Auf der so genannten Klosterwiese sind die Fundamente der geplanten Unterkunft für geflüchtete Menschen schon zu erkennen. In zwei langen Bauzeilen soll die Anlage zwischen Gröberweg, Krankenhaus und Hauptstraße entstehen. Der Gemeinderat hatte den Bau einer solchen Anlage bereits Ende Januar vorigen Jahres einstimmig befürwortet. Wegen einiger Änderungen des Konzepts wurde kurz vor den Sommerferien ein zweiter Beschluss erforderlich, der mit großer Mehrheit gegen eine Stimme gefasst wurde. Zwei lange Bauzeilen für Asylbewerber
Die Anlage soll bis Ende dieses Jahres auf der so genannten Klosterwiese an der Hauptstraße neben dem Gröberweg errichtet werden. Vorgesehen sind zwei je zweigeschossige, lange Bauzeilen. In den Wohnungen sollen mehr als 140 Menschen leben können.
Um eine Diskussion über dieses Vorhaben zu ermöglichen, will die Gemeinde Tutzing am 19. September ein Podiumsgespräch auf der Rathaustenne veranstalten. Dabei sollen auch kritische Aspekte offen angesprochen werden können, wie sie rund um das Vorhaben immer wieder geäußert werden. In einer Mitteilung formuliert die Gemeinde dies ausdrücklich: "Unter die Stimmen der Tutzingerinnen und Tutzinger mischen sich Einsatzbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Nächstenliebe, aber auch Sorgen." Der Titel des Podiumsgesprächs ist deshalb offen gewählt und in Frageform gefasst: "Wie wollen wir zusammen leben – was braucht’s?"
Vergleich mit dem schlechten Zustand des Gymnasiums
Bei einer Bürgerfragerunde vor der Gemeinderatssitzung im Juli hat eine Besucherin zum Beispiel einen Vergleich zu anderen Einrichtungen gezogen. Konkret verwies sie auf den schlechten Zustand des Tutzinger Gymnasiums und die Sperrung von dessen Turnhallen. 800 Schüler gingen in ein "nicht TÜV-fähiges" Gymnasium: "Aber wir haben Geld für ein Asylheim für Flüchtlinge", kritisierte sie. Wegen der weggefallenen Parkplätze für die Krankenhaus-Belegschaft und der als Ersatz angekündigten Anmietung von Stellflächen am Bahnhof äußerte sie sich auch verständnislos darüber, dass Krankenschwestern künftig nach der Nachtschicht auch noch im Dunkeln zum Bahnhof gehen sollten, um zu ihrem Auto zu gelangen. Ein anderer Besucher verwies in der Fragerunde auf immer mehr problematische Entwicklungen in Zusammenhang mit Flüchtlingen, weshalb verstärkt an Abschiebungen gedacht werde. Zur geplanten Wohnanlage fragte er: „Kann man nicht etwas tun, um es irgendwie rückgängig zu machen?“ Es gebe Landkreise, die sich gegen Flüchtlingsheime stellten. Bürgermeister Ludwig Horn antwortete darauf knapp: Der Landrat könne auch Räume in Tutzing wie beispielsweise Turnhallen für die Unterbringung geflüchteter Menschen beschlagnahmen. Dann beendete Horn diese Debatte mit den Worten: „Ich werde mich nicht dagegen stellen.“
Die Gemeinde Tutzing zeigt sich in der Ankündigung der Podiumsdiskussion "fest entschlossen, ihrer Verantwortung sowohl gegenüber den Bedürfnissen ihrer Bürgerinnen und Bürger als auch jenen der Geflüchteten bestmöglich gerecht zu werden". Für sie steht fest: "Ab dem Moment, in dem die Unterkunft bezogen wird, sind wir alle Tutzinger, egal ob gebürtig, hergezogen oder geflüchtet. Diese Grundhaltung wird uns alle die nächsten Jahre begleiten und unser Handeln definieren." Als essenziellen Aspekt, diese Haltung erfolgreich zu leben, bezeichnet die Gemeinde "die Einbindung aller relevanten (zivilgesellschaftlichen) Akteure und Institutionen".
