Die ersten Neuankömmlinge werden nicht vor Mitte Dezember erwartet, aber in der neuen Tutzinger Unterkunft für Geflüchtete, dem „Benedictus-Hof“, haben die Vorbereitungen begonnen. In der hinteren der beiden Bauzeilen richtet sich der Ökumenische Unterstützerkreis Tutzing einen kleinen Raum ein. Auch ein Büro für die Sozialpädagogen gibt es dort. Drei Sozialpädagogen sollen gemeinsam für die Unterkünfte in Tutzing und Feldafing zuständig sein. Eine Flüchtlings- und Integrationsberaterin des Landratsamts, Maria Adlouni, soll an einem Nachmittag und an zwei Vormittagen wöchentlich in der Tutzinger Anlage sein.
Der Unterstützerkreis will nach Angaben seiner Vorsitzenden Claudia Steinke an fünf Tagen wöchentlich in der Anlage vertreten sein. Regelmäßig will er Sprechstunden abhalten, bei denen immer zwei Personen anwesend sein sollen – bei Bedarf auch abends. Für jede geflüchtete Person soll ein Ordner angelegt werden, damit Transparenz ermöglicht wird.
24 Wohnungen gibt es in der neuen, aus Holzmodulen gefertigten Tutzinger Anlage, in der insgesamt bis zu 144 Personen Platz finden können. Jede der Wohnungen ist knapp 60 Quadratmeter groß. Drei abschließbare Schlafzimmer stehen in jeder Wohnung zur Verfügung, außerdem im vorderen Bereich eine Küche und daneben eine Toilette. Auch für die Kommunikation ist gesorgt: Ein „Accesspoint“ hängt in jeder Wohnung. Mit Hilfe des 2014 in Gilching gegründeten Vereins „Refugees online“ werden in der neuen Unterkunft für geflüchtete Menschen WLAN-Internetzugänge bereitgestellt.
Geflüchtete in Tutzing: Derzeit 118 Menschen aus der Ukraine und 124 Personen aus anderen Ländern
Derzeit befinden sich in Tutzing 242 geflüchtete Menschen, 30 von ihnen in staatlichen,die übrigen in privaten Unterkünften. 118 von ihnen stammen aus der Ukraine, 124 aus anderen Nationen. Insgesamt leben im Landkreis Starnberg 4138 Geflüchtete - Anerkannte, Asylbewerber im laufenden Verfahren, Personen mit Duldung oder mit Aufenthaltsrecht aus anderen humanitären Gründen. Nach der Staatsangehörigkeit sind die meisten von ihnen ukrainisch (1725), afghanisch (941), nigerianisch (264), syrisch (146), türkisch (143), irakisch (142), eritreisch (129), sierraleonisch (63), iransch (54) und somalisch (52).
Woher die demnächst in Tutzing erwarteten Geflüchteten kommen, ist noch nicht bekannt. Etwa die Hälfte sollen Familien sein, höchstens die andere Hälfte allein reisende Personen. 500 oder mehr Personen kommen wöchentlich im Landkreis Starnberg an, davon 200 bis 250 Personen aus der Ukraine und 250 bis 300 Personen aus anderen Ländern, zurzeit vor allem aus der Türkei, Afghanistan, Syrien und Nigeria. „Wir versuchen es so zu steuern, dass es von den Nationen passt“, sagte der Starnberger Landrat Stefan Frey am Freitag bei einem Presserundgang durch die Anlage. Man weiß aus Erfahrung, dass Streitgründe oft im Alltag liegen – ganz besonders bei den Essgewohnheiten.
Im Landkreis Starnberg gibt es 20 Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete. 14 von ihnen betreibt die Regierung von Oberbayern, die übrigen der Landkreis, so die in Tutzing, Wörthsee und Feldafing. Darüber hinaus sind geflüchtete Menschen in mehr als 80 dezentralen Einheiten untergebracht. Das halten viele für sinnvoller als die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Dem Landkreis sind etliche Wohnungen angeboten worden, aber nach den Worten von Sabine Neumann, Fachbereichsleiterin Asyl und Integration des Landratsamts, gelten nicht alle als geeignet.
Bedarf besteht weiterhin, aber inzwischen gibt es weniger Angebote als früher. Ein wesentliches Ziel sei es, dass keine Turnhallen auf diese Weise belegt werden, betonte Frey. Der Landkreis Starnberg habe seine „Quote“ jedenfalls erfüllt. 2,9 Prozent des auf den Regierungsbezirk Oberbayern entfallenden Anteils legt die „Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes“ (DVAsyl) für den Landkreis Starnberg fest. Nicht alle Landkreise erfüllen ihre Quoten.
