Achtung vor Gott und Nächstenliebe. „Wir bekennen uns zur Leitkultur“, betonte er: „Wenn jemand bei uns lebt, sollte der Richtungspfeil der Integration für ihn unsere Leitkultur sein.“ Sicherheit und Ordnung müssten wieder hergestellt werden. „Natürlich brauchen wir Zuwanderung“, sagte er. Im Bereich Pflege sei die Hälfte der Stellen unbesetzt, in den Ingenieurwissenschaften sei die Hälfte der Studienplätze frei. „Wir sind auf Zuwanderer angewiesen“, folgerte er: „Aber das ist etwas anderes, als alle unkontrolliert ins Land zu lassen und zu sagen: Dann sehen wir schon.“ Ein Land, das nicht entscheiden könne, wer kommen darf, habe „ein gewaltiges Legitimationsproblem“: „Das müssen wir abstellen.“

Wichtig ist es für Blume auch, die Industrie „wieder flott zu kriegen“. Die Zeiten, als Deutschland wirtschaftlich an der Tabellenspitze stand, seien lange vorbei: „Wir leben von den Erfindungen und Entwicklungen der Vergangenheit.“ Wie der Wohlstand von morgen erwirtschaftet werden soll? In Bayern sieht der Minister dafür immerhin vielversprechende Ansätze, so in Garching mit dem Zentrum für Energieforschung und der Ergänzung des Supercomputers um einen Quantencomputer oder mit neuen Therapieformen für unheilbare Krankheiten im Max-Planck-Institut.

Warum ist Bayern im Glücksatlas nur auf Platz zwei gelandet?

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Die Landtagsabgeordnete Dr. Ute Eiling-Hütig (links) und die Tutzinger CSU-Listenkandidatin Juliana von Brühl-Störlein © Fotos: L.G.

In der Liste der weltweit wertvollsten Unternehmen stehe das erste deutsche Unternehmen - SAP – auf Platz 32, aber SAP sei auch schon 50 Jahre alt. Viele der wertvolleren Unternehmen weiter vorn in der Liste seien deutlich jünger. Es gelte sicherzustellen, mahnte Blume, „dass bei uns Unternehmen groß werden können, die das Potenzial haben, die Welt zu revolutionieren“. Dafür sei es dringend notwendig, sich auf neue Dinge zu konzentrieren. In Zeiten massiver Energieknappheit, sagte er, hätte man „über den ideologischen Schatten springen“ und die Kernkraftwerke noch einige Jahre weiter laufen lassen müssen.

Mit der Energieversorgung sei „maximal fahrlässig“ umgegangen worden, kritisierte Blume. So sei Deutschland vom Stromexporteur zum größten Stromimporteur Europas geworden. Das Leistungsprinzip müsse wieder mehr Bedeutung erlangen: „Das ist eine der stärksten Triebfedern für unsere Gesellschaft.“ Leistung müsse sich lohnen, und wer lebenslang gearbeitet habe, müsse mehr haben als der, der nicht gearbeitet habe. „Das Bürgergeld ist ein Anreiz zum Nichtarbeiten geworden“, kritisierte er: „Das können wir uns volkswirtschaftlich nicht leisten, weil wir nicht genug Arbeitskräfte haben.“ So könnten immer mehr Gastronomen nicht aufsperren, weil sie nicht genügend Personal hätten: „Das ist mit das erste, was von der neuen Regierung beseitigt werden muss, wenn wir Deutschland wieder flott bekommen wollen.“

In Tutzing jedenfalls hat es Blume am Sonntag sichtlich gefallen – vielleicht auch, weil der Empfang in Traubing stattfand und er nicht über die noch nicht ganz fertige Tutzinger Hauptstraße fahren musste, wie Bürgermeister Horn witzelte. Blume erinnerte an eine Bemerkung von Bayerns früherem Regierungschef Edmund Stoiber: Oberbayern sei die Steigerung von Bayern. „Der aktuelle Ministerpräsident wird es wahrscheinlich nicht so sehen“, fügte er hinzu. Hat etwa dessen Heimat Franken etwas damit zu tun, dass Bayern beim „SKL Glücksatlas 2024“ nicht auf dem ersten, sondern „nur“ auf dem zweiten Platz hinter Hamburg gelandet ist? Die Franken seien eher „gedämpft“, meinte Blume, und zögen das Gesamtbild möglicherweise etwas nach unten. An der starken Anziehungskraft von Bayern ändert das aber nichts. "Namhafte Weltkonzerne wollen sich in Bayern ansiedeln", sagte der Minister, und mit Blick auf manche zweifelhafte Staatsförderung anderswo: "Ohne Subventionen!"

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Dass Blume in seiner Rede das gesamte Floskelrepertoire des rechtskonservativen Populismus der Gegenwart gegen sich selbst wendet, scheint den Anwesenden nicht aufzufallen. Immerhin befindet sich die CSU in Bayern seit 1957 in ununterbrochener Regierungsverantwortung (und im Bund war das in 70 Prozent der Legislaturen der Fall). Es wäre also durchaus angebracht, dass die Partei sich auch ihrer eigenen Verantwortung für die aktuellen Herausforderungen stellt, anstatt diese allein anderen zuzuschreiben.

Die Versäumnisse der CSU sind offensichtlich: In der Einwanderungspolitik hat sie durch populistische Zuspitzungen und das bewusste Blockieren von Integrationsmaßnahmen eine effektive Eingliederung vieler Migrantinnen und Migranten verhindert. Gleichzeitig hat sie den Anschluss an die Energiewende verpasst und Bayern in eine energiepolitische Abhängigkeit geführt, die heute teuer bezahlt wird. Auch im Bildungsbereich bleibt Bayern unter der CSU hinter seinen Möglichkeiten zurück. Bildungsgerechtigkeit wurde nicht nur nicht erreicht, sondern bestehende Ungleichheiten wurden sogar zementiert.

Hinzu kommt ein politischer Stil, der zunehmend von Symbolpolitik und Inszenierung geprägt ist. Ein Ministerpräsident, der mit Wurstsemmelbildern, fragwürdigen Gesten und seinem altbekannten Drang, CDU-Kanzlerkandidaten das Leben schwer zu machen, Schlagzeilen macht, lenkt von den eigentlichen Problemen ab, statt Lösungen zu präsentieren. Bayern braucht keine nostalgische Selbstbeweihräucherung, sondern mutige und zukunftsorientierte Politik. Es wird Zeit für einen echten Wandel – hin zu nachhaltigen Konzepten, sozialer Gerechtigkeit und einer klaren Vision für die kommenden Jahrzehnte.