Um den Standort für eine Geflüchtetenunterkunft in Tutzing war heftig gerungen worden. Das Landratsamt Starnberg hatte zunächst den zuvor seit Jahren ungenutzten Minigolfplatz an der Seestraße bevorzugt, was eine Protestwelle von Teilen der Bevölkerung auslöste. Andere plädierten für eine Wiese neben der Rotkreuzalm oben an der Traubinger Straße, die wiederum beim Landratsamt für nicht geeignet gehalten wurde, unter anderem wegen der größeren Entfernung zum Ortszentrum. Als Lösung kam schließlich die Klosterwiese ins Gespräch. Deren Eigentümer, die Tutzinger Missions-Benediktinerinnen, hielten nach einer offenbar längeren Diskussion über die Ansiedlung der Flüchtlings-Unterkunft auf ihrem Gelände eine geheime Abstimmung ab, und die Entscheidung fiel positiv für die Anlage aus.
Zu dem Podiumsgespräch lädt die Gemeinde gemeinsam mit dem Ökumenischen Unterstützerkreis Tutzing ein. Mit dabei sein sollen auch Vertreter aus dem örtlichen Gewerbe, von der Feuerwehr, aus der Jugend, von Kindergärten, Schulen und Pflege.
Wann mit der Ankunft geflüchteter Menschen in Tutzing zu rechnen ist, steht noch nicht fest. In der Anlage ist nach Angaben von Landrat Stefan Frey eine gemischte Belegung vorgesehen - eine reine Männer-Unterkunft werde es nicht geben. Auf Fragen nach Sicherheitskontrollen sagte Frey auf einer Bürgerversammlung, in keiner Unterkunft für Geflüchtete im Landkreis Starnberg gebe es eine 24-Stunden-Security. „Das ist auch nicht notwendig“, fügte er hinzu, „weil wir die Unterkünfte gemischt belegen.“ Wenn es Streitigkeiten gebe, werde man die Polizei rufen. „Da können Sie sehr beruhigt sein“, sagte der Landrat auf der Bürgerversammlung.
Die Veranstaltung steht unter dem Motto:
Wie wollen wir zusammen leben – was braucht’s?
Datum: 19. September 2024
Uhrzeit: 19 Uhr
Ort: Rathaustenne (Kirchenstraße 9)
Die Gemeinde Tutzing und der Ökumenische Unterstützerkreis freuen sich über zahlreiches Erscheinen, Anregungen und Hilfsbereitschaft.
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Es wäre fatal, die Augen vor dieser Realität zu verschließen. Warum also nicht jetzt schon, zumindest gedanklich, auf das Absehbare vorbereiten? Die klimawandelbedingten Temperaturanstiege im Mittelmeerraum fallen schon heute so stark aus, dass Brände, Überflutungen und Stürme das Leben dort spürbar erschweren. Absehbar verlieren die Mittelmeeranreiner im Sommer dadurch an Attraktivität als Urlaubsländer – wo für viele dieser Länder der Sommertourismus die Haupteinnahmequelle darstellt.
Noch gravierender sind die Auswirkungen in den äquatornahen Regionen, wo die Temperaturen nahe an der Grenze liegen, die menschliches Leben zulässt. Die sogenannte Feuchtkugeltemperatur, oberhalb derer Schwitzen keine Kühlung bewirkt, wird dort immer häufiger überschritten. Die Klimawissenschaft hat die bisherigen Entwicklungen präzise vorhergesagt, auch wenn das Tempo der Erwärmung unterschätzt wurde. Aus diesen demnächst praktisch unbewohnbaren Regionen werden die Menschen bald in den kühleren Norden aufbrechen und bei uns ankommen.
Wenn wir uns jetzt schon Gedanken über das Unvermeidliche machen, können wir die Entwicklung zu unseren Gunsten nutzen und aus den Fehlern lernen, die anderswo gemacht wurden. Der erste Schritt dazu ist, wissenschaftlich abgesicherte Tatsachen als Tatsachen anzuerkennen.