Von Dr. Ninon Ballerstädt

Jetzt frisst er, was das Zeug hält

Aus dem Nest gefallenes winziges Mauersegler-Küken aus Augsburg wird in Tutzing hochgepäppelt Die in Tutzing lebende Autorin ist Naturwissenschaftlerin. Sie widmet sich seit langer Zeit besonders der Aufzucht von Mauerseglern.

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Das Augsburger Mauersegler-Küken ist in Tutzing auf gutem Weg © Alois Seidl

Die "Mauersegler-Küken-Absturz-Saison" hat begonnen. Also: Augen auf beim Gang ums Haus!

Neben insgesamt 54 Tieren bis jetzt, darunter drei erwachsene, verunfallte Segler, kam am Freitag, dem 12. Juni, der erste Mauersegler-Nestling des Jahres 2020 in meine Obhut mit knappen vier Gramm Gewicht. Er war bereits am Abend des 11. Juni in Augsburg gefunden worden. Durch das Engagement eines Mitarbeiters der Zoologischen Staatssammlung München konnten für das winzige Kerlchen noch rechtzeitig Pflegeplatz und Transfer von Augsburg nach Tutzing organisiert werden.

So winzige Küken, die etwa zwei bis drei Tage alt sind, stürzen sich normalerweise nicht selbstständig aus den Nestern, wenn es ihnen dort zu heiß wird; dazu sind sie erst ab einem Alter von etwa zehn Tagen in der Lage. Solche Winzlinge werden aus Versehen von den Eltern aus dem Nest hinausbefördert. Selbst wenn sie dabei noch in der Bruthöhle verbleiben, bedeutet das in der Regel ihren Tod, da sie noch zu klein sind, um wieder ins Nest zurück zu gelangen. Und gefüttert wird nur im Nest; wer daneben liegt, bekommt nichts.

Manchmal schubsten die Altvögel ihre Babys versehentlich aus dem Nest

Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Auf der letzten Mauersegler-Konferenz wurde das Video von einer Nistkasten-Kamera aus Irland gezeigt, die genau so ein Malheur gefilmt hatte: Eines der Babys war durch einen der Altvögel versehentlich aus dem Nest geschubst worden. So elegant und wendig sich die Mauersegler in der Luft bewegen, so unbeholfen und tollpatschig wirken sie, wenn sie „Boden unter den Füßen haben“. Das Kleine in dem Video war ein ausgesprochener Kämpfer: Nach etwa 20 Minuten mit hartnäckigen, unzähligen Versuchen, wieder irgendwie in das Nest zurück zu gelangen, schaffte das Küken es schließlich doch noch.

Dem kleinen Kerl geht es in Tutzing wahrscheinlich besser als seinen Geschwistern

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"Augen auf beim Gang ums Haus", rät Dr. Ninon Ballerstädt, hier mit einem schon startbereiten Mauersegler im Tutzinger Würmseestadion © Ferdinand Goslich

Der kleine Kerl, der mir gebracht wurde, hatte da weniger Glück bzw. Glück im Unglück. Er war gleich ganz aus der Bruthöhle gefallen, wurde aber glücklicherweise zeitnah gefunden. Und nun geht es ihm wahrscheinlich besser als seinen armen Geschwistern, die durch den Dauerregen von ihren Eltern nicht mit genügend Futter versorgt werden können, da bei dieser Witterung keine fliegenden Insekten unterwegs sind. Aber selbst sehr kleine Mauersegler sind wahre Hungerkünstler, und wenn es wenigstens ab und zu mal nicht regnet und die Eltern auf Beutefang fliegen können, dann werden auch sie es schaffen.

Erst ein einziges Mal in den 20 Jahren meiner Mauersegler-Aufzucht hatte ich zuvor ein derart kleines Küken erhalten. Das war im Jahr 2005. Das Küken damals wog beim Eintreffen sechs Gramm, verstarb aber leider noch am selben Tag, da ich damals noch nicht über eine „Kunstglucke“ (Inkubator) verfügte und somit nicht die optimale Temperatur halten konnte, die so ein Winzling noch benötigt.

Jetzt ist der kleine Mauersegler seit zweieinhalb Tagen bei mir. In den ersten 24 Stunden bekam er zweimal eine Infusion, weil er Probleme mit der Verdauung hatte. Aber dann startete er durch und frisst jetzt, was das Zeug hält. Sein Gewicht ist bereits auf 9,3 Gramm angewachsen. Trotzdem: Bitte weiterhin die Daumen drücken! Und natürlich auch für alle anderen Patienten!

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Wenn die Mauersegler größer und kräfiger werden... © Alois Seidl
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... werden sie eines Tages in die Freiheit entlassen © Dieter Müller
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Dr. Ninon Ballerstädt

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Kommentare

Danke, Ninon Ballerstädt, für Ihre wunderbare, faszinierende und aufopferungsvolle Arbeit mit der Sie seit Jahrzehnten Mauerseglern und anderen Vöglen zum Leben / Weiterleben verhelfen! Welch ein Einsatz, auch finanzieller Art, rund um die Uhr! Ich freue mich jedes Jahr aufs Neue wenn ich den Start der Mauersegler ins "Luftleben" im Stadion miterleben darf. Danke und alles Gute für Sie und Ihre Schützlinge!
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