Die Arbeitsuche für geflüchtete Menschen ist „ein zähes Geschäft"
Arbeit könnten die Asylbewerber bereits nach drei Monaten aufnehmen, sagte Frey, nicht erst nach neun Monaten. Das sei geändert worden, doch viele wüssten das offenbar noch nicht. Auch der mit diesem Thema intensiv befasste Hebertshausener Bürgermeister Reischl hatte kürzlich bei seinem Besuch in Tutzing von neun Monaten gesprochen. Die Arbeitsuche für diese Menschen ist allerdings „ein zähes Geschäft“, sagte Frey. Für elf Jobs habe es in jüngerer Zeit 300 Bewerber gegeben. Dreh- und Angelpunkt sei die Sprache. Je spezieller die Tätigkeit sei, umso schwieriger werde es. Wer eine Arbeit aufnimmt, kann in der Anlage wohnen bleiben, muss sich dann aber an den Kosten beteiligen. Personen, die anerkannt werden, müssen so eine Anlage verlassen. „Das gelingt aber fast nie“, sagte Frey. Wenn sie bleiben, gelten sie als „Fehlbeleger“.
Für diejenigen, die nicht arbeiten dürfen oder keine Arbeit finden, liegen große Hoffnungen auf gemeinnützigen Tätigkeiten für 80 Cent in der Stunde. Solche Tätigkeiten dürfen alle Geflüchteten ausüben, ausgenommen nicht arbeitsfähige wie Kranke, Schwangere und andere sowie Kinder im schulpflichtigen Alter oder jünger. „Wichtig ist vor allem, dass die Menschen beschäftigt sind“, sagte Frey. Arbeit gebe es genug, so beispielsweise bei Winterdiensten: „Das ist nicht unter der Würde eines Menschen.“
Bei den Kosten einer Gemeinschaftsunterkunft gelten fünf Millionen Euro für 100 Plätze als Faustregel. „Sorge macht uns, dass das Geld knapp wird, auch beim Freistaat Bayern“, sagte Frey. Alle Einsparmöglichkeiten seien schon geprüft worden, und die Kosten seien enorm hoch, es gebe einen großen Aufwand im Vorfeld. Seine Folgerung: „Es wird nicht einfach werden.“ Er äußerte auch die Befürchtung, dass noch deutlich mehr Menschen aus der Ukraine nach Deutschland flüchten werden.
Im Unterstützerkreis arbeiten zurzeit 55 Personen aktiv mit
„Gut, dass wir nicht die Kämpfe und Themen haben wie in anderen Landkreisen“, sagte Frey: „Ich hoffe, dass die Anlage gut von der Bevölkerung angenommen wird.“ Die Funktionalität stehe zwar im Vordergrund, aber es solle auch sauber und ordentlich sein. Frey bedankte sich bei der Gemeinde Tutzing und dem Gemeinderat, beim Ökumenischen Unterstützerkreis und bei den Missions-Benediktinerinnen, die die Fläche für die neue Anlage auf dem Klostergelände direkt an der Hauptstraße zur Verfügung gestellt haben. „Das ist nicht selbstverständlich in heutiger Zeit.“
Bei einem Treffen vor einer Woche hat der Unterstützerkreis Teams für bestimmte Aufgaben - beispielsweise Arbeitsbeschaffung, Sprache, Hausaufgabenbetreuung, Veranstaltungen, Freizeit und Sport – gebildet. Aktiv mitarbeiten wollen zurzeit 55 Personen, noch viel mehr haben Interesse gezeigt. Claudia Steinke freut sich über diese Hilfsbereitschaft, sie vertraut zudem auf gute Kontakte zu den Kirchen, den Vereinen und anderen in Tutzing. Begeistert äußerte sie sich über große Unterstützung durch die Tutzinger Klosterschwestern. Sie engagierten sich gern, sagte Priorin Rachel Feller, soweit das bei ihrem hohen Altersdurchschnitt möglich sei. Wichtig sind nach ihren Erfahrungen positive Erzählungen. Als ein junger Mann aus Eritrea, um den sich die Schwestern gekümmert haben, eine begeisterte Dank-SMS geschickt hat, habe sie Tränen in den Augen gehabt.
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