Der Andrang war ganz schön heftig: Etwa 80 Zuschauer sind am Dienstag Abend ins Würmsee-Stadion an der Bernrieder Straße gekommen, um beim Start der jungen Mauersegler dabei zu sein. Zahlreiche kleine Kinder schauten mit großen Augen zu, als Dr. Ninon Ballerstädt und ihr Lebensgefährte Alois Seidl auf der Balkonterrasse des Stadions einen Vogel nach dem anderen aus den mitgebrachten Kisten holten.
Zu fressen gab‘s Heimchen, also Grillen, die Ninon den Vögeln mit der Pinzette in den Schnabel steckt. Ihre Segler nimmt sie immer mit einem Stück Papier aus dem Kasten, denn Fett an ihrer Hand würde den Vogel beim Fliegen beeinträchtigen. Wenn sie ihn beim Füttern in der blanken Hand hielte, erklärte sie, ginge das Gefieder kaputt.
Mit der Nahrungsaufnahme bei den Mauerseglern sei es so ähnlich wie bei den Menschen, erklärte die Naturwissenschaftlerin und Ornithologin Ballerstädt. Wenn es zu gut schmecke, leide die Figur darunter. Die Mauerseglerin Franzi zum Beispiel wiege jetzt grad mal 40 Gramm. Sie habe aber auch schon 54 Gramm auf die Waage gebracht. Und um nun in die Luft abzuheben, habe sie wieder „abspecken“ müssen.
Man erfuhr, dass Mauersegler keine Schwalbenart seien. Schwalben seien ganz etwas anderes, sie hätten zwar eine ähnliche Lebensart wie die Segler. Die Schwalben sind Singvögel und können auf einem Ast sitzen oder auf Leitungen. Mauersegler können das nicht. Die Segler seien als nächstes mit den Kolibris verwandt, erfuhren die Zuhörer.
Das Dach wird manchmal so heiß wie ein Backofen

Jetzt, da die Segler aufgepäppelt und praktisch erwachsen geworden sind, füttert Ninon sie „nur“ fünfmal am Tag. Anfangs, wenn sie geschwächt zu ihr gebracht werden, kann es sogar noch öfter sein. Die jungen Mauersegler fliegen etwa zehn Monate lang fast ununterbrochen, fangen unterwegs Nahrung und schlafen auch fliegend. In der kalten Jahreszeit fliegen sie nach Afrika. In Mitteleuropa halten sie sich von Mai etwa bis August auf.
Wenn die Brutzeit gekommen ist, suchen sie sich Nester, meist unter Hausdächern, zwischen der Regenrinne, an Schlitzen oder unter geeigneten Balken. Da jetzt wegen Wärmedämmung vielfach alle Schlupflöcher geschlossen seien, sagte Ninon Ballerstädt, bleibe oft nur der schmale Spalt zwischen der Verschalung und der Eindeckung vom Dach.
Von Mitte Juni an sei „Absturzsaison“. Denn dann werde das Dach manchmal so heiß wie ein Backofen, so dass die Vögel nach Abkühlung suchen und vor Erschöpfung auf den Boden fallen. Wenn jemand weiß, dass oben an seinem Haus Segler brüten, sollte er um diese Zeit mehrmals ums Haus herumgehen, um sie aufzulesen. Denn die Vögel bleiben einfach ruhig liegen.
Ein Seglerturm in der Greinwaldstraße?
Wenn Hausbewohner so ein Absturzopfer finden, bringen sie es häufig zu Ninon Ballerstädt. In der unteren Greinwaldstraße, nahe der Hauptstraße, gebe es mehrere Nistplätze in den Häusern. Überhaupt habe sie diese Gegend schon länger im Auge gehabt. Sie berichtete nämlich, dass sie die Idee habe, auf dem Gelände der Mittelschule in der Greinwaldstraße, an der Ecke zu dem Parkplatz (frühere TSV-Halle), einen Seglerturm zu bauen. Da könnte man schöne Projekte für Kinder über Mauersegler und Schwalben veranstalten. Aber bisher sei nichts daraus geworden.
Mauersegler wollen immer wieder zurück zu den alten Brutplätzen. Sie seien da sehr stur, sagte die regional und auch international bekannte Expertin. Deshalb sei es auch verboten, in der Zeit, in der Segler ihre Brutplätze suchen, die entsprechenden Zugänge in den Häusern zu verrammeln oder zu verschließen.
Aufmunternde Worte auf dem Weg in die Freiheit

Auch folgende wissenswerten Details erfuhren die Zuschauer von der Ornithologie-Fachfrau: Man kann versuchen, Nistkästen für die Mauersegler aufzuhängen, möglichst in Dachnähe und mindestens in fünf Meter Höhe. Vor dem Nistkasten soll nichts im Wege stehen. Es darf kein Gerüst davor stehen.
Es gibt sogar CDs mit Mauersegler-Rufen, die dazu dienen können, die Vögel anzulocken. Denn an diesen Rufen orientieren sie sich. Es ist besser mehr als nur einen Nistkasten aufzuhängen. Sie habe sogar gehört, sagte Frau Ballerstädt, dass Leute sich eine Mauersegler-Silhouette an die Wand malen, um Artgenossen anzulocken. Das könne man machen, es störe nicht.
Nach der Fütterung wanderte die ganze Besucherschar hinunter ins Stadion, wo Dr. Ninon Ballerstädt am Rand des Fußballfelds ihre Lieblinge in die Freiheit entließ. Von ihrer offenen Hand starteten die Segler meist flach über den Rasen dahingleitend, bis sie sich vor dem Wald im Hintergrund in weiten Schwüngen in die Luft erhoben.
Die Vogel-Fachfrau, die sich seit mehr als 20 Jahren rührend um Mauersegler, aber auch viele andere Tierarten kümmert, gab ihnen jedes Mal aufmunternde Worte mit auf den Weg. Dabei war schwer zu erspüren, ob Wehmut mitschwang oder ob ihre Freude überwog, den kleinen, zarten Vögeln zu einem Leben in Freiheit verholfen zu haben.
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