Politik
15.10.2018
Von vorOrt.news

Sie lassen sich von der CSU nicht unterbuttern

Tutzinger Akademiechefin Münch und ihr Vorgänger Oberreuter zu denkbaren Koalitionen in Bayern

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Bei Wahlen immer gefragte Gesprächspartner: Ursula Münch und Heinrich Oberreuter © Akademie für politische Bildung

Bei Wahlanalysen sind sie immer gefragt: Prof. Ursula Münch, die Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing, und ihr Vorgänger Prof. Heinrich Oberreuter sind auch diesmal rund um die Landtagswahl in Bayern begehrte Gesprächspartner.

In etlichen Interviews haben sie sich geäußert. So wurde Ursula Münch gestern Abend kurz nach den ersten Hochrechnungen mit der Erwartung zitiert, dass CSU-Chef Horst Seehofer nicht freiwillig zurücktreten werde. „Ob er es durchhalten wird, hängt natürlich vom Druck aus der CSU in Bayern ab“, sagte sie nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur.

Für wichtig hält Münch auf alle Fälle eine zügige Regierungsbildung. In einem Gespräch mit dem Radiosender B5 hat sie es aber schon vor der Wahl als „unheimliche Herausforderung“ bezeichnet, dass die bayerische Verfassung für die Regierungsbildung nach der Wahl einen engen Zeitplan vorsehe. Sie gehe jedoch davon aus, dass die Parteien, die möglicherweise eine Koalition bilden werden, das schaffen würden.

Das vorläufige amtliche Wahlergebnis und denkbare Regierungskoalitionen

Das vorläufige amtliche Endergebnis der bayerischen Landtagswahl 2018 sieht so aus (in Klammern die Ergebnisse der vorangegangenen Landtagswahl 2013)

CSU 37,2 (47,7) % - 85 Sitze
Grüne 17,5 (8,6) % - 38 Sitze
Freie Wähler 11,6 (9) % - 27 Sitze
AfD 10,2 (0) % - 22 Sitze
SPD 9,7 (20,6) % - 22 Sitze
FDP 5,1 (3,3) % - 11 Sitze
Linke 3,2 (2,1) %
Sonstige 5,4 (8,7) %

Die Wahlbeteiligung war mit 72,4 % deutlich höher als bei allen vorangegangenen Landtagswahlen seit 1990. Sie hatte zwischen 57,1 % (2003) und 69,8 % (1998) geschwankt. Bei der Landtagswahl 2013 hatte sie bei 63,6 % gelegen.

Der Landtag umfasst 205 Sitze. Mindestens 103 Sitze sind deshalb für eine Regierungskoalition erforderlich.

CSU-Ministerpräsident Markus Söder hat bereits Sympathien für eine Koalition mit den Freien Wählern erkennen lassen. Zusammen kämen CSU und Freie Wähler auf 112 Sitze. Größer wäre die Mehrheit bei einer Koalition von CSU und Grünen - sie brächten es gemeinsam auf 123 Sitze.

Auch noch andere Konstellationen sind denkbar, aber nach den derzeitigen Äußerungen der Beteiligten weniger realistisch. Auf eine Mehrheit käme auch die CSU zusammen mit der SPD (107 Sitze), also quasi eine "große" Koalition, für die der Begriff "groß" jedoch wegen des mageren SPD-Ergebnisses kaum angebracht erschiene.

Dass die FDP mit der CSU und einer anderen Partei zusammen die Regierung bildet, ist wenig wahrscheinlich, weil die CSU mit verschiedenen Parteien Zweierkoalitionen bilden kann. Die FDP wird also hierfür nicht benötigt.

Noch unwahrscheinlicher dürfte eine Mehrheit ohne die CSU sein, obwohl sie rechnerisch möglich wäre. Dann müssten sich alle anderen fünf Parteien zusammentun - also Grüne, Freie Wähler, AfD, SPD und FDP. Dazu wird es wohl schon wegen des parteiübergreifend verbreiteten Ausschlusses einer Zusammenarbeit mit der AfD kaum kommen. Mit dem Phänomen AfD hatte sich Oberreuter bei einem Besuch in Tutzing im Januar dieses Jahres ausführlich beschäftigt. Damals hielt er den etablierten Parteien vor, dass sie wichtige Themen nicht besetzt hätten. Die AfD habe Themen und Gefühle aufgegriffen, die in der Politik nicht beachtet worden seien und zum Teil verachtet worden seien. Wenn jemand als Idiot bezeichnet werde, bloß weil er eine andere Meinung als man selbst vertrete, dann verstoße das gegen die liberale, plurale Qualität des Grundgesetzes. Oberreuter zur Wahlbeteiligung: Gemeinderäte müssen zu ihren Bürgern gehen

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Oberreuter: Freie Wähler stärker in der Gesellschaft verankert als FDP

Heinrich Oberreuter wurde gestern Abend im Bayerischen Fernsehen zu denkbaren Regierungskoalitionen befragt. Die CSU werde die Freien Wähler im Fall einer Zusammenarbeit mit ihnen nicht so „unterbuttern“ können wie die FDP in der Koalition mit dieser Partei (2008-2013), meinte er. Denn die Freien Wähler seien numerisch stärker und zudem in der Gesellschaft, gerade im mittelständischen und im kommunalen Bereich, viel stärker verankert.

Der öffentlich-rechtliche Auslandssender "Deutsche Welle" beschreibt die Freien Wähler in einem Bericht über die Folgen der Bayern-Wahl folgendermaßen: "Das ist eine regionale und konservative Wählervereinigung, die der CSU politisch sehr nahe steht."

Das ist eine regionale und konservative Wählervereinigung, die der CSU politisch sehr nahe steht Die "Deutsche Welle" über die Freien Wähler

Münch: Grüne sprechen frühere CSU-Stammwähler an

Oberreuter vertrat aber auch die Auffassung, dass eine schwarz-grüne Koalition nach einigen Umfragen unter CSU-Anhängern erstaunlich populär sei - speziell bei jüngeren Menschen und im städtischen Milieu. Unter CSU-Wählern gebe es längst eine Öffnung in Richtung Grün: „Das zu lernen, dürfte eine der Hauptaufgaben für die Parteiführung sein.“ Er wies aber auch darauf hin, dass die CSU einst in Europa das erste Umweltministerium etabliert habe. Das Ökologische sei schon lange „ein ganz wichtiger Faktor innerhalb der CSU-Programmatik“, auch unter dem Gesichtspunkt der Bewahrung der Heimat und der Schöpfung.

Für Ursula Münch ist bei den Grünen "die Verbindung zwischen Heimatbegriff und Umweltschutz" sogar Teil des Erfolgsrezepts neben personellen Veränderungen und Pragmatismus. „Damit könnten sie auch ein Klientel ansprechen, das früher eindeutig zur CSU-Stammwählerschaft gehörte“, sagte sie in einem vor der Wahl erschienenen Interview mit „The European Magazine“.

Die Tutzinger Ergebnisse bei der Landtagswahl:
Grüne bei über 28 Prozent der Zweitstimmen

Quelle Titelbild: Akademie für politische Bildung
ID: 1235
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